Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta F*****, vertreten durch Dr. Hans Christian Kollmann und andere Rechtsanwälte in Lambach, wider die beklagte Partei R*****bank *****reg Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wegen Zahlung von S 307.720, einer monatlichen Rente und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. Mai 1999, GZ 6 R 56/99v-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 4. Jänner 1999, GZ 2 Cg 158/97f-35, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Revision wird, soweit in ihr die Zahlung einer monatlichen Rente von S 1.440 ab 1. 7. 1998 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden der klagenden Partei begehrt wird, zurückgewiesen.
2. Im übrigen wird ihr Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß die Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 2.480 und einer Rente von S 1.440 ab 1. Juli 1998 monatlich im vorhinein abgewiesen werden.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.498,80 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am Abend des 16. 1. 1997 besuchte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Gatten eine von der beklagten Partei in deren Bankgebäude veranstaltete Vernissage. Als sie das Bankgebäude durch den Hintereingang verließ, kam sie auf dem dort zur L***** Bezirksstraße führenden Zufahrtsweg zu Sturz und verletzte sich dabei schwer.
Sie begehrt von der beklagten Partei die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 250.000, den Ersatz von Krankenhausbesuchskosten von S 3.220, von Fahrtkosten von S 2.300, von Kosten einer Haushaltshilfe von S 52.200, sowie die Zuerkennung einer Hausfrauenrente von S 1.440 monatlich ab 1. 7. 1997 und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für zukünftige Verletzungsfolgen. Sie brachte dazu vor, der Zufahrtsweg sei eisglatt, nicht gestreut und nicht ausreichend beleuchtet gewesen, weshalb sie zu Sturz gekommen sei. Die beklagte Partei sei Eigentümerin bzw Halterin dieses Weges und habe diesen eröffnet, weshalb sie für eine gefahrlose Benutzung verantwortlich sei.
Die beklagte Partei wendete ein, der Zufahrtsweg sei ausreichend beleuchtet und gestreut gewesen. Sie sei weder Eigentümerin noch Halterin dieses Weges, vielmehr handle es sich im Bereich der Sturzstelle um öffentliches Gut, weshalb die Gemeinde für die Räumung und Streuung verantwortlich sei. Die Klägerin habe den Sturz überwiegend selbst verschuldet, weil sie kein geeignetes Schuhwerk getragen, keine Gehilfen in Anspruch genommen und der Wegoberfläche nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt habe. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche seien überhöht.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S
181.680 sA und wies die Mehrbegehren auf Zahlung von S 126.340 samt Zinsen, einer monatlichen Rente von S 1.440 ab 1. 7. 1997 und auf Feststellung ab.
Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Die Klägerin und ihr Ehemann wurden von der beklagten Partei schriftlich zur Vernissage vom 16. 1. 1997 eingeladen. Geschäftliche Beziehungen bestehen zwischen den Streitteilen nicht, die Klägerin unterhält bei der beklagten Partei kein Konto.
Am Abend des 16. 1. 1997 betrat die Klägerin mit ihrem Ehegatten das Bankgebäude durch den Haupteingang, der sich an dessen Westfront befindet und zur L***** Bezirksstraße hinweist. Als sie die Veranstaltung zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr wieder verlassen wollten, wurden sie vom zuständigen Sprengelleiter der beklagten Partei zum Hintereingang des Gebäudes geführt, weil das Hauptportal mittlerweile gesperrt worden war. Bei Abendveranstaltungen im Bankgebäude wird es von den Mitarbeitern der beklagten Partei regelmäßig so gehandhabt, daß die Gäste zu späterer Stunde nicht beim Haupteingang, sondern beim Hintereingang hinausgelassen werden.
Der Hintereingang liegt an der Nordseite des Gebäudes auf Höhe eines rechtwinkeligen Rücksprunges der Hausfront (die dadurch gebildete Außenecke wird als "nördliches Hauseck" bezeichnet). Der Bereich vor dem Hintereingang bis zum nördlichen Hauseck wird von einem Betonvordach überdeckt und einer Wandlampe beleuchtet. Von dort gelangt man auf einen 4 m breiten, asphaltierten Zufahrtsweg, der von der L***** Bezirksstraße kommt und die Nordseite des Bankgebäudes von Westen nach Osten entlangführt und sich dann nach Süden wendet, um an der Südostecke des Bankgebäudes in eine andere Straße zu münden. Dieser Zufahrtsweg dient der Erschließung der nördlich und östlich des Bankgebäudes gelegenen Parkplätze, weiters mit seinem ersten Stück auch der Aufschließung der nördlich der Bank gelegenen Liegenschaft M*****. Er wird bei Dunkelheit nur insoweit erhellt, als eine am Rand der L***** Bezirksstraße aufgestellte Straßenlaterne hineinleuchtet. Diese Laterne ist vom nördlichen Hauseck mehr als 20 m entfernt. Von der L***** Bezirksstraße aus gesehen liegt der Zufahrtsweg mit seinem ersten Stück noch im Bereich des öffentlichen Gutes, in seinem weiteren Verlauf steht er hingegen im Eigentum der beklagten Partei. Es gibt keine Schilder, die die Benützung verbieten oder einschränken.
Mitte Jänner 1997 herrschte kaltes Winterwetter. Die letzten Schneefälle waren am 4. 1. 1997 niedergegangen. Im freien unbestreuten Gelände lag noch eine etwa 10 cm hohe Schneedecke. Sowohl am Unfallstag als auch am Vortag gab es keine Niedeschläge, die Lufttemperaturen lagen durchgehend unter dem Gefrierpunkt. Als die Klägerin, die Schuhe mit einer Kunststoffsohle ohne Profil und einem nur etwa 3 cm hohen Absatz trug, und ihr Gatte das Bankgebäude durch den Hintergang verließen, hatten sie zunächst durch die eingeschaltete Lampe unter der Überdachung gute Sicht. Als sie sich daraufhin um das nördliche Hauseck nach links in Richtung L***** Bezirksstraße wandten, war es schlagartig zwar nicht völlig finster, aber doch erheblich dunkler, weil dort nur mehr das spärliche Gegenlicht der mehr als 20 m entfernten Laterne an der L***** Bezirksstraße vorhanden war. Die Klägerin, die 1940 geboren ist, sah deshalb momentan fast nichts mehr und ersuchte aus diesem Grund ihren vorangehenden Gatten, sich bei ihm "einhängen" zu dürfen, worauf er ihr seinen rechten Arm anbot. Nachdem sie auf diese Weise einige Schritte Arm in Arm weitergegangen waren, wobei sie wegen mehrerer entlang der nördlichen Hausmauer des Bankgebäudes geparkter Autos etwa die Mitte des Zufahrtsweges benützen mußten, glitt die Klägerin plötzlich auf einer eisglatten Stelle aus und stürzte zu Boden. Ob die Sturzstelle noch auf dem Grund der beklagten Partei oder schon auf öffentlichem Gut lag, war nicht festzustellen. Die Klägerin hatte der Bodenbeschaffenheit auf dem Zufahrtsweg kein besonderes Augenmerk geschenkt, weil ihr das Begehen des überdachten und beleuchteten Bereichs vom Hintereingang bis zum nördlichen Hauseck keinerlei Probleme bereitet hatte. Nach dem Hauseck hätte sie bei entsprechender Aufmerksamkeit wahrnehmen können, daß die Oberfläche des Zufahrtsweges im Gegenlicht der Straßenlampe an der L***** Bezirksstraße partiell "spiegelte".
Der Zufahrtsweg wies zum Unfallszeitpunkt eine teils apere, teils bedeckte bzw mit Eiskrusten versehene Oberfläche auf. Der Hausmeister der beklagten Partei hatte zwar den Weg am Morgen des 16. 1. 1997 mit Splitt bestreut, dieser hatte sich jedoch während des Tages durch den Fahrzeugverkehr teilweise verflüchtigt bzw verlagert und war deshalb nicht mehr flächendeckend bzw in hinreichender Dichte vorhanden. Überdies kam es dadurch, daß die Eiskrusten während der Sonnenscheinstunden vorübergehend etwas auftauten, etwas später jedoch das wegrinnende Schmelzwasser wieder gefror, ab dem späteren Nachmittag zur Bildung neuer Glatteisstellen.
Bei der Gemeinde ist keine winterdienstliche Betreuung des Zufahrtsweges vorgesehen und zwar auch nicht hinsichtlich jenes Teiles, der öffentliches Gut darstellt. Ein Gemeindearbeiter streute gelegentlich aus Gefälligkeit gegenüber der beklagten Partei Splitt von der L***** Bezirksstraße bis zum Hintereingang des Bankgebäudes, ohne daß dies angeordnet worden wäre oder daß seine Vorgesetzten davon gewußt hätten.
Der Klägerin waren bereits 1988 beiderseits Hüfttotalprothesen implantiert worden, doch bestand zum Unfallszeitpunkt keine Gehbehinderung. Durch den Sturz erlitt sie einen Bruch des rechten Oberschenkelschaftes unterhalb der Schaftspitze der Hüftprothese. Sie wurde zunächst in das LKH Gmunden eingeliefert, ließ sich dann in das LKH Kirchdorf an der Krems überstellen, wo die Fraktur am 17. 1. 1997 eingerichtet und stabilisiert wurde. Sie befand sich dort bis 25. 1. 1997 in stationärer Behandlung. In dieser Zeit wurde sie täglich von ihrem Gatten besucht. Nach der Entlassung mußte sie bis zum Juni 1997 mit zwei Stützkrücken gehen, danach bis zum Dezember 1997 mit einer Krücke. Ab dem 3. 2. 1997 stand sie Monate hindurch in laufender physiotherapeutischer Behandlung in Gmunden, wohin sie sich ungefähr 25 x mit dem Auto bringen ließ.
Sie hatte aufgrund des Sturzes zwei bis drei Tage starke, 10 Tage mittelstarke und (unter Einschluß der voraussehbaren künftigen Restbeschwerden) fünf Monate leichte körperliche Schmerzen zu ertragen. In psychischer Hinsicht belastete sie die Verletzung im besonderen Maße, weil sie anfänglich befürchtete, der Bruch könnte nachteilige Auswirkungen auf den Halt und die Funktion der Prothese haben. Der Bruch ist knöchern geheilt; Verletzungsspätfolgen im Sinne von medizinischen Komplikationen sind nicht zu erwarten. Der Klägerin ist eine relativ zarte und unauffällige Operationsnarbe an der Außenseite des rechten Oberschenkels verblieben, weiters eine Muskelverschmächtigung am rechten Oberschenkel.
Sie lebt gemeinsam mit ihrem Gatten und einer Enkeltochter in einem Einfamilienhaus samt Garten. Der Haushalt wurde bis 1996 von der Klägerin allein betreut, danach nahm sie in gewissem Umfang die Mithilfe ihres Mannes und ihrer Enkeltochter in Anspruch. Nach dem Sturz war sie bis in den Juni 1997 hinein überhaupt nicht in der Lage, Haushaltsarbeiten zu verrichten. Erst im Juni 1997 war das rechte Bein wieder so weit belastbar, daß sie mit geringfügigen Haushaltstätigkeiten beginnen konnte. In der Folge nahmen die verletzungsbedingten Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung sukzessive ab. Etwa ein bis maximal eineinhalb Jahre nach dem Sturz war ein Zustand erreicht, wie er auch ohne den Oberschenkelbruch bestanden hätte. Die Klägerin ist zwar nach wie vor nicht in der Lage, große Putzarbeiten, Arbeiten auf der Leiter und die Gartenarbeiten durchzuführen, doch ist dies nicht auf die Unfallverletzung zurückzuführen.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer die beklagte Partei als Veranstalter der Vernissage treffenden Verkehrssicherungspflicht aus. Sie wäre verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, daß ihre Gäste die vorgegebene Gehroute vom Hintereingang über den Zufahrtsweg zur nächstgelegenen Straße gefahrlos benützen können und zwar unabhängig davon, in wessen Eigentum der Zufahrtsweg stehe und wem eine Streupflicht obliege. Sie habe diese Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Klägerin müsse sich aber ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen, weil sie der Oberflächenbeschaffenheit des Zufahrtsweges nicht die gebotene Beachtung geschenkt habe, weshalb ihr entgangen sei, daß die Straßenoberfläche "gespiegelt" habe. Das von der Klägerin verwendete Schuhwerk begründe kein darüber hinausgehendes Mitverschulden, weil von weiblichen Besuchern einer abendlichen Vernissage nicht verlangt werden könne, mit Bergschuhen oder ähnlich massiver Fußbekleidung anzurücken.
Die beklagte Partei habe daher der Klägerin 2/3 des mit S 200.000 auszumittelnden Schmerzengeldes, der Besuchskosten von S 3.320, der Fahrtkosten von S 2.300 und der Kosten für eine Haushaltshilfe bis 30. 6. 1997 in der Höhe von S 52.200 zu ersetzen. Auch im anschließenden Jahr sei der Klägerin noch die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe zuzubilligen, weshalb für diesen Zeitraum (Juli 1997 bis Juni 1998) anstelle einer Rente ein kapitalisierter Ersatzbetrag von S 14.800 festgesetzt werde, wovon die beklagte Partei ebenfalls 2/3 zu ersetzen habe. Für die Zukunft bestünden aus diesem Titel aber keine Ansprüche mehr, weil die nach dem Juni 1998 noch vorhandenen Beeinträchtigungen nicht mehr unfallskausal seien. Daraus ergebe sich ein Leistungsanspruch der Klägerin in der Höhe von S 272.520, der allerdings aufgrund des dieser anzulastenden Mitverschuldens um 1/3 auf S 181.680 zu kürzen sei. Ein Feststellungsinteresse sei nicht gegeben, weil Spätfolgen nicht zu erwarten seien.
Gegen die Abweisung eines Betrages von S 155.920 erhob die Klägerin Berufung mit dem Antrag, neben dem ihr schon zuerkannten Betrag von S
181.680 samt 4 % Zinsen seit 10. 7. 1997 ihr einen weiteren Betrag von S 155.920 samt 4 % Zinsen seit 25. 11. 1998 zuzuerkennen. Die beklagte Partei bekämpfte den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung mit Berufung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, wohl aber jener der beklagten Partei und wies das gesamte Klagebegehren ab; es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, die beklagte Partei habe keine Streupflicht für jenen Teil des Zufahrtsweges, der öffentliches Gut sei, getroffen. Es sei zwar in Lehre und Rechtsprechung ganz allgemein anerkannt, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seiner Sphäre bestehen lasse, im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen habe. Stünde fest, wovon aber im gegenständlichen Fall nicht auszugehen sei, daß die Klägerin auf jenem Teil des Zufahrtsweges gestürzt sei, der im Eigentum der beklagten Partei stehe, dann wäre diese als Veranstalter der abendlichen Vernissage verpflichtet gewesen, für den sicheren Abgang ihrer Gäste über den ihr gehörigen Grund und Boden zu sorgen. Diese Verkehrssicherungspflicht erstrecke sich aber nicht auf jenen Teil des Zufahrtsweges, der öffentliches Gut sei. Eine Räum- und Streupflicht der beklagten Partei auf jenem Teil des Zufahrtsweges komme nur unter Bedachtnahme auf § 93 StVO in Frage. Da der Zufahrtsweg keinen Gehsteig aufweise, sei die beklagte Partei verpflichtet gewesen, entlang der Nordseite des Bankgebäudes den Straßenrand in einer Breite von einem Meter zu säubern und zu bestreuen. Ob sie ihrer diesbezüglichen Streupflicht nachgekommen sei, könne aber dahingestellt bleiben, weil die Klägerin nicht entlang der Nordseite des Bankgebäudes, also entlang der Hausmauer gegangen sei, weil dort parkende Fahrzeuge gestanden seien. Sie habe vielmehr die Mitte des ungefähr 4 m breiten Zufahrtsweges benützt, in diesem Bereich habe die beklagte Partei keine Räum- und Streupflicht nach § 93 StVO getroffen.In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, die beklagte Partei habe keine Streupflicht für jenen Teil des Zufahrtsweges, der öffentliches Gut sei, getroffen. Es sei zwar in Lehre und Rechtsprechung ganz allgemein anerkannt, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seiner Sphäre bestehen lasse, im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen habe. Stünde fest, wovon aber im gegenständlichen Fall nicht auszugehen sei, daß die Klägerin auf jenem Teil des Zufahrtsweges gestürzt sei, der im Eigentum der beklagten Partei stehe, dann wäre diese als Veranstalter der abendlichen Vernissage verpflichtet gewesen, für den sicheren Abgang ihrer Gäste über den ihr gehörigen Grund und Boden zu sorgen. Diese Verkehrssicherungspflicht erstrecke sich aber nicht auf jenen Teil des Zufahrtsweges, der öffentliches Gut sei. Eine Räum- und Streupflicht der beklagten Partei auf jenem Teil des Zufahrtsweges komme nur unter Bedachtnahme auf Paragraph 93, StVO in Frage. Da der Zufahrtsweg keinen Gehsteig aufweise, sei die beklagte Partei verpflichtet gewesen, entlang der Nordseite des Bankgebäudes den Straßenrand in einer Breite von einem Meter zu säubern und zu bestreuen. Ob sie ihrer diesbezüglichen Streupflicht nachgekommen sei, könne aber dahingestellt bleiben, weil die Klägerin nicht entlang der Nordseite des Bankgebäudes, also entlang der Hausmauer gegangen sei, weil dort parkende Fahrzeuge gestanden seien. Sie habe vielmehr die Mitte des ungefähr 4 m breiten Zufahrtsweges benützt, in diesem Bereich habe die beklagte Partei keine Räum- und Streupflicht nach Paragraph 93, StVO getroffen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil auch der Standpunkt vertreten werden könne, die beklagte Partei hätte im Rahmen der sie als Veranstalter treffenden Verkehrssicherungspflichten für einen sicheren Abgang ihrer Gäste auf dem gesamten Zufahrtsweg sorgen müssen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren auf 1. Zahlung von S 308.020 sA, 2. einer monatlichen Rente von S 1.440 ab 1. 7. 1997 und 3. auf Feststellung stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Die Revision der klagenden Partei ist insoweit unzulässig, als in ihr ein Begehren enthalten ist, das bereits rechtskräftig (mangels Anfechtung des Ersturteils) abgewiesen ist; sie ist insoweit zurückzuweisen. Im übrigen ist die Revision zulässig und zum Teil auch berechtigt.
Die Klägerin vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, die beklagte Partei habe nicht davon ausgehen können, daß der öffentliche Teil des Zufahrtsweges so gestreut gewesen sei, daß ihn die Gäste ohne Sturzgefahr benützen hätten können. Nach den Feststellungen sei nämlich die winterdienstliche Betreuung dieses Weges von der Marktgemeinde nie durchgeführt worden. Die beklagte Partei habe die Klägerin in bezug auf die gefahrlose Benützung des Zufahrtsweges grob fahrlässig in eine gefährliche Situation entlassen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die Verkehrssicherungspflicht der beklagten Partei bejaht werden müssen. Im übrigen sei aus der unstrittigen Tatsache der Wegeröffnung und Zuweisung der Benützung des Hinterausganges in bezug auf die Sturzstelle nicht die Klägerin beweispflichtig, sondern die beklagte Partei. Auch im Hinblick auf das Haftungsprivileg des Straßenhalters gemäß § 1319a ABGB sei es der beklagten Partei zuzumuten gewesen, sich vor Anweisung der Geh- und Wegroute von der Sicherheit des zugewiesenen Weges zu überzeugen.Die Klägerin vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, die beklagte Partei habe nicht davon ausgehen können, daß der öffentliche Teil des Zufahrtsweges so gestreut gewesen sei, daß ihn die Gäste ohne Sturzgefahr benützen hätten können. Nach den Feststellungen sei nämlich die winterdienstliche Betreuung dieses Weges von der Marktgemeinde nie durchgeführt worden. Die beklagte Partei habe die Klägerin in bezug auf die gefahrlose Benützung des Zufahrtsweges grob fahrlässig in eine gefährliche Situation entlassen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die Verkehrssicherungspflicht der beklagten Partei bejaht werden müssen. Im übrigen sei aus der unstrittigen Tatsache der Wegeröffnung und Zuweisung der Benützung des Hinterausganges in bezug auf die Sturzstelle nicht die Klägerin beweispflichtig, sondern die beklagte Partei. Auch im Hinblick auf das Haftungsprivileg des Straßenhalters gemäß Paragraph 1319 a, ABGB sei es der beklagten Partei zuzumuten gewesen, sich vor Anweisung der Geh- und Wegroute von der Sicherheit des zugewiesenen Weges zu überzeugen.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, hat die Entwicklung der Verkehrssicherungspflichten bei der Haftung für Verkehrsflächen ihren Ausgang genommen. Sie ist aber heute nicht mehr auf Straßen und Wege beschränkt, sondern ist in ihrem Anwendungsbereich viel umfassender (Harrer in Schwimann**2, Rz 41 zu § 1295). Wer einen Verkehr eröffnet, hat im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer zu schützen oder zumindest zu warnen (Koziol/Welser, I10, 450 f). Der Gedanke der Verkehrssicherung beschränkt sich nach heutiger Auffassung nicht mehr auf den räumlich-gegenständlichen Bereich, innerhalb dessen ein Verkehr stattfindet, sondern umfaßt die Sicherung des Verkehrs vor Gefahrenquellen aller Art (SZ 60/256). Die Verkehrssicherungspflicht besteht auch für den Veranstalter einer Ausstellung (Harrer, aaO, Rz 61 zu § 1295; RZ 1978/66). Sie umfaßt nicht nur die von den Benützern der Veranstaltung selbst benützten Räume, sondern auch den gefahrlosen Zugang zur und den Abgang von der Veranstaltung. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes endete die Verkehrssicherungspflicht im vorliegenden Fall nicht an der Grenze der Liegenschaft der beklagten Partei. Vielmehr vermag der Umstand, daß sich die Gefahrenquelle außerhalb der Grundgrenze auf einem zum öffentlichen Gut gehörenden Grundstück ereignete, die Verkehrssicherungspflicht der beklagten Partei nicht zu beseitigen (vgl 3 Ob 697/82). Es fällt nämlich auch in die Verantwortung des Sicherungspflichtigen, daß derjenige, der ein Grundstück verläßt, nicht ungewarnt sogleich in eine besondere Verkehrsgefahr gerät (Mertens in Münchener KommzBGB3, Rz 239 zu § 823 mwN). Daß der Zufahrtsweg, soweit es sich um öffentliches Gut handelte, von der Gemeinde nicht gestreut wurde, konnte der beklagten Partei nicht verborgen geblieben sein, wurde doch nur gelegentlich von einem Gemeindearbeiter aus Gefälligkeit Split gestreut. Die beklagte Partei hätte daher im vorliegenden Fall entweder selbst für eine Streuung des Zufahrtsweges sorgen oder den Besuchern der Vernissage den Haupteingang öffnen oder diese zumindest vor der Eisglätte des Zufahrtsweges warnen müssen.Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, hat die Entwicklung der Verkehrssicherungspflichten bei der Haftung für Verkehrsflächen ihren Ausgang genommen. Sie ist aber heute nicht mehr auf Straßen und Wege beschränkt, sondern ist in ihrem Anwendungsbereich viel umfassender (Harrer in Schwimann**2, Rz 41 zu Paragraph 1295,). Wer einen Verkehr eröffnet, hat im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer zu schützen oder zumindest zu warnen (Koziol/Welser, I10, 450 f). Der Gedanke der Verkehrssicherung beschränkt sich nach heutiger Auffassung nicht mehr auf den räumlich-gegenständlichen Bereich, innerhalb dessen ein Verkehr stattfindet, sondern umfaßt die Sicherung des Verkehrs vor Gefahrenquellen aller Art (SZ 60/256). Die Verkehrssicherungspflicht besteht auch für den Veranstalter einer Ausstellung (Harrer, aaO, Rz 61 zu Paragraph 1295 ;, RZ 1978/66). Sie umfaßt nicht nur die von den Benützern der Veranstaltung selbst benützten Räume, sondern auch den gefahrlosen Zugang zur und den Abgang von der Veranstaltung. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes endete die Verkehrssicherungspflicht im vorliegenden Fall nicht an der Grenze der Liegenschaft der beklagten Partei. Vielmehr vermag der Umstand, daß sich die Gefahrenquelle außerhalb der Grundgrenze auf einem zum öffentlichen Gut gehörenden Grundstück ereignete, die Verkehrssicherungspflicht der beklagten Partei nicht zu beseitigen vergleiche 3 Ob 697/82). Es fällt nämlich auch in die Verantwortung des Sicherungspflichtigen, daß derjenige, der ein Grundstück verläßt, nicht ungewarnt sogleich in eine besondere Verkehrsgefahr gerät (Mertens in Münchener KommzBGB3, Rz 239 zu Paragraph 823, mwN). Daß der Zufahrtsweg, soweit es sich um öffentliches Gut handelte, von der Gemeinde nicht gestreut wurde, konnte der beklagten Partei nicht verborgen geblieben sein, wurde doch nur gelegentlich von einem Gemeindearbeiter aus Gefälligkeit Split gestreut. Die beklagte Partei hätte daher im vorliegenden Fall entweder selbst für eine Streuung des Zufahrtsweges sorgen oder den Besuchern der Vernissage den Haupteingang öffnen oder diese zumindest vor der Eisglätte des Zufahrtsweges warnen müssen.
Daraus folgt, daß das Erstgericht die Haftung der beklagten Partei zutreffend dem Grund nach bejaht hat. Ihre Haftung ergibt sich aber auch aus alternativer Kausalität. Kommen nämlich als Ursache für einen eingetretenen Schaden die schuldhaften oder sonst einen Haftungsgrund bildenden Handlungen mehrerer Personen in Frage, dann hat das Unaufklärbarkeitsrisiko jede von ihnen und nicht der Geschädigte zu tragen (SZ 54/63). Die Haftung für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten kraft alternativer Kausalität besteht immer dann, wenn mehrere potentielle Schädiger rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt haben, aber nicht festgestellt werden kann, welches Verhalten welches potentiellen Schädigers zu dem schädlichen Erfolg geführt hat (2 Ob 188/98f; s auch Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 3/26 ff).
Im vorliegenden Fall sind weder die beklagte Partei noch die Gemeinde ihrer Streupflicht nachgekommen, doch läßt sich nicht mehr feststellen, ob die Klägerin auf dem Grund der Beklagten oder auf öffentlichem Gut gestürzt ist. Es liegt deshalb alternative Kausalität vor, was dazu führt, daß das Risiko der Unaufklärbarkeit von der beklagten Partei und nicht von der Klägerin zu tragen ist.
Gegen die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin von 1/3 bestehen keine Bedenken. Nach den Feststellungen hat sie nämlich der Beschaffenheit des Zufahrtsweges kein besonderes Augenmerk geschenkt. Sie hätte den Unfall durch Umgehung der eisbedeckten Stelle vermeiden können, der Zufahrtsweg war ja nur zum Teil eisbedeckt.
Auch die vom Erstgericht global vorgenommene Bemessung des Schmerzengeldes mit S 200.000 ist angemessen, weshalb der Revision der Klägerin teilweise Folge zu geben war.
Die Entscheidung des Erstgerichtes war mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß ein Begehren auf Zahlung weiterer S 2.480 und das Rentenbegehren ab 1. 7. 1998 abzuweisen waren. Die Klägerin hat nämlich die Zahlung einer Rente von S 1.440 pro Monat ab 1. 7. 1997, sohin von S 17.280, pro Jahr begehrt. Das Erstgericht hat ihr für das erste Jahr ihres Rentenbegehrens einen kapitalisierten Betrag von S
14.800 zugesprochen, weshalb für diese Zeit ein Mehrbegehren von S 2.480, und das weitere Rentenbegehren ab 1. 7. 1998 abzuweisen waren.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 43, 50Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die Paragraphen 41,, 43, 50
ZPO.
Im Berufungsverfahren sind beide Teile erfolglos geblieben, weshalb sie jeweils Anspruch auf den Ersatz der Kosten der Berufungsbeantwortung haben. Die Kosten der Berufungsbeantwortung der klagenden Partei betragen S 16.498,80 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 2.749,80), jene der beklagten Partei S 11.625 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.937,50). Daraus folgt für das Berufungsverfahren ein Kostenersatzanspruch der klagenden Partei in der Höhe von S 4.873,80. Im Revisionsverfahren beträgt der Streitwert (insoweit die Revision zulässig ist) S 337.600 (S 181.680 laut Ersturteil und S 155.920 laut Revision). Davon ist die Klägerin etwa zur Hälfte durchgedrungen, sie hat daher einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte ihrer Barauslagen in der Höhe von S 13.250, sohin von S 6.625. Ihr Kostenersatz im Rechtsmittelverfahren insgesamt beträgt daher S 11.498,80.
Anmerkung
E54986 02A02179European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1999:0020OB00217.99X.0902.000Dokumentnummer
JJT_19990902_OGH0002_0020OB00217_99X0000_000