TE OGH 1999/9/1 7Ob374/98w

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Veröffentlicht am 01.09.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Huber, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Claus B*****, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Hedwig M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wilfling, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 89.904,48 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Februar 1998, GZ 39 R 616/97-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. Juli 1997, GZ 47 C 218/97a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Mieter der im Eigentum der Beklagten stehenden Geschäftsräume im Haus in 1110 Wien, S*****straße *****, in denen er vereinbarungsgemäß eine Zahnarztordination betreibt. In unmittelbarer Umgebung des Hauses wurden seitens der Gemeinde Wien Bauarbeiten zur Erweiterung des U-Bahn-Netzes durchgeführt. Der Kläger ließ deshalb in den von ihm gemieteten Räumen Isolierfenster und ein Lüftungssystem mit Staubfilter einbauen. Er begehrte von der Beklagten den Ersatz der Einbaukosten von S 89.904,48 sA. Die Bauarbeiten hätten zu einer untragbaren Beeinträchtigung des Ordinationsbetriebes durch Staub und Lärm geführt. Die Beklagte hätte diese Schall- und Staubschutzmaßnahmen selbst durchführen lassen müssen, um die bedungene Gebrauchsmöglichkeit des Bestandobjektes zu gewährleisten. Nach unberechtigter Ablehnung sei der Kläger zur Vermeidung eines weit größeren Schadens gezwungen gewesen, diese Schutzmaßnahmen zu treffen, weil aus medizinischen Gründen eine Schließung der Ordination unmittelbar angestanden sei. Die Beklagte hätte die Rechte des Klägers in dem den U-Bahn-Bau betreffenden Verwaltungsverfahren gegenüber der Gemeinde Wien, in dem dem Kläger keine Parteistellung zugekommen sei, zu wahren gehabt. Die Beklagte habe sich von der Gemeinde Wien "abfinden lassen".

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Durch die Bauarbeiten im Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau sei es zu keiner Beeinträchtigung des Mietobjektes gekommen. Der Kläger habe die Veränderungen am Mietobjekt ohne Zustimmung der Beklagten und ohne Bewilligung durchgeführt. Die Kosten seien alleine von ihm zu tragen, weil sie ausschließlich seinen eigenen Interessen dienten. Allenfalls könne er bei Beendigung des Mietverhältnisses Ersatz verlangen. Die Beklagte selbst habe keine Immissionen verursacht. Der Kläger sei nach dem Mietvertrag verpflichtet, derartige Arbeiten auf eigene Kosten durchführen zu lassen. Die Beklagte habe keine Abschlagszahlung seitens der Gemeinde Wien erhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Der Bestandnehmer habe gemäß § 1097 ABGB nur dann einen sofort fälligen Anspruch auf unbegrenzten Ersatz von Aufwendungen auf die Bestandssache, wenn er solche Arbeiten auf eigene Kosten durchführe, die dem Bestandgeber obliegen. Sonstige Verbesserungen könne er allenfalls bei Beendigung des Bestandverhältnisses verlangen. Da schon nach dem Klagevorbringen keiner der in § 3 Abs 1 MRG taxativ aufgezählten, den Bestandgeber obliegenden Arbeiten durchgeführt worden seien, scheide ein sofortiger Ersatzanspruch aus.Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Der Bestandnehmer habe gemäß Paragraph 1097, ABGB nur dann einen sofort fälligen Anspruch auf unbegrenzten Ersatz von Aufwendungen auf die Bestandssache, wenn er solche Arbeiten auf eigene Kosten durchführe, die dem Bestandgeber obliegen. Sonstige Verbesserungen könne er allenfalls bei Beendigung des Bestandverhältnisses verlangen. Da schon nach dem Klagevorbringen keiner der in Paragraph 3, Absatz eins, MRG taxativ aufgezählten, den Bestandgeber obliegenden Arbeiten durchgeführt worden seien, scheide ein sofortiger Ersatzanspruch aus.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Das Bestandobjekt sei in brauchbarem Zustand übernommen worden. Die Notwendigkeit der vom Kläger getätigten Aufwendungen habe sich nicht durch eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes, sondern allein durch die durch den U-Bahn-Bau verursachten Immissionen ergeben. Maßgebend für die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 Abs 1 ABGB und auch nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG sei aber der für den bedungenen Gebrauch im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlußes von den Parteien zugrundegelegte Ausstattungs- und Erhaltungszustand. Bei aufrechtem Bestandverhältnis sei ein allfälliger Anspruch des Mieters für Verbesserungsarbeiten nicht fällig. Soweit der Kläger in seiner Berufung ausführe, daß es die Beklagte unterlassen habe, von der Gemeinde Wien wegen der U-Bahn-Bauarbeiten Kostenersatz für die zur Aufrechterhaltung des Ordinationsbetriebes notwendigen Maßnahmen zu begehren, weshalb die Beklagte dem Kläger gegenüber schadenersatzpflichtig sei, mache der Beklagte einen neuen Rechtsgrund geltend, dem das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren entgegenstehe.Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Das Bestandobjekt sei in brauchbarem Zustand übernommen worden. Die Notwendigkeit der vom Kläger getätigten Aufwendungen habe sich nicht durch eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes, sondern allein durch die durch den U-Bahn-Bau verursachten Immissionen ergeben. Maßgebend für die Erhaltungspflicht des Vermieters nach Paragraph 1096, Absatz eins, ABGB und auch nach Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, MRG sei aber der für den bedungenen Gebrauch im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlußes von den Parteien zugrundegelegte Ausstattungs- und Erhaltungszustand. Bei aufrechtem Bestandverhältnis sei ein allfälliger Anspruch des Mieters für Verbesserungsarbeiten nicht fällig. Soweit der Kläger in seiner Berufung ausführe, daß es die Beklagte unterlassen habe, von der Gemeinde Wien wegen der U-Bahn-Bauarbeiten Kostenersatz für die zur Aufrechterhaltung des Ordinationsbetriebes notwendigen Maßnahmen zu begehren, weshalb die Beklagte dem Kläger gegenüber schadenersatzpflichtig sei, mache der Beklagte einen neuen Rechtsgrund geltend, dem das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren entgegenstehe.

Seinen zunächst enthaltenen Ausspruch, daß die Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht infolge des Antrages des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO dahin ab, daß es diese für zulässig erklärte.Seinen zunächst enthaltenen Ausspruch, daß die Revision nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht infolge des Antrages des Klägers gemäß Paragraph 508, Absatz eins, ZPO dahin ab, daß es diese für zulässig erklärte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß der Kläger schon im Verfahren erster Instanz vorgebracht hat, daß er die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes in Anspruch nehmen wolle und daß er dies in der Berufung dann nochmals ausgeführt hat. Eine Einschränkung des Klageanspruches allein auf den Rechtsgrund des § 1097 1. Fall ABGB (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG) ist daher dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Berufung auf einen neuen, aus dem Vorbringen in erster Instanz nicht ableitbaren Rechtsgrund liegt daher ebenfalls nicht vor.Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß der Kläger schon im Verfahren erster Instanz vorgebracht hat, daß er die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes in Anspruch nehmen wolle und daß er dies in der Berufung dann nochmals ausgeführt hat. Eine Einschränkung des Klageanspruches allein auf den Rechtsgrund des Paragraph 1097, 1. Fall ABGB (Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, MRG) ist daher dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Berufung auf einen neuen, aus dem Vorbringen in erster Instanz nicht ableitbaren Rechtsgrund liegt daher ebenfalls nicht vor.

Gemäß § 1096 Abs 1 ABGB ist der Vermieter verpflichtet, den Bestandgegenstand auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten und den Bestandinhaber in dem gedungenen Gebrauch oder Genuß nicht zu stören. Diese Verpflichtung umfaßt auch den Schutz vor Beeinträchtigungen durch Dritte. Kommt der Bestandgeber dieser Verpflichtung nicht nach, so tritt verschuldensunabhängig Zinsbefreiung bzw Zinsminderung als Gewährleistungsfolge besonderer Art ex lege ein. Darüber hinaus haftet der Bestandgeber bei Verschulden für jeden durch Vernachlässigung seiner Verpflichtung zur Gebrauchsgewährung verursachten Schaden (8 Ob 227/97h).Gemäß Paragraph 1096, Absatz eins, ABGB ist der Vermieter verpflichtet, den Bestandgegenstand auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten und den Bestandinhaber in dem gedungenen Gebrauch oder Genuß nicht zu stören. Diese Verpflichtung umfaßt auch den Schutz vor Beeinträchtigungen durch Dritte. Kommt der Bestandgeber dieser Verpflichtung nicht nach, so tritt verschuldensunabhängig Zinsbefreiung bzw Zinsminderung als Gewährleistungsfolge besonderer Art ex lege ein. Darüber hinaus haftet der Bestandgeber bei Verschulden für jeden durch Vernachlässigung seiner Verpflichtung zur Gebrauchsgewährung verursachten Schaden (8 Ob 227/97h).

Im vorliegenden Fall stützt der Kläger sein Ersatzbegehren, wie sich aus seinem Vorbringen ergibt, erkennbar auch auf einen aus der Verletzung der Bestandgeberpflichten resultierenden Schadenersatzanspruch, weil die Beklagte die Ansprüche des Klägers im Baugenehmigungsverfahren nicht ausreichend gewahrt habe. Aus den betreffenden Bestimmungen der Wiener Bauordnung ist jedoch (im Gegensatz zu dem in einem Enteignungsentschädigungsverfahren maßgebenden § 5 EEG) weder eine Einschränkung der Beteiligtenstellung auf die Grundeigentümer noch insbesondere eine Entschädigung für Immissionen einschließlich jener Nachteile, die Nutzungsberechtigte oder Bestandnehmer erleiden, zu entnehmen (vgl §§ 134 Abs 3, 134a Wiener Bauordnung). Allfälligen Behauptungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren, daß die beabsichtigten Baumaßnahmen eine Verminderung der Wohnungsqualität für die Mieter ihres Hauses erwarten ließen, hätten keinen Erfolg gehabt, weil ein solches Vorbringen keinen Bezug auf die in § 134a Wiener Bauordnung genannten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte erkennen läßt (VwGH 10. 10. 1995, 95/05/0193). Derartige Ansprüche des Bestandnehmers hätten daher von der Beklagten im Baugenehmigungsverfahren gar nicht geltend gemacht werden können.Im vorliegenden Fall stützt der Kläger sein Ersatzbegehren, wie sich aus seinem Vorbringen ergibt, erkennbar auch auf einen aus der Verletzung der Bestandgeberpflichten resultierenden Schadenersatzanspruch, weil die Beklagte die Ansprüche des Klägers im Baugenehmigungsverfahren nicht ausreichend gewahrt habe. Aus den betreffenden Bestimmungen der Wiener Bauordnung ist jedoch (im Gegensatz zu dem in einem Enteignungsentschädigungsverfahren maßgebenden Paragraph 5, EEG) weder eine Einschränkung der Beteiligtenstellung auf die Grundeigentümer noch insbesondere eine Entschädigung für Immissionen einschließlich jener Nachteile, die Nutzungsberechtigte oder Bestandnehmer erleiden, zu entnehmen vergleiche Paragraphen 134, Absatz 3,, 134a Wiener Bauordnung). Allfälligen Behauptungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren, daß die beabsichtigten Baumaßnahmen eine Verminderung der Wohnungsqualität für die Mieter ihres Hauses erwarten ließen, hätten keinen Erfolg gehabt, weil ein solches Vorbringen keinen Bezug auf die in Paragraph 134 a, Wiener Bauordnung genannten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte erkennen läßt (VwGH 10. 10. 1995, 95/05/0193). Derartige Ansprüche des Bestandnehmers hätten daher von der Beklagten im Baugenehmigungsverfahren gar nicht geltend gemacht werden können.

Durch die Bauführung verursachte Beeinträchtigungen durch Immissionen sind dem Bestandnehmer vielmehr vom Verursacher abzugelten, dem die Rechtsprechung nunmehr nicht nur Abwehransprüche gegen Immissionen, sondern auch Schadenersatzansprüche gegenüber Dritten und nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche zuerkennt (SZ 65/38; SZ 67/212 je mwN). Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße anzuwenden. Die Gebietskörperschaft, die die notwendigen Arbeiten durchführen läßt, tritt als Bauherr auf und haftet als solcher dem Grundnachbarn (und damit nach nunmehriger Rechtsprechung auch dem Bestandnehmer gegenüber) nach den Grundsätzen des Zivilrechts (SZ 47/140 mwN).Durch die Bauführung verursachte Beeinträchtigungen durch Immissionen sind dem Bestandnehmer vielmehr vom Verursacher abzugelten, dem die Rechtsprechung nunmehr nicht nur Abwehransprüche gegen Immissionen, sondern auch Schadenersatzansprüche gegenüber Dritten und nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche zuerkennt (SZ 65/38; SZ 67/212 je mwN). Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen der Paragraphen 364, ff ABGB auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße anzuwenden. Die Gebietskörperschaft, die die notwendigen Arbeiten durchführen läßt, tritt als Bauherr auf und haftet als solcher dem Grundnachbarn (und damit nach nunmehriger Rechtsprechung auch dem Bestandnehmer gegenüber) nach den Grundsätzen des Zivilrechts (SZ 47/140 mwN).

Eine Haftung der Beklagten für Schäden, die dem Kläger als Bestandnehmer durch die bei der Bauführung erfolgten Immissionen verursacht werden, ist daher zu verneinen (vgl insbesondere 8 Ob 227/97h, wo ein teilweise vergleichbarer Sachverhalt zu beurteilen war).Eine Haftung der Beklagten für Schäden, die dem Kläger als Bestandnehmer durch die bei der Bauführung erfolgten Immissionen verursacht werden, ist daher zu verneinen vergleiche insbesondere 8 Ob 227/97h, wo ein teilweise vergleichbarer Sachverhalt zu beurteilen war).

Der Kläger hat daher gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Ersatz der im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht aufgewendeten Kosten, die nach seinen Behauptungen zur Hintanhaltung der Ordinationsschließung und damit noch größerer Schäden anfielen.

Die das Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E55462 07A03748

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0070OB00374.98W.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19990901_OGH0002_0070OB00374_98W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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