TE Vwgh Beschluss 2006/11/15 2006/12/0173

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Veröffentlicht am 15.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §62 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über den Antrag des Dr. S in W, vertreten durch Dr. Andreas Frank, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Albertgasse 6, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der unter Zl. 2006/12/0110 protokollierten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 18. Mai 2004, Zl. 15 1311/121-II/5/03, betreffend Ruhegenussbemessung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, des Wiedereinsetzungsvorbringens sowie der erstatteten Erklärungen des Beschwerdeführers, des Beschwerdevertreters und der K gilt nachstehender Sachverhalt als bescheinigt:

Mit dem oben angeführten im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 18. Mai 2004 wurde der Ruhegenuss des Beschwerdeführers bemessen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Beschluss vom 28. Februar 2006, B 846/04-3, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit Beschluss vom 30. Juni 2006, B 846/04-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit Verfügung vom 10. Juli 2006, Zl. 2006/12/0110-2, trug der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer die Ergänzung der in Rede stehenden Beschwerde binnen 6 Wochen auf. Die Zustellung dieses Auftrages erfolgte am 20. Juli 2006.

Der Beschwerdevertreter verfasste sodann einen mit 30. August 2006 datierten Ergänzungsschriftsatz, dessen Kopf wie folgt gestaltet wurde:

"Absender: RA Dr F

A-Gasse 6, 1080 Wien

Verwaltungsgerichtshof

Judenplatz 11

1010 Wien"

Dieser Schriftsatz wurde vom Beschwerdeführer (der eine Kanzleigemeinschaft mit dem Beschwerdevertreter betreibt) in ein Kuvert mit Sichtfenster eingelegt. In diesem Zeitpunkt waren Absender und Adressat deutlich zu lesen. Er wurde sodann am 31. August 2006 eingeschrieben, unter Anführung des Verwaltungsgerichtshofes als Empfänger auf dem Aufgabeschein, zur Post gegeben.

Auf Grund eines Verrutschens der Eingabe innerhalb des Kuverts und/oder von Lesefehlern von Postbedientsten langte die in Rede stehende Sendung jedoch nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern am 4. September 2006 wiederum in der Kanzlei des Beschwerdevertreters ein. Dort wurde das Originalkuvert mit dem Eingangsvermerk des Beschwerdevertreters und dem Datum des Einlangens in seiner Kanzlei versehen. Der Schriftsatz wurde sodann dem Beschwerdevertreter vorgelegt, welcher ihn öffnete und das Abirren des Postenlaufes erkannte.

Am 18. September 2006 wurde sodann das Original des an den Beschwerdevertreter rückgelangten Ergänzungsschriftsatzes sowie eine mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verbesserungsfrist verbundene Mitteilung des oben als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes an den Verwaltungsgerichtshof gesandt, wo diese Schriftsätze am 20. September 2006 einlangten. Der Beschwerdeführer steht primär auf dem Standpunkt, der Ergänzungsschriftsatz sei rechtzeitig; lediglich aus Gründen prozessualer Vorsicht werde auch ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

§ 46 Abs. 1 und 3 VwGG lauten:

"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen."

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die primär vertretene Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, dem Verbesserungsauftrag sei fristgemäß entsprochen worden, nicht. Man könnte hier zwar die Meinung vertreten, dass der Beschwerdeführer - ungeachtet einer allenfalls bestandenen Gefahr des Verrutschens - den Verbesserungsschriftsatz richtig an den Verwaltungsgerichtshof adressiert hat. In diesem Fall würde gemäß § 33 Abs. 3 erster Satz AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG die Zeit des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet. Dies setzte jedoch voraus, dass das in Rede stehende Schriftstück nach Abschluss des Postenlaufes überhaupt bei der Behörde (hier beim Verwaltungsgerichtshof) einlangt (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 12 zu § 33 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Vorliegendenfalls langte - wenngleich möglicherweise auf Grund eines Fehlers der Post - das Original des Ergänzungsschriftsatzes jedoch (zunächst) nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern (am 4. September 2006) wiederum in der Kanzlei des Beschwerdevertreters ein. Dort wurde es geöffnet und erst zwei Wochen später gemeinsam mit dem den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthaltenden Schriftsatz neuerlich per Post an den Verwaltungsgerichtshof übersandt.

In dieser Fallkonstellation geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der ursprünglich (am 31. August 2006) in Gang gesetzte Postenlauf durch die zuletzt geschilderten Ereignisse unterbrochen wurde. Die (neuerliche) Aufgabe des Ergänzungsschriftsatzes am 18. September 2006 erfolgte daher in Bezug auf den Verbesserungsauftrag nicht fristwahrend. Da der Beschwerdeführer die Verbesserungsfrist folglich versäumt hatte, erweist sich der in Rede stehende Wiedereinsetzungsantrag als zulässig.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist aber auch berechtigt. Bei einer Kuvertierung in ein Fensterkuvert, die allenfalls ein Verrutschen des Schriftsatzes im Kuvert zugelassen hätte, handelte es sich zwar um einen bei der Kuvertierung erfolgten Fehler (hier des Beschwerdeführers), an dem jedoch ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden nicht vorgeworfen werden könnte. Lägen demgegenüber bloß Lesefehler von Postbediensteten vor, so wären sie dem Beschwerdeführer nicht zurechenbar.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher stattzugeben.

Wien, am 15. November 2006

Schlagworte

Frist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006120173.X00

Im RIS seit

25.01.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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