TE Vfgh Erkenntnis 2008/6/9 B137/07

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Veröffentlicht am 09.06.2008
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Tir RaumOG 2006 §72, §77, §78
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchFestlegungen in einem raumordnungsrechtlichenBaulandumlegungsverfahren hinsichtlich der Neueinteilung desUmlegungsgebietes bzw der Abfindungen des Beschwerdeführers und derbeteiligten Partei; Durchführung eines ordnungsgemäßenErmittlungsverfahrens, insbesondere Ladung des Beschwerdeführers zurund Teilnahme an der mündlichen Verhandlung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Amt der Tiroler Landesregierung leitete alsrömisch eins. 1. Das Amt der Tiroler Landesregierung leitete als

Umlegungsbehörde mit Verordnung vom 18. Juni 2003 das Baulandumlegungsverfahren "Toal-West" in der Gemeinde Biberwier ein, in das auch das Grundstück Nr. 1746 (Eigentum der mitbeteiligten Partei O.N.) sowie die Grundstücke Nr. 1737, 1738 und 1739 (Eigentum des Beschwerdeführers) einbezogen wurden.

Mit dem auf §84 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, LGBl. 27 (in der Folge: TROG 2006), gestützten Umlegungsbescheid vom 30. Mai 2006, kundgemacht durch Auflegung zur allgemeinen Einsicht im Gemeindeamt der Gemeinde Biberwier vom 8. Juni bis 26. Juni 2006, erfolgte die Neueinteilung der Grundstücke und Zuweisung des Eigentums daran gemäß einem beigeschlossenen Plan. Die mitbeteiligte Partei O.N. erhielt anstelle des eingebrachten Grundstücks die neugebildeten Grundstücke Nr. 2075 und 2076, der Beschwerdeführer erhielt bei Einbringung von drei Grundstücken die neugebildeten Grundstücke Nr. 2077 (dieses Grundstück grenzt unmittelbar an das der mitbeteiligten Partei zugewiesene Grundstück Nr. 2076), 2078 und 2079. Zur Schaffung eines Weges zur Erschließung des Umlegungsgebietes war eine Fläche von 1.269 m² aufzubringen. Der Beschwerdeführer hatte davon gemäß §77 Abs1 TROG 2006 eine Fläche von 390 m², die mitbeteiligte Partei O.N. eine Fläche von 196 m² entschädigungslos an die Gemeinde abzutreten. Die Grundflächen wurden - so die Begründung des Umlegungsbescheides - wertgleich ausgetauscht, sodass von keinem der Grundeigentümer eine Aufzahlung oder sonstiger Geldausgleich zu leisten war. Mit dem auf §84 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, Landesgesetzblatt 27 (in der Folge: TROG 2006), gestützten Umlegungsbescheid vom 30. Mai 2006, kundgemacht durch Auflegung zur allgemeinen Einsicht im Gemeindeamt der Gemeinde Biberwier vom 8. Juni bis 26. Juni 2006, erfolgte die Neueinteilung der Grundstücke und Zuweisung des Eigentums daran gemäß einem beigeschlossenen Plan. Die mitbeteiligte Partei O.N. erhielt anstelle des eingebrachten Grundstücks die neugebildeten Grundstücke Nr. 2075 und 2076, der Beschwerdeführer erhielt bei Einbringung von drei Grundstücken die neugebildeten Grundstücke Nr. 2077 (dieses Grundstück grenzt unmittelbar an das der mitbeteiligten Partei zugewiesene Grundstück Nr. 2076), 2078 und 2079. Zur Schaffung eines Weges zur Erschließung des Umlegungsgebietes war eine Fläche von 1.269 m² aufzubringen. Der Beschwerdeführer hatte davon gemäß §77 Abs1 TROG 2006 eine Fläche von 390 m², die mitbeteiligte Partei O.N. eine Fläche von 196 m² entschädigungslos an die Gemeinde abzutreten. Die Grundflächen wurden - so die Begründung des Umlegungsbescheides - wertgleich ausgetauscht, sodass von keinem der Grundeigentümer eine Aufzahlung oder sonstiger Geldausgleich zu leisten war.

Der erstinstanzliche Umlegungsbescheid enthält zur bereits bei einer Anhörung während des Verfahrens erster Instanz zwischen nunmehrigem Beschwerdeführer und mitbeteiligter Partei strittigen Frage der Grenzziehung zwischen den neugebildeten Grundstücken Nr. 2076 und Nr. 2077 folgende Aussage:

"[Die mitbeteiligte Partei O.N.] wünscht eine flächengleiche Grenzdrehung zwischen den Neu-Gst. 2076 (O.N.) und 2077 (Beschwerdeführer) in der Form, dass die neue Grenze ausgehend vom Grenzpunkt 872 in Richtung zwischen den Grenzpunkten 6064 und 6066 zu liegen kommt. Aus technischer Sicht wäre diese Grenzdrehung möglich, jedoch erscheint sie im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit der Neu-Gst. 2076 und 2077 eher nachteilig. Im Nordbereich des Gst. 2077 würde durch die Grenzdrehung ein spitzer Winkel entstehen, der bei Verbauung des Gst. 2077 nur erschwert nutzbar ist. Der diesbezügliche Vorschlag des [O.N.] wurde [dem Beschwerdeführer] zur Kenntnis gebracht und dieser hat unter den genannten Gründen diesen Vorschlag stri[c]kt abgelehnt. Andererseits erscheint die derzeitige Grenzziehung zwischen den Neu-Gst. 2076 und 2077 auch sinnvoll für die bauliche Nutzung des Gst. 2076, da im Bereich des Grenzpunktes 6065 ein wesentlich größerer Abstand zum bestehenden Hügel auf Gst. 2076 gegeben ist. Diese 'gewonnene' ebene Fläche im Nordostbereich des Gst. 2076 sollte sich bei der Bebauung durch eine bessere Nutzung der Grenzabstände vorteilhaft für das Gst. 2076 auswirken."

2. Die mitbeteiligte Partei O.N. erhob gegen den erstinstanzlichen Umlegungsbescheid Berufung, über die die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid wie folgt entschied:

"Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Grenzverlauf zwischen den neu gebildeten Gst 2076 und 2077 so bestimmt wird, wie er im als

Anlage angeschlossenen ... Lageplan ... dargestellt ist."

Der Lageplan zeigt, dass die belangte Behörde die von der mitbeteiligten Partei bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens verlangte "flächengleiche Grenzdrehung" vollzogen hat.

Aus der Begründung des bekämpften Bescheides:

"Durch Umkehrschluss ist aus der Bestimmung des §78 Abs1 litc TROG 2006 abzuleiten, dass es keinesfalls zulässig ist, einer Partei des Umlegungsverfahrens, die ein Grundstück eingebracht hat, dessen bauliche Nutzbarkeit nicht durch eine besondere Geländeform beschränkt ist, im neuen Stand ein Grundstück zuzuweisen, dessen bauliche Nutzbarkeit durch eine solche Geländeform beschränkt ist. Im vorliegenden Fall trifft dies auf das Verhältnis zwischen dem Gst 1746 (alt) und den Gst 2075 und 2076 des neuen Standes im Hinblick auf den auf den beiden neu gebildeten Grundstücken befindlichen Hügel zu. Die durch diesen Hügel bedingte Beeinträchtigung der baulichen Nutzbarkeit kann durch die vom Berufungswerber begehrte flächengleiche Grenzdrehung gemildert werden, weil dadurch die günstiger bebaubare Fläche größer wird.

Einerseits ist davon auszugehen, dass dem Berufungswerber ein Rechtsanspruch auf eine Änderung der Neueinteilung zusteht, um die Beschränkung der baulichen Nutzbarkeit der Abfindungsgrundstücke zumindest zu mildern, andererseits muss die Gesetzmäßigkeit der Abfindung für den Übernehmer des von der Änderung der Neueinteilung betroffenen Gst 2077 gewahrt bleiben. Dieses Erfordernis wird durch eine Grenzänderung, wie sie dem Vorbringen des Berufungswerbers in der Verhandlung am 03.10.2006 entspricht, nicht verletzt. Die Flächenausmaße der betroffenen Grundstücke werden durch die Grenzdrehung nicht verändert. ...

Der spitze Winkel, von dem in der Gegenäußerung des [Beschwerdeführers] vom 13.10.2006 die Rede ist, war bereits im alten Stand im Norden des Gst 1739 vorhanden. Unter diesem Gesichtspunkt tritt durch die Grenzänderung gegenüber dem alten Stand keine Verschlechterung ein. Zu vergleichen ist nämlich nicht die Grundstücksform, die durch die Neueinteilung der Grundstücke mit dem angefochtenen Umlegungsbescheid geschaffen wurde, sondern sind die Grundstücke des alten Standes, die in die Baulandumlegung eingebracht wurden, mit der als Ergebnis des Berufungsverfahrens geänderten Neueinteilung zu vergleichen.

Für die Gesetzmäßigkeit der Abfindung ist der Gesamtvergleich des Altbesitzes mit der gesamten Abfindung entscheidend; selbst das Vorhandensein einzelner Mängel bei Abfindungsgrundstücken zieht für sich allein noch nicht die Gesetzwidrigkeit der Abfindung nach sich. Die Gesetzmäßigkeit der Abfindung kann nur am Ergebnis der Gegenüberstellung der Gesamtabfindung mit dem gesamten Altbestand gemessen werden. Diese Grundsätze wurden vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (Erkenntnis vom 23.02.2006, 2004/07/0147, mit Hinweis auf Vorjudikatur) zur Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke entwickelt, können wegen der Ähnlichkeit der Verfahren aber auch auf die Baulandumlegung angewendet werden.

Die [vom Beschwerdeführer] in die Baulandumlegung eingebrachten Gst 1737, 1738 und 1739 sind verkehrsmäßig nicht erschlossen, während die ihm zugewiesenen Gst 2077, 2078 und 2079 durch den neuen öffentlichen Weg Gst 2082 erschlossen sind. Dieser Vorteil der verkehrsmäßigen Erschließung wird durch die Änderung des Grenzverlaufes zwischen den neu gebildeten Gst 2076 und 2077 nicht berührt. Im Vergleich zum alten Stand erhält [der Beschwerdeführer] aber auch durch die Neueinteilung Grundstücke, die im Hinblick auf die Bebaubarkeit zweckmäßiger geformt sind. Der im §72 TROG 2006 definierte Zweck der Baulandumlegung wird somit erreicht.

Dem Vorbringen des Berufungsgegners in der Verhandlung vor der Umlegungsoberbehörde betreffend Belastung durch eine Hochspannungsleitung ist zu entgegnen, dass diese neue Einwendung abgesehen davon, dass sie in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Grenzdrehung steht, ins Leere geht, weil einerseits der Berufungswerber von der Belastung durch die über sein Gst 1746 (alt) bzw. Gst 2075 (neu) führende 25kV-Leitung nicht gänzlich befreit wird, andererseits für den Berufungsgegner die Belastung durch die seine Grundstücke überspannende 110kV-Leitung, was die belastete Fläche betrifft, geringer wird. Diese Feststellung kann anhand des Vergleiches der Lagepläne alter Stand - neuer Stand, in denen die Leitungstrassen dargestellt sind, getroffen werden.

Die [vom Beschwerdeführer] ins Treffen geführte Spitzwinkeligkeit betrifft den nördlichen Bereich des Gst 1739 (alt) bzw. des in dieser Lage zugewiesenen Gst 2077 des neuen Standes. Der Winkel zwischen West- und Nordgrenze des Gst 1739 beträgt 65°, während der Winkel zwischen West- und Nordgrenze des Gst 2077 nach der Grenzdrehung 69° beträgt. Die Spitzwinkeligkeit hat sich also um 4° verringert und somit verbessert. Der Vergleich zwischen altem und neuem Stand führt zum Ergebnis, dass den Einwendungen des [Beschwerdeführers] gegen eine Abänderung des Umlegungsbescheides, um dem berechtigten Vorbringen des Berufungswerbers Rechnung zu tragen, keine Berechtigung zuerkannt werden kann."

3. Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) behauptet und die Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3.1. Die behauptete Verletzung des Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz begründet der Beschwerdeführer wie folgt:

Von den 3.056 m² Grundfläche, die der Beschwerdeführer in das Umlegungsverfahren eingebracht habe, seien 791 m² von einer 110-kV-Starkstromleitung überzogen gewesen und 2.265 m² nicht. Nach Durchführung des Umlegungsverfahrens seien dem Beschwerdeführer nunmehr - nach Abzug der 12,76 %, die jeder Beteiligte von den von ihm eingebrachten Flächen für die Anlegung eines Weges abtreten musste - 2.666 m² zugewiesen worden, wobei hievon 1.937 m² nicht von einer Starkstromleitung überzogen seien. Dies bedeute, dass der Beschwerdeführer knapp 16% der leitungsfreien Fläche abgeben habe müssen und nur 7% jener Fläche, welche bereits von einer Starkstromleitung überzogen war. Die mitbeteiligte Partei O.N. habe 352,5 m² an Grund eingebracht, welcher von einer 25-kV-Starkstromleitung überzogen gewesen sei, und erhalte nunmehr zwei absolut leitungsfreie Bauplätze. Gemäß §78 TROG 2006 seien jedoch soweit wie möglich Grundstücke zuzuweisen, deren bauliche Nutzbarkeit in vergleichbarer Weise beschränkt ist.

Gleichheitswidrig sei auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer 12,76% der gesamten von ihm eingebrachten Grundstücksfläche zur Schaffung eines Weges zur Verfügung stellen habe müssen, obwohl eines seiner neugebildeten Grundstücke keine direkte Verbindung zu diesem Weg aufweise; die Zufahrt zu diesem Grundstück erfolge vor sowie nach dem Umlegungsverfahren über einen bereits bestehenden Weg.

Willkür liege auch in der durch den bekämpften Bescheid gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid vorgenommenen "Grenzdrehung" zwischen den neuen Grundstücken Nr. 2076 und 2077. Im erstinstanzlichen Bescheid habe die Behörde zu dieser von der mitbeteiligten Partei O.N. begehrten Grenzdrehung mit näherer Begründung ausgeführt, sie erscheine im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit der neuen Grundstücke Nr. 2076 und 2077 eher nachteilig. Die Umlegungsoberbehörde gehe nunmehr nicht auf die "Zweckmäßigkeit der Bebauung" ein, sondern vergleiche lediglich die ursprüngliche Situation mit der Situation nach dem Umlegungsverfahren; sie führe lediglich aus, der spitze Winkel im Grundstück Nr. 2077 sei - verglichen mit der Situation vor dem Umlegungsverfahren - um 4° verringert und die Lage somit verbessert.

Nicht eingegangen werde auf die Erschwerung der Bebauung des Grundstückes Nr. 2077 verglichen mit dem erstinstanzlichen Bescheid:

Aufgrund der verbleibenden Spitzwinkligkeit des Grundstücks Nr. 2077 müsste eine im nordöstlichen Bereich geplante Garage etwas Richtung Osten verschoben werden, wodurch ein Teil der Grundstücksfläche faktisch unbrauchbar werde. In weiterer Folge müsste auch das geplante Wohnhaus weiter Richtung Südosten verschoben werden und geriete näher an die im südlichen Bereich des Grundstückes verlaufende Hochspannungsleitung. Das würde einen höheren Strahlungswert verursachen.

Die mitbeteiligte Partei O.N. habe einen schmalen, keinesfalls einer Bebauung zugänglichen Landstreifen in das Umlegungsverfahren eingebracht, der Beschwerdeführer demgegenüber eine absolut uneingeschränkt bebaubare Fläche mit verkehrsmäßiger Erschließung.

In der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung, ohne näher auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides einzugehen, liege jedenfalls eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.

3.2. Die behauptete Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums begründet der Beschwerdeführer im Wesentlichen durch einen Verweis auf seine Behauptung der Gleichheitswidrigkeit.

3.3. Schließlich weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass im Verfahren vor der belangten Behörde am 3. Oktober 2006 eine Verhandlung an Ort und Stelle ohne Kenntnis des Beschwerdeführers stattgefunden habe und den Argumenten des Beschwerdeführers auch im weiteren Verlauf des Verfahrens kein Gehör geschenkt worden sei.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte, dies mit auszugsweise folgender Begründung:

Durch den Umlegungsbescheid erster Instanz sei die mitbeteiligte Partei O.N. infolge Beeinträchtigung der baulichen Nutzbarkeit der ihr zugeteilten Grundstücke Nr. 2075 und 2076 durch einen Hügel nicht gesetzmäßig abgefunden worden, sodass die belangte Behörde verpflichtet gewesen sei, die Neueinteilung des Umlegungsgebietes abzuändern, um die Gesetzmäßigkeit der Abfindung der mitbeteiligten Partei O.N. herzustellen, ohne dadurch die Gesetzmäßigkeit der Abfindung einer anderen Partei zu verletzen. Vom Beschwerdeführer werde zugestanden, dass sich die Spitzwinkeligkeit im nördlichen Bereich des Grundstücks 1739 (alt) bzw. 2077 (neu) verringert und damit verbessert habe. Die bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Abfindung (Zuweisung des Eigentums an den neu eingeteilten Grundstücken) anzuwendende Betrachtungsweise müsse die Gegenüberstellung des gesamten neuen Standes (Gesamtabfindung) mit dem gesamten alten Stand (Gesamtheit der in die Baulandumlegung eingebrachten Grundstücke) und nicht der Vergleich nur einzelner Grundstücke sein. Unter diesem Gesichtspunkt könne auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt werden, dass die Neueinteilung des Umlegungsgebietes für ihn vorteilhaft ist. Sollte der Vorteil durch die mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vorgenommene Grenzänderung gegenüber dem Umlegungsbescheid erster Instanz etwas geringer geworden sein, blieben trotzdem Vorteile erhalten. Die allfällige Minderung des Vorteils sei jedenfalls durch die Milderung des Nachteils für die mitbeteiligte Partei sachlich gerechtfertigt.

Dem Vorbringen, es hätte nicht die gesamte vom Beschwerdeführer eingebrachte Grundstücksfläche der Grundaufbringung für die Schaffung eines Weges zugrunde gelegt werden dürfen, weil eines der Grundstücke des Beschwerdeführers nicht an diesem Weg liege, entgegnet die belangte Behörde, es stelle eine unzulässige Neuerung dar. Weshalb die vorgenommene Grundaufbringung (vgl. §77 Abs1 TROG 2006) den Gleichheitsgrundsatz verletzen sollte, werde nicht begründet. Festzuhalten sei, dass der Beschwerdeführer gegen den Umlegungsbescheid erster Instanz, der auch die Grundaufbringung regle, nicht berufen habe. Dem Vorbringen, es hätte nicht die gesamte vom Beschwerdeführer eingebrachte Grundstücksfläche der Grundaufbringung für die Schaffung eines Weges zugrunde gelegt werden dürfen, weil eines der Grundstücke des Beschwerdeführers nicht an diesem Weg liege, entgegnet die belangte Behörde, es stelle eine unzulässige Neuerung dar. Weshalb die vorgenommene Grundaufbringung vergleiche §77 Abs1 TROG 2006) den Gleichheitsgrundsatz verletzen sollte, werde nicht begründet. Festzuhalten sei, dass der Beschwerdeführer gegen den Umlegungsbescheid erster Instanz, der auch die Grundaufbringung regle, nicht berufen habe.

Das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers sei dadurch gewahrt worden, dass ihm die Berufung der mitbeteiligten Partei und die Niederschrift über die örtliche Verhandlung am 3. Oktober 2006 zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Gegenäußerung gegeben worden sei, wovon der Beschwerdeführer auch Gebrauch gemacht habe. Der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei weiters, was in der Beschwerde verschwiegen werde, eine öffentliche mündliche Verhandlung am 12. Dezember 2006 vorausgegangen, an der auch der Beschwerdeführer teilgenommen habe.

5. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik, in der er vorbringt, entgegen den Behauptungen der belangten Behörde in der Gegenschrift habe er an der Verhandlung am 12. Dezember 2006 nicht teilgenommen, da er zu dieser nicht geladen worden sei und auch sonst keine Kenntnis davon gehabt habe.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die hier maßgebliche Rechtslage im Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 - TROG 2006, LGBl. 27 (Wiederverlautbarung), lautet: 1. Die hier maßgebliche Rechtslage im Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 - TROG 2006, Landesgesetzblatt 27 (Wiederverlautbarung), lautet:

"III. Teil

Baulandumlegung

§72

Zweck

Die Baulandumlegung dient der Neuregelung der Grundstücksordnung in einem bestimmten Gebiet, das aufgrund der bestehenden Grundstücksordnung einer geordneten und Boden sparenden Bebauung und einer zweckmäßigen verkehrsmäßigen Erschließung insgesamt nicht zugänglich ist, in der Weise, dass

a) für eine solche Bebauung nach Lage, Größe und Form zweckmäßig gestaltete Grundstücke geschaffen werden sowie

b) die für die verkehrsmäßige Erschließung und für infrastrukturelle Einrichtungen erforderlichen Grundflächen aufgebracht werden.

...

§77

Verkehrsflächen und sonstige Anlagen

  1. (1)Absatz einsDie Grundflächen, die nach den im Bebauungsplan (§82) festgelegten Straßenfluchtlinien für den Neubau, den Ausbau oder die Verlegung von Gemeindestraßen, die nur der inneren Erschließung des Umlegungsgebietes dienen, benötigt werden, sind von den Eigentümern der umzulegenden Grundstücke oder Grundstücksteile im Verhältnis der Fläche dieser Grundstücke bzw. Grundstücksteile zugunsten der Gemeinde aufzubringen, soweit hierfür nicht bestehende öffentliche Verkehrsflächen der Gemeinde zur Verfügung stehen. ...

  1. (4)Absatz 4Ergibt sich durch das Umlegungsverfahren hinsichtlich eines Grundstückes oder Grundstücksteiles kein Vorteil im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit oder die verkehrsmäßige Erschließung, so ist der Eigentümer des betreffenden Grundstückes oder Grundstücksteiles von der Verpflichtung zur Grundaufbringung nach Abs1 befreit. Ist dies nur hinsichtlich einer Teilfläche des betreffenden Grundstückes oder Grundstücksteiles der Fall, so besteht die Befreiung im Ausmaß dieser Teilfläche.

§78

Grundsätze für die Neuregelung der Grundstücksordnung

  1. (1)Absatz einsFür die Neuregelung der Grundstücksordnung gelten folgende Grundsätze:

a) Jedem Grundeigentümer sind Grundstücke zuzuweisen, deren Gesamtfläche der Fläche der eingebrachten Grundstücke oder Grundstücksteile abzüglich der nach §77 Abs1, 2 und 3 aufzubringenden Flächen entspricht. ...

b) Die Fläche der zuzuweisenden Grundstücke darf vom Abfindungsanspruch nach lita um höchstens 3 v. H. abweichen. ... Abweichungen gegenüber dem Abfindungsanspruch sind durch Geldabfindungen auszugleichen.

c) Anstelle von Grundstücken oder Grundstücksteilen, deren bauliche Nutzbarkeit insbesondere aufgrund bestehender Versorgungseinrichtungen, wie Einrichtungen zur Wasser- oder Energieversorgung oder Abwasserbeseitigung und dergleichen, die im Rahmen der Baulandumlegung nicht beseitigt werden können, oder aufgrund ihrer Lage in Schutz- oder Sicherheitsbereichen überörtlicher Anlagen oder aufgrund einer Gefährdung durch Naturgefahren (§37 Abs2) beschränkt ist, sind so weit wie möglich Grundstücke zuzuweisen, deren bauliche Nutzbarkeit in vergleichbarer Weise beschränkt ist. Dabei sind bestehenden Anlagen jene Anlagen gleichzuhalten, für die rechtsverbindliche Planungen bestehen. Weitergehende Beschränkungen gegenüber den eingebrachten Grundstücken sind durch Geldabfindungen auszugleichen.

..."

2. Zur behaupteten Gleichheitswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei von der belangten Behörde weder zur Verhandlung an Ort und Stelle am 3. Oktober 2006, noch zur Verhandlung am 12. Dezember 2006 geladen und seine Argumente seien auch sonst nicht gewürdigt worden, trifft nicht zu. Die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten bestätigen die Aussagen der belangten Behörde, insbesondere über seine Ladung zur und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2006.

Auch im Übrigen enthält weder das Vorbringen des Beschwerdeführers Indizien für die Annahme von Willkür, noch ergeben sich solche aus den Verwaltungsakten.

Die behauptete Gleichheitswidrigkeit liegt somit nicht vor.

3. Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG):

Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen im TROG 2006 behauptet der Beschwerdeführer nicht und ist auch für den Verfassungsgerichtshof nicht ersichtlich. Auch eine denkunmögliche Auslegung dieser Rechtsgrundlagen hat die belangte Behörde nicht vorgenommen.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003). Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann vergleiche zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Baulandumlegung, rechtliches Gehör,Verhandlung mündliche, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B137.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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