TE OGH 1999/9/16 6Ob170/99i

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Veröffentlicht am 16.09.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter P*****, vertreten durch Heinrich & Seifried Rechtsanwaltspartnerschaft in Judenburg, gegen die beklagte Partei Peter G*****, vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Unterlassung (Streitwert 50.000 S), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 25. März 1999, GZ 1 R 60/99m-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Oberwölz vom 20. Jänner 1999, GZ C 203/98z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 4.058,88 S (darin Umsatzsteuer 676,48 S) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Mitglieder verschiedener Fraktionen im Gemeinderat der Marktgemeinde S*****. Im März 1996 entdeckte man in einem das Gemeindegebiet durchfließenden Gewässer verschiedene Schlachtabfälle, die vom Hof des Beklagten stammten. Der Beklagte bestritt, diese Abfälle in den Bach geworfen zu haben und hatte mit diesem Einwand im Verwaltungsstrafverfahren Erfolg. Der Kläger ist um die Aufklärung des Sachverhaltes bemüht. Die Frage, wer das verbotene Ablagern der Schlachtabfälle in einem öffentlichen Gewässer zu verantworten habe und die damit einhergehenden Vorwürfe führten zu Auseinandersetzungen im Gemeinderat. Im Dezember 1996 erhielt der Kläger ein Schreiben nachstehenden Inhaltes:

"Wegen Rinderkopf in Katschbach mehr nachtruk geben das war kein Hund sondern ein SPÖ Freund Wier dürfen die ÖVP nicht aufkommen lassen Adambauer ist in Feistritz zimlich Stark."

Dieser Brief war weder unterschrieben noch mit einer Absenderbezeichnung versehen; auch auf dem Briefkuvert findet sich keine Absenderbezeichnung.

Der Kläger begehrt Unterlassung des Verfassens und Absendens von an ihn gerichteten anonymen Schreiben. Der Beklagte sei Autor des zitierten Schreibens. Abgesehen von einem Verstoß gegen § 97 Postordnung habe er damit massiv in die Persönlichkeitsrechte des Klägers, insbesondere in seine Individualsphäre eingegriffen. Der Kläger habe angesichts des unklaren und mehrdeutigen Inhaltes unmittelbar bevorstehende oder eben geschehene Ereignisse vermutet, er und seine Familie seien in Unruhe versetzt worden. Mangels eines Geschäftskontaktes zum Beklagten - auch briefliche Kontakte wünsche der Kläger nicht - müsse er anonyme Schreiben "kryptischen" Inhaltes nicht dulden. Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, weil sich der Beklagte weigere, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken und versuche, aus diesem Schreiben politische Vorteile zu erzielen.Der Kläger begehrt Unterlassung des Verfassens und Absendens von an ihn gerichteten anonymen Schreiben. Der Beklagte sei Autor des zitierten Schreibens. Abgesehen von einem Verstoß gegen Paragraph 97, Postordnung habe er damit massiv in die Persönlichkeitsrechte des Klägers, insbesondere in seine Individualsphäre eingegriffen. Der Kläger habe angesichts des unklaren und mehrdeutigen Inhaltes unmittelbar bevorstehende oder eben geschehene Ereignisse vermutet, er und seine Familie seien in Unruhe versetzt worden. Mangels eines Geschäftskontaktes zum Beklagten - auch briefliche Kontakte wünsche der Kläger nicht - müsse er anonyme Schreiben "kryptischen" Inhaltes nicht dulden. Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, weil sich der Beklagte weigere, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken und versuche, aus diesem Schreiben politische Vorteile zu erzielen.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Abgesehen davon, daß er das anonyme Schreiben weder verfaßt noch an den Kläger versendet habe, greife dieses nicht in dessen Individualrechte oder in die seiner Familie ein. Im übrigen habe der Kläger das Schreiben selbst publik gemacht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die bloße Zusendung anonymer Schriftstücke bedeute keinen Eingriff in absolut geschützte Persönlichkeitsrechte. Der Empfänger könne deren Annahme grundlos ablehnen. Der Inhalt des Schreibens selbst verletze Persönlichkeitsrechte nicht, werde doch dem Kläger weder ein Übel angekündigt, noch werde er verächtlich gemacht; das Schreiben sei auch nicht geeignet, ihn in der Wertschätzung Dritter herabzusetzen. Der Kläger habe es sich im übrigen selbst zuzuschreiben, daß der Text einem größeren Personenkreis bekanntgeworden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Rechtsprechung leite aus § 16 ABGB im Zusammenhang mit anderen grundrechtsbezogenen Vorschriften ein jedermann angeborenes Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereiches und seiner Geheimsphäre ab. Aus dem grundsätzlich gegebenen Schutz der Privatsphäre eines Menschen ergebe sich jedoch nicht als selbstverständlich, daß jede Verletzung dieses Interesses von vornherein rechtswidrig sei. Es sei daher eine Güter- und Interessenabwägung als Schutzvoraussetzung vorzunehmen. Die in der Rechtsprechung für ungebetene Telefonanrufe und Telefaxmitteilungen entwickelten Grundsätze könnten nicht auf einen anonymen Brief umgelegt werden. Unerbetene Telefonanrufe störten die Zeitplanung, der Angerufene sei gezwungen, den Hörer abzuheben oder das Telefon in die Hand zu nehmen, er sei gehalten, auch gegenüber anonymen Anrufern die Form der Höflichkeit zu wahren. Das Telefon sei während der Zeit des unerbetenen Anrufes für - vielleicht dringende unaufschiebbare - andere Anrufe blockiert. Dasselbe gelte auch für die unerbetene Benutzung des Telefax, bei dem darüber hinaus auch frustrierte Kosten für Papier, Toner und sonstige Betriebsmittel anfielen. Diese Kriterien könnten aber für Briefe nicht in gleichem Maß herangezogen werden. Der Empfänger dürfe die Annahme von Briefsendungen grundlos verweigern. Die Privatsphäre bleibe auch dadurch ungestört, daß die Zeit, in der Korrespondenz oder sonstige Postsendungen gelesen oder gesichtet werden, eigenbestimmt sei. Es könne wohl niemand ernsthaft erwarten, nur Adressat von Briefen oder sonstigen Poststücken mit bedeutungsvollen, den eigenen Standpunkt genehmen und ihn auch interessierenden Mitteilungen sein zu dürfen. Im übrigen enthalte das vorliegende Schreiben keinen strafrechtlich verpönten Inhalt, es sei auch weder ehrverletzend noch kreditschädigend. Der Kläger könne sich nicht auf eine Verletzung geschützter Rechtsgüter berufen.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Rechtsprechung leite aus Paragraph 16, ABGB im Zusammenhang mit anderen grundrechtsbezogenen Vorschriften ein jedermann angeborenes Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereiches und seiner Geheimsphäre ab. Aus dem grundsätzlich gegebenen Schutz der Privatsphäre eines Menschen ergebe sich jedoch nicht als selbstverständlich, daß jede Verletzung dieses Interesses von vornherein rechtswidrig sei. Es sei daher eine Güter- und Interessenabwägung als Schutzvoraussetzung vorzunehmen. Die in der Rechtsprechung für ungebetene Telefonanrufe und Telefaxmitteilungen entwickelten Grundsätze könnten nicht auf einen anonymen Brief umgelegt werden. Unerbetene Telefonanrufe störten die Zeitplanung, der Angerufene sei gezwungen, den Hörer abzuheben oder das Telefon in die Hand zu nehmen, er sei gehalten, auch gegenüber anonymen Anrufern die Form der Höflichkeit zu wahren. Das Telefon sei während der Zeit des unerbetenen Anrufes für - vielleicht dringende unaufschiebbare - andere Anrufe blockiert. Dasselbe gelte auch für die unerbetene Benutzung des Telefax, bei dem darüber hinaus auch frustrierte Kosten für Papier, Toner und sonstige Betriebsmittel anfielen. Diese Kriterien könnten aber für Briefe nicht in gleichem Maß herangezogen werden. Der Empfänger dürfe die Annahme von Briefsendungen grundlos verweigern. Die Privatsphäre bleibe auch dadurch ungestört, daß die Zeit, in der Korrespondenz oder sonstige Postsendungen gelesen oder gesichtet werden, eigenbestimmt sei. Es könne wohl niemand ernsthaft erwarten, nur Adressat von Briefen oder sonstigen Poststücken mit bedeutungsvollen, den eigenen Standpunkt genehmen und ihn auch interessierenden Mitteilungen sein zu dürfen. Im übrigen enthalte das vorliegende Schreiben keinen strafrechtlich verpönten Inhalt, es sei auch weder ehrverletzend noch kreditschädigend. Der Kläger könne sich nicht auf eine Verletzung geschützter Rechtsgüter berufen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht jedoch 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem gleichgelagerten Fall fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber macht geltend, der Inhalt des anonymen Schreibens sei ehrverletzend und geeignet, die Sozialistische Fraktion des Gemeinderates allgemein und den Kläger als führenden Funktionär dieser Fraktion im besonderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zu zeihen. Es werde der SPÖ die Beteiligung an einer Handlung unterstellt, die zumindest verwaltungsstrafrechtliche Auswirkungen habe; die Äußerung stelle aber jedenfalls eine Verhöhnung dar.

§ 1330 Abs 1 ABGB schützt die Ehre physischer und juristischer Personen, während Abs 2 leg cit deren wirtschaftlichen Ruf absichert. Der Sinngehalt (Bedeutungsinhalt) einer Aussage richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung fiel und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck (MR 1995, 16; 6 Ob 2300/96w uva). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach das Schreiben weder in die Ehre des Klägers eingreifende Aussagen noch auch seinen Kredit, Erwerb oder Fortkommen beeinträchtigende (unrichtige) Tatsachenbehauptungen enthalte, ist in Anbetracht der gewählten Formulierung nicht zu beanstanden. Selbst wenn man dem Schreiben den Vorwurf entnimmt, ein "SPÖ-Freund" habe die Schlachtabfälle im Bach deponiert (und diesen als ehrverletzend und kreditschädigend beurteilt), wäre dieser Vorwurf gegen eine unbestimmte Zahl, namentlich nicht genannter und auch anhand anderer Angaben nicht näher identifizierbarer "SPÖ-Freunde" (nicht Parteimitglieder oder gar Mandatare) gerichtet. Persönliche Betroffenheit des Klägers als Voraussetzung seiner Klagelegitimation scheidet daher schon mangels Identifizierbarkeit seiner Person als Adressat des Vorwurfes aus (MR 1999, 76 - Abkassierer).Paragraph 1330, Absatz eins, ABGB schützt die Ehre physischer und juristischer Personen, während Absatz 2, leg cit deren wirtschaftlichen Ruf absichert. Der Sinngehalt (Bedeutungsinhalt) einer Aussage richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung fiel und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck (MR 1995, 16; 6 Ob 2300/96w uva). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach das Schreiben weder in die Ehre des Klägers eingreifende Aussagen noch auch seinen Kredit, Erwerb oder Fortkommen beeinträchtigende (unrichtige) Tatsachenbehauptungen enthalte, ist in Anbetracht der gewählten Formulierung nicht zu beanstanden. Selbst wenn man dem Schreiben den Vorwurf entnimmt, ein "SPÖ-Freund" habe die Schlachtabfälle im Bach deponiert (und diesen als ehrverletzend und kreditschädigend beurteilt), wäre dieser Vorwurf gegen eine unbestimmte Zahl, namentlich nicht genannter und auch anhand anderer Angaben nicht näher identifizierbarer "SPÖ-Freunde" (nicht Parteimitglieder oder gar Mandatare) gerichtet. Persönliche Betroffenheit des Klägers als Voraussetzung seiner Klagelegitimation scheidet daher schon mangels Identifizierbarkeit seiner Person als Adressat des Vorwurfes aus (MR 1999, 76 - Abkassierer).

Der Kläger vertritt die Auffassung, das anonyme Schreiben verletze seine schutzwürdigen Interessen und greife in sein Persönlichkeitsrecht ein. Die fehlende Angabe eines Absenders habe ihm die Möglichkeit genommen, Rückschlüsse auf den Adressaten zu ziehen und über das Schreiben entsprechend zu disponieren. Eine Disposition sei ihm erst nach Öffnen des Kuverts möglich geworden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Verletzung der Privatsphäre bereits eingetreten sei. Die von der Rechtsprechung für unerbetene Telefonanrufe entwickelten Grundsätze müßten auch für anonyme Schreiben gelten.

Der Oberste Gerichtshof hat unerwünschte Telefax-Werbung aus der Erwägung als sittenwidrig beurteilt, daß der Telefax-Anschlußinhaber ein berechtigtes Interesse daran habe, seine Anlage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die ihre bestimmungsgemäße Funktion, nämlich Rationalisierung des anfallenden Schriftverkehrs und schnellere Erreichbarkeit der an ihn gerichteten Mitteilungen, beeinträchtigt (JBl 1998, 324 - unzulässige Telefaxwerbung [Pfersmann]). In Übereinstimmung mit deutscher Lehre und Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof Werbung durch unerbetene telefonische Anrufe dann als wettbewerbswidrig beurteilt, wenn der Angerufene nicht zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis dazu erteilt hatte. Er hat dazu ausgeführt, Telefonwerbung überschreite das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene, noch tragbare Maß der Belästigung und greife unzulässig in die Individualsphäre des Anschlußinhabers ein (ÖBl 1987, 13 - Telefonwerbung; ÖBl 1995, 12 - Computerkurse; MR 1996, 165; SZ 70/227 = ÖBl 1998, 341 = JBl 1998, 324 [Pfersmann]; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht20 Rz 67 zu § 1 dUWG). Diese Auffassung wird auch von der Lehre in Österreich geteilt (Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht2 71; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3, 680 f; Pfersmann JBl 1998, 324). Im Zusammenhang mit Telefonwerbung hat der Oberste Gerichtshof schon bisher die Auffassung vertreten, die Privatsphäre eines Menschen werde durch unerbetene Telefonanrufe gestört (ÖBl 1984, 13 - Telefonwerbung). Der Angerufene könne sich nicht von vornherein gegen das Eindringen in seine Individualsphäre wehren. Er werde durch den Anruf veranlaßt, das Gespräch zunächst wahrzunehmen und wegen der Ungewißheit über seinen Zweck meist auch genötigt, sich auf das Gespräch einzulassen, bevor er sich entscheiden könne, ob er es fortsetzen oder abbrechen will. Die mit einer telefonischen Anfrage verbundene Belästigung sei daher erheblich höher als im Falle einer schriftlichen Anfrage, ermögliche doch das Telefonat ein unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Anschlußinhabers. Er müsse sich zu einem, seiner Disposition völlig entzogenen Zeitpunkt mit dem Anrufer befassen und habe keine ausreichende Überlegungszeit, so daß der damit zwangsläufig verbundene Überraschungseffekt nicht selten zu einer Überrumpelung des Angerufenen führen werde (4 Ob 113/99t).Der Oberste Gerichtshof hat unerwünschte Telefax-Werbung aus der Erwägung als sittenwidrig beurteilt, daß der Telefax-Anschlußinhaber ein berechtigtes Interesse daran habe, seine Anlage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die ihre bestimmungsgemäße Funktion, nämlich Rationalisierung des anfallenden Schriftverkehrs und schnellere Erreichbarkeit der an ihn gerichteten Mitteilungen, beeinträchtigt (JBl 1998, 324 - unzulässige Telefaxwerbung [Pfersmann]). In Übereinstimmung mit deutscher Lehre und Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof Werbung durch unerbetene telefonische Anrufe dann als wettbewerbswidrig beurteilt, wenn der Angerufene nicht zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis dazu erteilt hatte. Er hat dazu ausgeführt, Telefonwerbung überschreite das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene, noch tragbare Maß der Belästigung und greife unzulässig in die Individualsphäre des Anschlußinhabers ein (ÖBl 1987, 13 - Telefonwerbung; ÖBl 1995, 12 - Computerkurse; MR 1996, 165; SZ 70/227 = ÖBl 1998, 341 = JBl 1998, 324 [Pfersmann]; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht20 Rz 67 zu Paragraph eins, dUWG). Diese Auffassung wird auch von der Lehre in Österreich geteilt (Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht2 71; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3, 680 f; Pfersmann JBl 1998, 324). Im Zusammenhang mit Telefonwerbung hat der Oberste Gerichtshof schon bisher die Auffassung vertreten, die Privatsphäre eines Menschen werde durch unerbetene Telefonanrufe gestört (ÖBl 1984, 13 - Telefonwerbung). Der Angerufene könne sich nicht von vornherein gegen das Eindringen in seine Individualsphäre wehren. Er werde durch den Anruf veranlaßt, das Gespräch zunächst wahrzunehmen und wegen der Ungewißheit über seinen Zweck meist auch genötigt, sich auf das Gespräch einzulassen, bevor er sich entscheiden könne, ob er es fortsetzen oder abbrechen will. Die mit einer telefonischen Anfrage verbundene Belästigung sei daher erheblich höher als im Falle einer schriftlichen Anfrage, ermögliche doch das Telefonat ein unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Anschlußinhabers. Er müsse sich zu einem, seiner Disposition völlig entzogenen Zeitpunkt mit dem Anrufer befassen und habe keine ausreichende Überlegungszeit, so daß der damit zwangsläufig verbundene Überraschungseffekt nicht selten zu einer Überrumpelung des Angerufenen führen werde (4 Ob 113/99t).

In einem anderen Fall hat der Oberste Gerichtshof zahllose anonyme, den Angerufenen auch während der Nachtstunden geradezu terrorisierende Anrufe (die ihn im Anlaßfall auch ängstigten) als groben Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Angerufenen auf Achtung seines Privatbereiches und seiner Geheimsphäre beurteilt.

Demgegenüber wird in der deutschen Lehre die Werbung mittels E-Mails differenziert beurteilt, je nach dem, ob das E-Mail diffamierende und/oder irreführende Aussagen enthalte oder den Eindruck erwecke, von einem anderen als dem tatsächlichen Absender herzurühren. Lägen aber derartige Umstände, die den Versand von Werbematerial als sittenwidrig erscheinen ließen, nicht vor, so könne auch nicht von einem unkontrollierten Eindringen in die Privatsphäre des Anschlußinhabers ausgegangen werden (Leupolt, Die massenweise Versendung von Werbe-e-Mails: Innovatives Direktmarketing oder unzumutbare Belästung des Empfängers? WRP 1998, 277).

Die im Zusammenhang mit unerbetenen telefonischen Anrufen zu Werbezwecken oder anonymen, terrorisierenden Anrufen maßgeblichen Überlegungen der Rechtsprechung sind auf den ungewollten Zugang eines einzelnen Schreibens eines anonymen Verfassers nicht übertragbar:

Anders als in den Fällen einer Faxmitteilung ist der Inhalt eines anonymen Schreibens für den Empfänger nicht mit Kosten verbunden; der Verfasser des Briefes nützt überdies keine Anlage des Empfängers und beeinträchtigt damit auch nicht dessen Erreichbarkeit. Während ein (unerbetener) Telefonanruf den Empfänger veranlaßt, das Gespräch zunächst anzunehmen und sich auf dieses einzulassen, bevor er entscheiden kann, ob er das Gespräch fortsetzen oder abbrechen will (womit bereits ein Eindringen in seine Individualsphäre vollzogen ist), kann der Empfänger eines Schreibens - ob es ihm nun als anonym erkennbar ist oder nicht - selbst darüber disponieren, ob und zu welchem Zeitpunkt er sich damit befaßt; er wird weder überrascht noch überrumpelt. Er kann dieses Schreiben auch sofort zurückweisen. Durch den Zugang eines Schreibens und den Umstand, daß er dieses erst nach Öffnen des Kuverts als anonym erkennen kann, wird seine Rechtssphäre noch nicht beeinträchtigt. Der Umstand allein, daß er die Zusendung nicht gewünscht hat und mit dem Verfasser davor in keinem geschäftlichen oder brieflichen Kontakt stand, vermag für sich allein eine Rechtsgutverletzung nicht zu begründen.

Der vorliegende Fall der Zusendung eines einzelnen anonymen Schreibens geradezu unsinnigen Inhaltes ist auch mit den Fällen des "Telefonterrors" nicht zu vergleichen, fehlt es doch sowohl an einer groben Belästigung oder gar Verängstigung des Empfängers als auch an einer Mißachtung des Privatbereiches. Von einem unkontrollierten Eindringen in die Privatsphäre des Empfängers kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

Im übrigen begehrt der Kläger, dem Beklagten das Verfassen anonymer Schreiben zu untersagen. Dieses Begehren ist jedenfalls unberechtigt.

Die Vorinstanzen haben damit zu Recht das Unterlassungsbegehren ohne Klärung der Frage, ob dieses Schreiben überhaupt vom Beklagten stammte, abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 41 und 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E55274 06A01709

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0060OB00170.99I.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19990916_OGH0002_0060OB00170_99I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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