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L22007 Landesbedienstete Tirol;Norm
ASVG §203 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der W F in T, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichteten Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Tiroler Landeslehrer vom 1. August 2005, Zl. KUF - 28019/VOKL.-8/05, betreffend Versehrtenrente nach § 47 BLKUFG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Kranken- und Unfallfürsorge Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als Hauptschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol. Sie erlitt nach der Aktenlage insgesamt fünf Unfälle, welche als Dienstunfälle anerkannt wurden:
1. am 16. Dezember 1993 einen Schleuderunfall mit dem PKW; nach dem Rentengutachten des unfallchirurgischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. P vom 5. Mai 1994 erlitt die Beschwerdeführerin dadurch "multiple Kontusionen".
2. am 24. April 1995 Sturz über eine Stiege; nach dem Rentengutachten desselben Gutachters vom 26. Februar 1996 sowie des neurologischen Sachverständigen Dr. D vom 15. März 1996 erlitt die Beschwerdeführerin dadurch eine Gehirnerschütterung, eine Prellung der rechten Schulter und eine Verstauchung der Halswirbelsäule. Nach dem Nachtragsgutachten des Sachverständigen Dr. L vom 27. November 1998 wurden "subjektive Belastungsschmerzen an der rechten Schulter, subjektive neurologische Beschwerden, siehe Zusatzgutachten (angeschlossen war das neurologische Gutachten des Sachverständigen Dris. P vom 18. November 1998), Verminderung der Grobkraft beim Seitwärtsabheben des Armes; eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter" festgestellt. Auf Grund dieser Leidenszustände wurde der Beschwerdeführerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Höhe von 20 v.H. für die Dauer eines Jahres, danach in der Höhe von 10 v. H. zugestanden.
3. am 13. Oktober 1997 Verreißen des rechten Armes; nach dem hierüber erstellten Rentengutachten des Sachverständigen Dr. L vom 18. März 1998 erlitt die Beschwerdeführerin dadurch eine "Zerrung der rechten Schulter bei operierter Gelenklippenablösung an der rechten Schulter vom 27. Mai 1997".
4. am 14. März 2003 Sturz im Physiksaal; nach der Untersuchung des unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. I vom 12. Dezember 2003 erlitt die Beschwerdeführerin durch diesen Unfall eine "Prellung der rechten Schulter, des rechten Ellbogens, des rechten Außenknöchels mit oberflächlicher Abschürfung", wobei keine Funktionseinschränkungen festgestellt wurden.
5. am 3. Februar 2004 Ausrutschen auf dem Eis; laut Gutachten der unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. S/Dr. G vom 15. Juni 2004 erlitt die Beschwerdeführerin dadurch eine "Zerrung der Halswirbelsäule, Prellung der Lendenwirbelsäule, des Unterkiefers und der rechten Hüfte".
Eine über 20 v. H. hinausgehende dauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde auf Grund dieser Unfälle nicht festgestellt, ein Zuspruch einer Versehrtenrente erfolgte aus diesem Grunde nicht.
Mit Eingabe vom 3. Februar 2004 beantragte die Beschwerdeführerin die Anerkennung des letzten (fünften) Unfalles von diesem Tag als Dienstunfall.
Mit Bescheid der Verwaltungskommission der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichteten Verwaltungskommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Tiroler Landeslehrer wurde festgestellt, dass der Unfall der Beschwerdeführerin am 3. Februar 2004 um ca. 7.10 Uhr auf dem Weg zur Hauptschule T am Straßenrand der Gemeindestraße von T Richtung Ortszentrum ein Dienstunfall im Sinne des § 25 Abs. 2 BLKUFG 1998 sei (Spruchpunkt I), dass durch diesen Dienstunfall die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin ab dem 3. Februar 2004 um 0 % für dauernd vermindert sei (Spruchpunkt II), dass eine Versehrtenrente nach § 47 Abs. 1 BKUFG 1998 nicht gebühre (Spruchpunkt III), sowie, dass der Beschwerdeführerin der Ersatz im Einzelnen näher bestimmter Kosten zustehe (Spruchpunkt IV).
Gegen die Punkte II, III und IV dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie unter anderem geltend machte, ihre auf Grund des zweiten Dienstunfalles vom 24. April 1995 erlittenen Verletzungen hätten durch den fünften Dienstunfall vom 3. Februar 2004 eine Verschlechterung erfahren.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 2005 wurde - soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Relevanz ist - die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Punkte II und III des erstinstanzlichen Bescheides nach Einholung eines weiteren Gutachtens des unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. Lugger vom 18. November 2004 samt dessen Ergänzung vom 31. Januar 2005 als unbegründet abgewiesen.
Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens einschließlich einer wörtlichen Wiedergabe der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung zitierte die belangte Behörde aus dem von ihr eingeholten unfallchirurgischen Sachverständigengutachten dessen zusammenfassende Ausführungen wie folgt:
"Zusammenfassende Begutachtung:
Zum Erstunfall vom 16.12.1993 liegen keine Unfallfolgen vor.
Zum Zweitunfall vom 24.04.1995 liegt eine Invalidität von 10 % dauernd vor.
Zum Drittunfall vom 13.10.1997 liegen ebenfalls keine substantiellen, in Prozenten ausdrückbare Unfallfolgen vor.
Zum Viertunfall: Es liegt hier keine nachweisliche Unfallfolge vor.
Der Fünftunfall vom 03.02.2004 hat nun ebenfalls keine erweiterten Unfallfolgen erbracht.
Ein sich nun entwickelndes Bandscheiben-bedingtes Beschwerdebild mit computertomographisch nachgewiesener Protrusion L4/L5, L5/S1 entspricht einem lokalen Aufbrauch, wie er in (gemeint wohl: mit( einem Sturz in keiner Weise in Verbindung zu bringen ist, weder kurz nach der entsprechenden, letztlich auch fachorthopädischen Abklärung, noch vor derselben, vor allem nicht auf einen Vorunfall hin zu beziehen ist. Es handelt sich einzig um eine - routinemäßig tagtäglich aus kurativer Sicht gesehene - Protrusionsbeschwerlichkeit, wie sie einem langsamen Aufbrauch der Bewegungselemente im Bandscheibenbereich entspricht, mit keinem Trauma in Verbindung zu bringen ist; weder kurz vor Diagnostik, noch Jahre vorher.
Auch unter nun aufgeführter 'Möglichkeit' einer Verletzung im Kreuzbeinbereich (hier wird auf den zweiten Dienstunfall vom 24.04.1995 verwiesen - eine Gesundenuntersuchung 1991 habe keine Beeinträchtigung im Wirbelsäulenbereich erbracht), kann eine direkte Verletzung in diesem Bereich letztlich aus dem weiteren Verlauf heraus hier nicht bestätigt werden; es handelt sich hier um "theoretisierende Äußerungen".
Es lag - dies muss nochmals präzisiert werden - aus diesem Geschehen heraus keine weitere Unfallfolge vor, auch unter der 'theoretischen' Annahme einer Kreuzbeinverletzung ergäbe sich bei Abheilung derselben keine in Prozenten ausdrückbare Restinvalidität. Vor allem steht ein diesbezügliches Geschehen in keinem, wie immer gearteten Zusammenhang zu Beschwerden aus dem Wirbelsäulen-/auch unteren Wirbelsäulenbereich.
Es ergibt sich also - dies zusammenfassend zur gegenständlichen Fragestellung - aus den hier aufgeführten Dienstunfällen - dies in einer sehr detaillierten Zusammenschau - eine 10 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Es ist auch kein 'Steißbeinbruch falsch zusammengewachsen'. Die nun sich entwickelnden, degenerativ bedingten Beschwerden aus dem Lendenwirbelbereich, unter Berücksichtigung einer Bandscheibenprotrusion L4/L5, L5/S1 entsprechen einer eigenständigen Entwicklung, an sich noch ohne weiteren wesentlichen Krankheitswert, jedoch ohne, wie immer gearteten Zusammenhang zu Vorunfällen.
Es wurde also - auf das Berufungsschreiben der Verletzten Bezug nehmend - somit auch keine Verletzung also, vor allem zur Diagnostik und kurativen Nachsorge und letztlich auch gutachterlichen Bewertung 'übersehen'."
Die belangte Behörde fügte diesem Zitat hinzu, dieses Gutachten sei der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme zugestellt worden, die sich mit Schriftsatz vom 10. Jänner 2005 dazu geäußert habe. Daraufhin sei von dem Sachverständigen ein Nachtragsgutachten vom 31. Jänner 2005 erstellt worden, in welchem er betont habe, dass die im Schriftsatz der Beschwerdeführerin angesprochene "Lockerung im Schultergelenk/Slap Läsion" letztlich inhaltlich voll bewertet worden sei und Verletzungen auch in der kurativen Langzeitversorgung nicht übersehen worden seien (wie die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vermutet habe). Die immer wieder angeführte "Steißbeinverletzung" habe nie nachgewiesen werden können. Eine theoretische Folge, nämlich eine unverschobene Fraktur/Fissur, sei folgenlos abgeheilt. Das auf die Kreuz-/Steißbeinregion hin bekundete Beschwerdemuster könne nicht als Unfallfolge bestätigt werden. Hier sei auf Aufbraucherscheinungen im Lendenwirbelsäulenbereich etc. zu verweisen, wie sie ebenfalls nicht Unfallfolge seien, jedoch zu ausstrahlenden Schmerzen in Richtung Kreuzbein/Steißbein führen könnten. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme könne also - bezogen auf die Unfallkausalität des zweiten Dienstunfalles - nicht gefolgt werden. Auf die Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 1991 sei nicht Bezug zu nehmen gewesen, sie seien auch nicht aktenkundig und sagten über eine weitere Entwicklung des degenerativen Aufbrauchs im Lendenwirbelsäulenbereich und einer sich entwickelnden Beschwerdesymptomatik im Halswirbelsäulenbereich nichts Signifikantes aus. Der Gutachter komme zum Schluss, dass die gegenständlich subjektiven Angaben und Befindlichkeitsstörungen weder zu bestätigen noch zu ignorieren seien, sie seien auf die angegebenen anerkannten Arbeitsunfälle hin gutachterlich zu bemessen gewesen. Dies sei auch erfolgt. Der Sachverständige sei daher bei seinem gutachterlichen Kalkül geblieben. Auch dieses Ergänzungsgutachten sei der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme zugestellt worden.
Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides sei die Qualifikation des Unfalles der Beschwerdeführerin vom 3. Februar 2004 als Dienstunfall gewesen sowie die Feststellungen, dass die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin durch diesen Dienstunfall nicht vermindert worden sei, dass eine Versehrtenrente nicht gebühre und ein Kostenanspruch bestehe. Das zur Frage der Unfallkausalität eingeholte Sachverständigengutachten sei ausführlich und in sich schlüssig und bestätige vollinhaltlich die Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides, insbesondere, dass aus dem Geschehen des fünften Dienstunfalles keine weitere Unfallfolgen vorlägen. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufungsschrift selbst eingeräumt, dass sich "jene, im Anschluss an den Unfall 1995 auftretenden Empfindungsbeeinträchtigungen (Absinken des Beins bzw. Gefühlsstörungen rechts usw.) nunmehr durch die degenerativen Veränderungen im LWS-Bereich vermutlich erklären" ließen. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem hier allein zu beurteilenden fünften Dienstunfall und den Beschwerden der Beschwerdeführerin sei zuverlässig durch die medizinischen Gutachten auszuschließen. In ihren Stellungnahmen habe sich die Beschwerdeführerin lediglich mit Ereignissen beschäftigt, die vor dem hier zu beurteilenden fünften Dienstunfall gelegen seien, und sicher nicht geeignet seien, die Richtigkeit des bekämpften Erstbescheides zu widerlegen. (Im Übrigen wurde der Kostenersatzanspruch richtig gestellt, welcher Spruchpunkt in der Beschwerde nicht bekämpft wird).
Gegen diesen Bescheid, insoweit damit die Spruchpunkte II und III des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurden, richtet sich die nunmehr dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dass es sich bei dem Unfall vom 3. Februar 2004 um einen Dienstunfall im Sinne des § 25 Abs. 2 des Beamten- und Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorgegesetzes 1998 (BLKUFG 1998), LGBl. Nr. 97/1998, handelt, wurde in der Berufung nicht bekämpft und ist damit rechtskräftig festgestellt.
Gemäß § 28 BLKUFG entsteht der Anspruch auf Leistungen
a)
bei einem Dienstunfall mit dem Unfallereignis,
b)
bei einer Berufskrankheit mit dem Beginn der Krankheit (§ 27) oder, wenn dies für den Anspruchsberechtigten günstiger ist, mit dem Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 47 Abs. 3).
Nach § 47 Abs. 1 BLKUFG 1998 besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit mehr als drei Monate hindurch um mindestens 20 v.H. vermindert ist. Die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.
Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung fällt die Versehrtenrente mit dem Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Anfall der Versehrtenrente) an.
Nach § 48 BLKUFG 1998 ist die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Dienstunfall oder durch die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit am 90. Tag nach dem Anfall der Versehrtenrente (§ 47 Abs. 3) zu bemessen (Abs. 1).
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung beträgt die Versehrtenrente, solange der Anspruchsberechtigte infolge des Dienstunfalles oder der Berufskrankheit völlig erwerbsunfähig ist, zwei Drittel der Bemessungsgrundlage (Vollrente). Ist der Anspruchsberechtigte teilweise erwerbsunfähig, so richtet sich die Versehrtenrente nach dem Hundertsatz der Vollrente, der dem Grad der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht.
Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch unter jenem einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin zusammengefasst geltend, zu Unrecht habe sich die belangte Behörde nicht bzw. nicht ausreichend mit ihren Hinweisen auf die erlittenen Folgen der Vorunfälle, insbesondere aber des zweiten Dienstunfalles vom 24. April 1995, auseinander gesetzt. Es fehle hinsichtlich der vier Vorunfälle eine gehörige Bescheidbegründung. Die belangte Behörde zitiere nur aus dem Sachverständigengutachten ohne selbst Überlegungen anzustellen. Insbesondere habe sie das radiologische Ergebnis der Befundung nach dem zweiten Dienstunfall nicht zur Kenntnis genommen, was eine Lücke des Ermittlungsverfahrens darstelle. In diesem radiologischen Befund sei ein Steißbeinbruch diagnostiziert worden, welcher nach dem fünften Dienstunfall eine wesentliche Verschlimmerung erfahren habe, die zur Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit zur Zuerkennung einer Versehrtenrente geführt hätte.
Die in §§ 28 und 47 BLKUFG verwendeten Begriffe der 'Folgen eines Dienstunfalles' bzw. einer 'Minderung der Erwerbsfähigkeit' (MdE) sind nach den Grundsätzen auszulegen, die sie im Bereich der §§ 101 B-KUVG und 203 ASVG in Lehre und Rechtsprechung gefunden haben.
Das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hängt zum einen von den gesundheitlichen Beeinträchtigungen ab, die auf den Dienstunfall zurückgeführt werden (Frage), zum anderen von der Einschätzung der Auswirkung dieser als kausal anerkannten Folgeschäden für die Erwerbsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Bei der Beurteilung der Bedingtheit der MdE durch die Folgen eines Dienstunfalles gehen Rechtsprechung und Lehre von der Theorie der 'wesentlichen Bedingung' aus. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn der Unfallschaden auf mehrere Ursachen zurückgeht - erforderlich, dass der Unfall eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist er dann, wenn er nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringeren Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Der Grad der MdE ist grundsätzlich abstrakt nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu beurteilen und in Beziehung zu allen Erwerbsmöglichkeiten - und nicht nur den tatsächlich genützten - zu setzen. Die Erwerbsfähigkeit eines Menschen ist nämlich seine Fähigkeit, unter Ausnützung der Arbeitsmöglichkeiten, die sich nach seinen gesamten Kenntnissen sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten auf dem ganzen Gebiet des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Grundlage zur Annahme der MdE ist regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Unfallsfolgen (oder die Folgen der Berufskrankheit) und deren Auswirkungen. Diese medizinische MdE, die auch auf die Verhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Bedacht nimmt, ist im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der MdE durch die zuständige Behörde. Der Verwaltungsbehörde bleibt die Aufgabe, auf Grund des Befundes, der Beurteilung und der Antworten auf die an den medizinischen Sachverständigen gestellten Fragen nach der Kausalität und dem Ausmaß der MdE nachzuprüfen, ob dabei wichtige Gesichtspunkte nicht berücksichtigt wurden. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt aber in erster Linie auf ärztlichwissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben zwar keine verbindliche Wirkung, sie sind aber, weil ein enger Zusammenhang zwischen den ärztlich festgestellten Funktionseinbußen und der Einschätzung der MdE besteht, eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung, dies vor allem, soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Januar 2006, Zl. 2003/12/0051, mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes). Es ist daher der belangten Behörde nicht als rechtswidrig anzulasten, wenn sie in ihrem Bescheid die wesentlichen Aussagen des von ihr zur Klärung der medizinischen Fragen eingeholten Sachverständigengutachten zitiert und dieses lediglich auf dessen Vollständigkeit und Schlüssigkeit überprüft hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt - im Anwendungsbereich des insoweit vergleichbaren KOVG - darauf hingewiesen, dass für eine Anerkennung als Dienstbeschädigung auch bloß mittelbare Folgen einer Dienstbeschädigung in Betracht kommen, wobei eine mittelbare Dienstbeschädigung nicht nur dann vorliegt, wenn die als Dienstbeschädigung anerkannte Gesundheitsschädigung die unmittelbare Ursache einer anderen Gesundheitsschädigung bildet, sondern auch dann, wenn infolge der Dienstbeschädigung eine Verschlimmerung eines schon vor der Dienstbeschädigung bestehenden Leidens eintritt oder wenn eine Dienstbeschädigung ein erst danach entstandenes altersbedingtes oder schicksalsbedingtes akausales Leiden verschlechtert. Als Dienstbeschädigung sind weiters auch solche Gesundheitsschädigungen anzuerkennen, die ihre Ursache in einer bereits anerkannten Gesundheitsschädigung haben. Als Ursache gilt aber auch im Falle einer mittelbaren Dienstbeschädigung nur eine wesentliche Bedingung. Wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, so kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in der Wirkung neben anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringeren Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Ein Unfallereignis ist dann nicht wesentliche Bedingung der eingetretenen Schädigung, wenn ein anlagebedingtes Leiden so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 99/12/0162).
Zu den im Beschwerdefall zu lösenden Fragen nach der Kausalität und Schwere der bei den insgesamt fünf anerkannten Dienstunfällen erlittenen Verletzungen hat der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige ausgiebig und begründet Stellung genommen. Unrichtig ist daher der Einwand in der Beschwerde, weder die belangte Behörde noch der Gutachter hätten sich mit der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe auf Grund des zweiten Dienstunfalles einen unerkannten Steißbeinbruch erlitten, der nicht regelgerecht zusammengewachsen sei und durch den letzten Dienstunfall eine Verschlimmerung erfahren habe, auseinander gesetzt; vielmehr nimmt der Sachverständige zu dieser Behauptung mehrfach eindeutig Stellung. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass - wie sich aus der Befundaufnahme zu diesem Gutachten ergibt - dem Sachverständigen die bezughabenden Teilbefunde vorlagen und sich aus dem in seinem Gutachten erwähnten und diesem auch zugrunde gelegten Röntgenbefund Dris. S vom 19. August 1996 ergibt, dass der von der Beschwerdeführerin mehrfach behauptete schlecht verheilte Bruch des Steißbeins nicht zu verifizieren sei. Die anderen Dienstunfälle waren nach den dem Sachverständigen vorliegenden Befunden folgenlos geblieben. Die Beschwerdeführerin ist diesen - über ihre Stellungnahme hin ergänzten - Ausführungen auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, so dass keine Zweifel an der Schlüssigkeit dieses Gutachtens entstanden sind. Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie in Würdigung des von ihr eingeholten und sohin nicht zu Unrecht als schlüssig erachteten Sachverständigengutachtens zum Ergebnis gelangt ist, dass es auch bei einer Zusammenschau der anerkannten Dienstunfälle der Beschwerdeführerin, insbesondere jener vom 24. April 1995 und vom 3. Februar 2004, zu keiner dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin über das im Gesetz vorgesehene Mindestmaß hinaus gekommen sei und daher auch keine Versehrtenrente zuerkannt habe werden können. Weder die behaupteten noch eine vom Verwaltungsgerichtshof von amtswegen aufzugreifende Rechtswidrigkeit liegen daher vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. November 2006
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche BeurteilungDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztAuslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005090138.X00Im RIS seit
12.12.2006Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010