TE OGH 1999/9/13 4Ob201/99h

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Veröffentlicht am 13.09.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 27. Juni 1998 verstorbenen Paula K*****, wohnhaft gewesen in *****, infolge Revisionsrekurses der Pensionsversicherungsanstalt *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. Mai 1999, GZ 3 R 441/98i-19, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 14. Oktober 1998, GZ 14 A 220/98t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Der an das Rekursgericht adressierte und beim Erstgericht am 30. 6. 1999 eingelangte Schriftsatz wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 14. 10. 1998 überließ das Erstgericht den Nachlaß nach der am 27. 6. 1998 verstorbenen Erblasserin dem Magistrat G*****-Sozialamt auf teilweisen Abschlag seiner Forderung an Verpflegskosten von 440.025,32 S gegen Bezahlung der Gerichtskommissionsgebühren und unter Anerkennung der bevorrechteten Forderung an restlichen Bestattungskosten von 4.171 S, Grabfreimachungskosten von 3.576 S und Grabablösekosten von 2.202 S an Zahlungsstatt. Der Nachlaß setzte sich aus einem Guthaben von 18.236,69 S auf einem Sparkonto bei der Ö*****, einem Bargeldbetrag von 11.863,80 S und einem Guthaben von 481 S bei der M***** Versicherung zusammen.

Der Bargeldbetrag von 11.863,80 S ging auf eine Pensions- und Pflegegeldzahlung zurück. In ihrem Rekurs gegen den Beschluß über die Überlassung an Zahlungsstatt machte die Pensionsversicherungsanstalt ***** geltend, daß die Zahlung nach dem Ableben der Erblasserin und damit ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei. Die Pension für den Sterbemonat habe die Erblasserin vorschußweise erhalten.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Pensionsversicherungsanstalt ***** habe ihre Forderung erstmals im Rekurs angemeldet. Es handle sich dabei um eine unzulässige Neuerung, auf die nicht Bedacht zu nehmen sei. Die Entscheidung SZ 38/97 betreffe einen anders gelagerten Fall. Im vorliegenden Fall hätte die Rekurswerberin ihre Forderung im Verlassenschaftsverfahren anmelden können.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Pensionsversicherungsanstalt ***** ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspricht; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Pensionsversicherungsanstalt hat ihren Revisionsrekurs sowohl beim Erstgericht als auch beim Rekursgericht eingebracht. Der beim Erstgericht eingebrachte Schriftsatz wurde am 29. 6. 1999 und damit noch innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist des § 11 Abs 1 AußStrG zur Post gegeben; der beim Rekursgericht eingebrachte Revisionsrekurs ist erst am 30. 6. 1999 beim Erstgericht eingelangt. Dieser Revisionsrekurs war - weil dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels widersprechend - zurückzuweisen.Die Pensionsversicherungsanstalt hat ihren Revisionsrekurs sowohl beim Erstgericht als auch beim Rekursgericht eingebracht. Der beim Erstgericht eingebrachte Schriftsatz wurde am 29. 6. 1999 und damit noch innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist des Paragraph 11, Absatz eins, AußStrG zur Post gegeben; der beim Rekursgericht eingebrachte Revisionsrekurs ist erst am 30. 6. 1999 beim Erstgericht eingelangt. Dieser Revisionsrekurs war - weil dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels widersprechend - zurückzuweisen.

Die Revisionsrekurswerberin bekämpft die Auffassung des Rekursgerichts, daß sie ihre Forderung im Verlassenschaftsverfahren hätte anmelden können. Entgegen der gängigen Praxis sei sie vom Verlassenschaftsgericht nicht ersucht worden, eine allfällige Forderung bekanntzugeben. Nicht mehr gebührende Leistungen würden grundsätzlich unbürokratisch ohne Einschaltung des Nachlaßgerichts an den Sozialversicherungsträger rücküberwiesen. Bei einer Baranweisung werde die Rückeinhebung veranlaßt, sofern die nicht mehr gebührende Leistung nicht ohnehin mit dem Vermerk "verstorben" zurückgestellt werde. Auch die Revisionsrekurswerberin habe zunächst versucht, die Rückeinhebung zu veranlassen. Diese sei daran gescheitert, daß der Betrag dem L***** Seniorenheim ausgefolgt worden war. Mit Telefax vom 19. 10. 1998 sei die Revisionsrekurswerberin von der Weiterleitung des nicht mehr gebührenden Betrages an den als Erben eingesetzten Dr. Franz S***** verständigt worden. Der vorliegende Fall sei daher dem der Entscheidung SZ 38/97 zugrundeliegenden Sachverhalt gleichzuhalten.

In der Entscheidung SZ 38/97 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß Verlassenschaftsgläubiger als Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens berechtigt sind, die Überlassung an Zahlungsstatt im Rekursweg zu bekämpfen. Dem stehe nicht entgegen, daß der Rekurswerber seine Forderung im Abhandlungsverfahren nicht angemeldet hatte. Es sei gar kein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt worden, sondern der Beschluß über die Überlassung an Zahlungsstatt sei sofort nach der Todfallsaufnahme gefaßt worden. Der Gläubiger habe daher gar keine Gelegenheit gehabt, seine Ansprüche anzumelden.

Im vorliegenden Fall liegt zwischen der Todfallsaufnahme am 10. 8. 1998 und dem Beschluß über die Überlassung an Zahlungsstatt ein Zeitraum von rund zwei Monaten; zu prüfen ist, ob das Rekursgericht das Vorbringen der Pensionsversicherungsanstalt ***** im Rekurs zu Recht als unzulässige Neuerung gewertet hat. Das Außerstreitgesetz normiert kein Neuerungsverbot. Nach § 10 AußStrG ist es den Parteien unbenommen, in den Vorstellungen und Rekursen neue Umstände und Beweismittel anzuführen. Die Rechtsprechung hat die Neuerungserlaubnis eingeschränkt; sie gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht für Vorbringen, das in erster Instanz bereits möglich war (1 Ob 2018/96d; 1 Ob 281/97y, jeweils mwN; s auch Fucik,Im vorliegenden Fall liegt zwischen der Todfallsaufnahme am 10. 8. 1998 und dem Beschluß über die Überlassung an Zahlungsstatt ein Zeitraum von rund zwei Monaten; zu prüfen ist, ob das Rekursgericht das Vorbringen der Pensionsversicherungsanstalt ***** im Rekurs zu Recht als unzulässige Neuerung gewertet hat. Das Außerstreitgesetz normiert kein Neuerungsverbot. Nach Paragraph 10, AußStrG ist es den Parteien unbenommen, in den Vorstellungen und Rekursen neue Umstände und Beweismittel anzuführen. Die Rechtsprechung hat die Neuerungserlaubnis eingeschränkt; sie gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht für Vorbringen, das in erster Instanz bereits möglich war (1 Ob 2018/96d; 1 Ob 281/97y, jeweils mwN; s auch Fucik,

Das Neuerungsverbot im Zivilgerichtsverfahrensrecht, ÖJZ 1992, 425 [429 f]).

Maßgebend ist demnach, ob die Revisionsrekurswerberin ihre Forderung vor Erlassung des Beschlusses über die Überlassung an Zahlungsstatt im Verlassenschaftsverfahren hätte anmelden können. Nach dem Akteninhalt ist sie vom Verlassenschaftsverfahren nicht verständigt worden; es fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, daß sie auf andere Weise davon Kenntnis erlangt hätte und es ihr möglich gewesen wäre, ihre Forderung anzumelden. Die bloße Tatsache, daß zwischen der Todfallsaufnahme und dem Beschluß über die Überlassung an Zahlungsstatt ein Zeitraum von zwei Monaten lag, reicht nicht aus, die Möglichkeit der Anmeldung ihrer Forderung im Verlassenschaftsverfahren zu bejahen. Das Rekursgericht hat das Rekursvorbringen daher zu Unrecht als unzulässige Neuerung gewertet.

Treffen die Behauptungen der Revisionsrekurswerberin zu, so macht sie mit ihrer Forderung einen Anspruch aus einer grundlosen Bereicherung der Verlassenschaft geltend § 73 AußStrG regelt die Rangordnung und den Umfang der zu befriedigenden bevorrechteten Forderungen nicht selbst, sondern es sind die im Konkurs (jeweils) geltenden Vorschriften über die Aussonderungs- und Absonderungsansprüche, über die Masseforderungen und über die Konkursforderungen sinngemäß anzuwenden (SZ 59/41; SZ 68/8).Treffen die Behauptungen der Revisionsrekurswerberin zu, so macht sie mit ihrer Forderung einen Anspruch aus einer grundlosen Bereicherung der Verlassenschaft geltend Paragraph 73, AußStrG regelt die Rangordnung und den Umfang der zu befriedigenden bevorrechteten Forderungen nicht selbst, sondern es sind die im Konkurs (jeweils) geltenden Vorschriften über die Aussonderungs- und Absonderungsansprüche, über die Masseforderungen und über die Konkursforderungen sinngemäß anzuwenden (SZ 59/41; SZ 68/8).

Masseforderungen und damit vorrangig zu befriedigen sind von den im vorliegenden Fall geltend gemachten Forderungen nur die Kosten des Gerichtskommissärs (§ 46 Abs 1 Z 1 KO) und die Bestattungskosten, soweit sie die Kosten einer einfachen Bestattung der Erblasserin nicht übersteigen (§ 46 Abs 1 Z 7 KO), nicht aber auch die Verpflegskosten des Magistrats G*****-Sozialamt (s SZ 59/41). Stand der Erblasserin demnach die nach ihrem Ableben erfolgte Pensions- und Pflegegeldzahlung tatsächlich nicht mehr zu, so ist dem Magistrat G*****-Sozialamt nur der nach Abzug der von der Revisionsrekurswerberin geltend gemachten Forderung verbleibende Restbetrag an Zahlungsstatt zu überlassen. Das Erstgericht wird das Verfahren insoweit zu ergänzen und neuerlich zu entscheiden haben.Masseforderungen und damit vorrangig zu befriedigen sind von den im vorliegenden Fall geltend gemachten Forderungen nur die Kosten des Gerichtskommissärs (Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer eins, KO) und die Bestattungskosten, soweit sie die Kosten einer einfachen Bestattung der Erblasserin nicht übersteigen (Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer 7, KO), nicht aber auch die Verpflegskosten des Magistrats G*****-Sozialamt (s SZ 59/41). Stand der Erblasserin demnach die nach ihrem Ableben erfolgte Pensions- und Pflegegeldzahlung tatsächlich nicht mehr zu, so ist dem Magistrat G*****-Sozialamt nur der nach Abzug der von der Revisionsrekurswerberin geltend gemachten Forderung verbleibende Restbetrag an Zahlungsstatt zu überlassen. Das Erstgericht wird das Verfahren insoweit zu ergänzen und neuerlich zu entscheiden haben.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Anmerkung

E55075 04A02019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0040OB00201.99H.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19990913_OGH0002_0040OB00201_99H0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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