TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/26 B1547/01

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Veröffentlicht am 26.06.2002
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit die Vorschreibung eines Säumniszuschlags bestätigt wird, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 1.162,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II. Im übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit (Ersatz)Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Gallspach wurde die von der beschwerdeführende Partei, die eine Krankenanstalt betreibt, zu entrichtende Kommunalsteuer für einen bestimmten Zeitraum in bestimmter Höhe festgesetzt und für die nicht rechtzeitig entrichtete Kommunalsteuer ein Säumniszuschlag nach §166 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996, LGBl. 107, im folgenden OÖ LAO, iHv 4 vH zur Entrichtung vorgeschrieben.

2. Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung im angefochtenen Bescheid keine Folge. Zur Begründung führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß die Ausnahmebestimmung des §8 Z2 Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. 819, im folgenden KommStG, im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelange, weil es sich bei der Vorstellungswerberin nicht um eine gemeinnützigen Krankenanstalt iSd Bestimmung handle.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen gerügt und der Antrag gestellt wird, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

5. Die Gemeinde Gallspach hat von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.

II. Die Beschwerde ist, soweit der angefochtene Bescheid die Vorschreibung eines Säumniszuschlages bestätigt, begründet:

1. Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2002, G32, 33/02, hob der Verfassungsgerichtshof die §§164-169 der OÖ LAO 1996, LGBl. 107, als verfassungswidrig auf.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

3. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

4. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 21. Juni 2002 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 19. November 2001 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

5. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides - soweit sie die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages bestätigte - §166 der OÖ LAO 1996 angewendet.

Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.

Insofern war der Bescheid aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Da der angefochtene Bescheid nicht zur Gänze aufgehoben wird, sind der beschwerdeführende Partei nur die Hälfte der Kosten zuzusprechen; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr iHv € 181,68 und Umsatzsteuer iHv € 163,5 enthalten.

III. 1. Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Vorschreibung von Kommunalsteuer richtet, abgelehnt.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art144 Abs2 B-VG).

1.2. Die Beschwerde behauptet ausschließlich die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz durch Anwendung einer gesetzwidrigen generellen Norm. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. VfSlg. 10.188/1984 sowie den die beschwerdeführende Gesellschaft betreffenden hg. Beschluß vom 14. Oktober 1998, B1648/98) läßt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Dem Gesetzgeber ist es durch die Verfassung nicht verwehrt, eine Kommunalsteuerbefreiung für Krankenanstalten an die Voraussetzung der Gemeinnützigkeit des Rechtsträgers zu knüpfen, da solche Rechtsträger von Gesetzes wegen besondere Bedingungen und Verpflichtungen erfüllen müssen (vgl. §37 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes iVm §46 BAO).

2. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde insoweit abzusehen.

IV. Diese Entscheidungen wurden gemäß §19 Abs4 Z3 sowie Abs3 Z1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Bescheid / Trennbarkeit, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1547.2001

Dokumentnummer

JFT_09979374_01B01547_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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