TE OGH 1999/9/1 9ObA192/99x

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Veröffentlicht am 01.09.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Franz Höllebrand als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Asmira H*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Edith S*****, Gastwirtin, *****, vertreten durch Mag. Martin Paar, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 54.346,11 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 1999, GZ 9 Ra 41/99m-26, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. Oktober 1998, GZ 3 Cga 156/97z-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 5. 5. 1995 bei Melitta S*****, die gemeinsam mit ihrem Gatten von Herbert H*****das Gasthaus "K*****" gepachtet hatte, als Küchengehilfin beschäftigt. Am 31. 1. 1997 wurde der Pachtvertrag zwischen dem Ehepaar S***** und Herbert H***** aufgelöst. Das Dienstverhältnis der Klägerin wurde nicht gekündigt, sie wurde aber bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet. H***** verpachtete nunmehr das Gasthaus "K*****" der Beklagten, die das Lokal am 1. 2. 1997 übernahm. Am Betrieb des Gasthauses änderte sich nach der Übernahme durch die Beklagte nichts. Die Vorpächter hatten zwar die Lebensmittel weitestgehend aufgebraucht; das Inventar (eingerichteter Gastraum samt Schank und Espressomaschine, vollkommen eingerichtete Küche) verblieb aber zur Gänze im Lokal und wurde von der Beklagten übernommen. Auch am Angebot des Gasthauses änderte sich nichts.

Absprachen zwischen der Beklagten und den Vorpächtern wurden nicht getroffen. Die Klägerin wurde von der Beklagten zu unveränderten Konditionen weiterbeschäftigt; an ihrer Tätigkeit änderte sich nichts. Neben der Klägerin waren zum Zeitpunkt der Neuverpachtung noch ein Koch sowie ein Sohn der Beklagten (als Kellner) beschäftigt. Dieser Sohn arbeitet auch nach der Übernahme weiter im Gasthaus "K*****".

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete am 22. 6. 1997 durch Arbeitgeberkündigung. Aus der Zeit der Tätigkeit der Klägerin für die Vorpächter haften Entgeltansprüche in der Höhe des Klagebetrages unberichtigt aus.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Übernahme des Gasthauses als Betriebsübergang iS § 3 AVRAG zu qualifizieren sei und daß daher die Beklagte gemäß § 6 AVRAG für die gegenüber den Vorpächtern aufgelaufenen Entgeltrückstände hafte. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Übernahme des Gasthauses als Betriebsübergang iS Paragraph 3, AVRAG zu qualifizieren sei und daß daher die Beklagte gemäß Paragraph 6, AVRAG für die gegenüber den Vorpächtern aufgelaufenen Entgeltrückstände hafte. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften zur Richtlinie 77/187/EWG knüpft § 3 Abs 1 AVRAG nicht an ein Rechtsgeschäft bzw. einen Eigentumswechsel, sondern schlicht an den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils "auf einen anderen Erwerber" an (DRdA 1999, 149; ecolex 1999, 344 je mwN auch aus der Judikatur des EuGH). Der "Veräußerer" - und "Erwerber" - Begriff sind hier - anders als nach § 1409 ABGB - weit zu ziehen. Veräußerer und Erwerber müssen nicht Eigentümer des Betriebes, sondern bloß rechtlich gesicherte oder tatsächliche Inhaber mit Leitungsmacht (gewesen) sein. Ob der Betrieb mit oder ohne Gegenleistung, also durch Kauf, Tausch oder Schenkung, veräußert wird oder daran bloß ein dingliches oder schuldrechtliches Nutzungsrecht (in Gestalt eines Nießbrauchs, einer Miete, Pacht oder Leihe) begründet wird, ist nicht entscheidend. Es reicht aus, daß der für die Geschicke des Betriebes Verantwortliche ("Inhaber") wechselt. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Fruchtnießer den Betrieb wieder an den Eigentümer zurückstellt oder der Betrieb von einem Pächter auf den anderen übergeht (DRdA 1999, 149; Binder in DRdA 1996, 1 [7]; Kirschbaum in DRdA 1994, 350 [352], jeweils mwN; vgl auch Heinze in Tomandl, Der Betriebs(teil)übergang im Arbeitsrecht, 11). Arbeitsverhältnisse mit dem Pächter eines Betriebes gehen bei Neuverpachtung dieses Betriebes also auch dann auf den Neupächter über, wenn zwischen Alt- und Neupächter keine vertraglichen Beziehungen bestehen (DRdA 1999, 149).In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der europäischen Gemeinschaften zur Richtlinie 77/187/EWG knüpft Paragraph 3, Absatz eins, AVRAG nicht an ein Rechtsgeschäft bzw. einen Eigentumswechsel, sondern schlicht an den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils "auf einen anderen Erwerber" an (DRdA 1999, 149; ecolex 1999, 344 je mwN auch aus der Judikatur des EuGH). Der "Veräußerer" - und "Erwerber" - Begriff sind hier - anders als nach Paragraph 1409, ABGB - weit zu ziehen. Veräußerer und Erwerber müssen nicht Eigentümer des Betriebes, sondern bloß rechtlich gesicherte oder tatsächliche Inhaber mit Leitungsmacht (gewesen) sein. Ob der Betrieb mit oder ohne Gegenleistung, also durch Kauf, Tausch oder Schenkung, veräußert wird oder daran bloß ein dingliches oder schuldrechtliches Nutzungsrecht (in Gestalt eines Nießbrauchs, einer Miete, Pacht oder Leihe) begründet wird, ist nicht entscheidend. Es reicht aus, daß der für die Geschicke des Betriebes Verantwortliche ("Inhaber") wechselt. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Fruchtnießer den Betrieb wieder an den Eigentümer zurückstellt oder der Betrieb von einem Pächter auf den anderen übergeht (DRdA 1999, 149; Binder in DRdA 1996, 1 [7]; Kirschbaum in DRdA 1994, 350 [352], jeweils mwN; vergleiche auch Heinze in Tomandl, Der Betriebs(teil)übergang im Arbeitsrecht, 11). Arbeitsverhältnisse mit dem Pächter eines Betriebes gehen bei Neuverpachtung dieses Betriebes also auch dann auf den Neupächter über, wenn zwischen Alt- und Neupächter keine vertraglichen Beziehungen bestehen (DRdA 1999, 149).

Entscheidend ist daher im hier zu beurteilenden Fall ob durch die Neuverpachtung des Gasthauses ein die wirtschaftliche Einheit des Betriebes wahrender Übergang vom Alt- auf den Neupächter stattgefunden hat.

Wird ein Betrieb neu verpachtet, sind zur Prüfung der Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen (DRdA 1999, 269 mwN). Dabei ist iS der Rechtsprechung des EuGH (dazu ebenfalls DRdA 1999, 269) auf folgende Tatbestandsmerkmale Bedacht zu nehmen:

1. Das übertragene Gebilde muß eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Dies ist eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Diese Tätigkeit darf nicht auf die Ausübung eines bestimmten Vorhabens beschränkt sein;

2. Fortführung derselben wirtschaftlichen Einheit (Betriebsidentität);

3. Übernahme von materiellen oder/und immateriellen Betriebsmitteln;

4. gleichbleibende oder zumindest ähnliche Geschäftstätigkeit;

5. Übernahme der Kundschaft;

6. Übernahme des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft.

Allerdings sind diese Tatbestandsmerkmale iS eines beweglichen Systems anzuwenden (DRdA 1999, 149 mwN), sodaß ein Betriebsübergang auch dann anzunehmen ist, wenn einzelne der aufgezeigten Tatbestandsmerkmale nicht oder nur ansatzweise, andere dafür aber umso ausgeprägter verwirklicht sind.

Im Sinne dieser Rechtslage ist im hier zu beurteilenden Fall von einem Betriebsübergang auszugehen:

Das Gasthaus "K*****" stellt eine wirtschaftliche Einheit dar, die vom neuen Inhaber unverändert übernommen wurde. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Revisionswerberin wurden - mit Ausnahme der Lebensmittel und Getränke - sämtliche Betriebsmittel übernommen und der Betrieb unter Beibehaltung der bisherigen Geschäftstätigkeit und der Bezeichnung unverändert fortgeführt, womit trotz des Fehlens entsprechender Feststellungen auch angenommen werden kann, daß die Übernahme der bisherigen Kundschaft angestrebt wurde. Ebenso wurden von den drei vor der Übernahme im Betrieb tätigen Arbeitnehmern zwei vom neuen Inhaber übernommen. Daß - wie die Revisionswerberin hervorhebt - der neue Pächter dem Vorpächter keine Ablöse gezahlt hat, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Da sämtliche der aufgezählten Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß eine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität vom bisherigen Inhaber auf die Beklagte übergegangen ist, sodaß das Vorliegen eines Betriebsüberganges - und damit die Haftung der Beklagten für die beim bisherigen Inhaber aufgelaufenen Entgeltrückstände - zu bejahen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E55254 09B01929

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:009OBA00192.99X.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19990901_OGH0002_009OBA00192_99X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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