TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/20 2005/09/0136

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Veröffentlicht am 20.11.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs2 idF 2001/I/082;
AuslBG §4 Abs6 Z2;
AuslBG §4 Abs6;
FrG 1997 §50a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der Ay KEG in Wien, vertreten durch Dr. Claudia Csaky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. Juni 2005, Zl. LGSW/Abt. 3/08114/2456992/2005, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 2005 wurde in Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien-Hietzing vom 6. Mai 2005 der Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine namentlich genannte bulgarische Staatsangehörige gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 AuslBG abgewiesen.

Nach Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde dazu begründend aus, nach der zuletzt Anfang Juni 2005 veröffentlichten Statistik seien auf die für das Bundesland Wien laut Verordnung BGBl. II Nr. 443/2004 festgesetzten Höchstzahl (66.000) 77.479 ausländische beschäftigte und arbeitslose Arbeitskräfte anzurechnen; die Landeshöchstzahl sei somit um 11.479 ausländische Arbeitskräfte überschritten. Für die bulgarische Staatsangehörige sei eine Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Buffettkraft in einem Kebab-Stand bei einer monatlichen Bruttoentlohnung von EUR 1.100,-- und einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden beantragt worden. Die Ausländerin habe nach der Bescheinigung des Bundesasylamtes gemäß § 36b Asylgesetz vom 16. März 2005 das Recht, sich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens in Österreich aufzuhalten. In der Berufung sei u.a. auf den Beitrittswerber zur EU, Bulgarien, hingewiesen worden. Es gebe auch für die letzten Beitrittsländer zur EU Übergangsfristen bis zur Freigabe des Arbeitsmarktes. Der im erstinstanzlichen Verfahren angehörte Regionalbeirat habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Es sei weder im Ermittlungsverfahren eine Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 4 Abs. 6 AuslBG festgestellt, noch in der Berufung behauptet worden. Die besonderen Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 5 AuslBG für die Zulassung als Schlüsselkraft lägen nicht vor. § 4 Abs. 6 AuslBG stehe somit unabhängig von weiteren Erteilungsvoraussetzungen der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Inhalt des Antrages befindet sich die in Rede stehende bulgarische Staatsangehörige als Asylwerberin im Bundesgebiet.

In der Beschwerde wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, die Behörden hätten den maßgeblichen Sachverhalt nicht ermittelt und auch das Parteiengehör verletzt. Insbesondere hätte die belangte Behörde auf Grund der Berufungsausführungen ein ergänzendes Ermittlungsverfahren vornehmen müssen. Die beschwerdeführende Partei betreibe einen Kebabstand am Inzersdorfer Großmarkt, zu dessen Kundenkreis meistens Fernfahrer aus Europa, dem Nahen Osten und Russland seien, die Waren nach Österreich brächten; Österreicher gehörten so gut wie gar nicht zum Kundenstock, weil der Kebabstand hauptsächlich in der Nacht betrieben werde und ihn zu dieser Zeit hauptsächlich ausländische Fahrer besuchten. Damit das Geschäft gut laufe, müsse die dort arbeitende Buffetkraft mit den ausländischen Kunden Konversation führen können, was ein zentraler Erfolgsfaktor des Kebabstandes sei. Die Ausländerin verfüge über die notwendigen Sprachkenntnisse. Das Arbeitsmarktservice habe in den letzten 12 Monaten kein Personal vermitteln können. Diese mangelhaften Sachverhaltsfeststellungen hätten auch Auswirkungen auf die Entscheidung des Regionalbeirates gehabt, weil dieser den konkreten Personalbedarf und das wirtschaftliche Umfeld der Beschwerdeführerin nicht habe berücksichtigen können, ebenso wie die zunehmende Integration der bulgarischen Staatsangehörigen. Hätte der Regionalbeirat vom gesamten Sachverhalt Kenntnis gehabt, hätte er auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen und auf Grund der fortgeschrittenen Integration der beantragten bulgarischen Staatsangehörigen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet. Die Bescheidbegründung habe das Berufungsvorbringen, dass Bulgarien Beitrittswerber zur EU sei und daher die diesbezüglichen Abkommen zu beachten seien, nur mangelhaft beantwortet.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes verweist die beschwerdeführende Partei darauf, dass infolge einer "fortgeschritten Integration" der Ausländerin die Voraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG gegeben sei. Es sei die Rechtsansicht der belangten Behörde unrichtig, aus einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Asylgesetz sei kein Niederlassungsrecht abzuleiten. Als besonders integriert seien nach der Absicht des Gesetzgebers insbesondere Personen zu beurteilen, deren Beschäftigung im Hinblick auf ihre besondere Eingliederung in die österreichische Gesellschaft und ihren familiären Sorgepflichten geboten erscheine. Die Beschwerdeführerin (wohl gemeint: die Ausländerin) habe sich seit ihrer Kindheit jedes Jahr mehrere Monate mit Unterbrechungen in Österreich aufgehalten, weil sie auch zur Familie der Betriebsinhaber in einem Verwandtschaftsverhältnis stehe, die seit Jahren in Österreich lebe und voll integriert sei. Auf Grund des nahen Verwandtschaftsverhältnisses übernehme sie auch regelmäßig familiäre Sorgepflichten - wie dies eben unter Verwandten so üblich sei - wahr, weshalb eine fortgeschrittene Integration zu bejahen sei.

Gemäß § 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 28/2004, dürfen nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 13 weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und

1.  der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung einhellig

befürwortet, oder

2.  die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene

Integration geboten erscheint, oder

3.  die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 ausgeübt

werden soll, oder

4.  der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 erfüllt, oder

4a. der Ausländer Ehegatte oder Kind einer Schlüsselkraft gemäß § 2 Abs. 5

ist, oder

5.  die Beschäftigung auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung

ausgeübt werden soll, oder

6.  der Ausländer einer Personengruppe angehört, die auch nach Überziehung

der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).

Liegt eine der kumulativ genannten Voraussetzungen (Abs. 1 bis 3 leg. cit. und einer der Fälle der Z. 1 bis 6 leg. cit.) nicht vor, ist auf das Vorhandensein einer der anderen Voraussetzungen nicht mehr einzugehen.

Die bloße Tatsache der Überschreitung der Landeshöchstzahl für Wien im Jahr 2005 hat die beschwerdeführende Partei nicht in Frage gestellt. Unbestritten ist auch, dass der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet hat (§ 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG). Dass ferner einer der Fälle der Z. 3 bis 5 dieser Bestimmung im Beschwerdefall vorliege, hat die beschwerdeführende Partei weder vorgebracht, noch ergibt sich dies aus den Verwaltungsakten. Allein die Tatsache des konkreten Personalbedarfes und der besonderen Kenntnisse der beantragten Ausländerin reichen für die Annahme, sie erfülle die Voraussetzung des § 2 Abs. 5 AuslBG, nicht aus. In der Beschwerde wird konkret - abgesehen von pauschal gehaltenen Einwendungen gegen die Vollständigkeit der durchgeführten Ermittlungen - lediglich darauf verwiesen, dass die beantragte bulgarische Staatsangehörige bereits "regelmäßig seit Jahren" ihre Verwandten in Österreich besuche und jedes Mal innerhalb der Familie des Betriebsinhabers - wenn sie sich in Österreich aufhalte - regelmäßig familiäre Sorgepflichten wahrnehme. Es wird aber nicht in Abrede gestellt, dass die beantragte Ausländerin - wie dies bereits im erstinstanzlichen Verfahren unbestritten festgestellt worden war - lediglich einen Aufenthaltstitel gemäß § 19 Asylgesetz besitzt. § 19 Abs. 2 des Asylgesetzes - AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2001, aufgehoben durch BGBl. I Nr. 100/2005, wonach Asylwerber, deren Asylverfahren zugelassen ist (§ 24a), bis zum rechtskräftigen Abschluss oder der Einstellung des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, gewährt jedoch keinen endgültigen, sondern lediglich einen vorübergehenden, auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkten Aufenthaltstitel. Wie der Verwaltungsgerichthof in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen hat, kann auch bei länger dauerndem Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet, bedingt durch die lange Dauer seines Asylverfahrens, nicht ohne Weiteres von einer fortgeschrittenen Integration ausgegangen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. November 2005, Zl. 2004/09/0162, und die dort angegebene Judikatur).

Es trifft zwar zu, dass die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung die - nicht näher begründete - Behauptung aufgestellt hat, die Ausländerin sei bereits "fortgeschritten integriert", so dass die belangte Behörde aktenwidrigerweise davon ausgegangen ist, eine solche Behauptung sei nicht aufgestellt worden. Insoweit belastete sie ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel. Dennoch führte dieser Verfahrensmangel noch nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil er aus folgenden Erwägungen für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung ohne Relevanz ist:

In der Beschwerde führt die beschwerdeführende Partei nämlich ausdrücklich aus, dass sie im Falle der Unterlassung des von ihr gerügten Verfahrensfehlers und Einräumung des Parteiengehörs zur Frage der "fortgeschrittenen Integration" Folgendes vorgebracht hätte:

"Frau I hält sich seit ihrer Kindheit jedes Jahr mehrere Monate - mit Unterbrechungen - bei der Familie Ay in Österreich auf. Sie steht zur Familie Ay in einem Verwandtschaftsverhältnis und nimmt - wenn sie sich in Österreich aufhält - regelmäßig familiäre Sorgepflichten wahr. Da Frau I regelmäßig seit Jahren ihre Verwandten, also die Familie Ay, in Österreich besucht und die Familie Ay bereits viele Jahre in Österreich lebt, ist Frau I in Österreich bereits auch schon fortgeschritten integriert."

Dieser Sachverhalt ist aber nicht geeignet, darzulegen, dass die Beschäftigung der in Rede stehenden Ausländerin im Hinblick auf deren "fortgeschrittene Integration" im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG geboten erscheint. Diese Bestimmung wurde mit BGBl. I Nr. 126/2002 eingeführt. In den Erläuterungen (RV 1172 Blg NR 21. GP, S 45) wird dazu gesagt:

"Als besonders integriert können insbesondere Ausländer gelten, welche die Integrationsvereinbarung (§ 50a FrG) bereits erfüllt haben und schon längere Zeit im Bundesgebiet niedergelassen, aber noch nicht aufenthaltsverfestigt sind oder deren Zulassung zu einer Beschäftigung im Hinblick auf ihre besondere Eingliederung in die österreichische Gesellschaft und ihre familiären Sorgepflichten geboten erscheint."

Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, wie § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG zu verstehen ist. Wird nun das Vorbringen der Beschwerdeführerin an diesem Maßstab gemessen, so zeigt sich, dass der regelmäßige Besuch von Verwandten, aus dem sich keine familiären Sorgepflichtenableiten lassen, bei fehlender Niederlassung (Kurzbesuche führen nicht zu Niederlassung, auch Asylwerber sind nicht niedergelassen) und mangelnder besonderer Eingliederung in die österreichische Gesellschaft nicht als "fortgeschrittene Integration" im Sinne der Z. 2 leg. cit. beurteilt werden kann. Deshalb fehlt dem Verfahrensmangel im Ergebnis die Relevanz.

Insoweit die beschwerdeführende Partei die Verletzung des Parteiengehörs geltend macht, ist nicht zu erkennen; es wird von ihr auch in der Beschwerde nicht dargestellt, zu welchen konkreten - strittigen - Beweisergebnissen das Parteiengehör hätte eingeräumt werden müssen. Gegenstand des Parteiengehörs ist nämlich nur der von der Behörde letztlich angenommene Sachverhalt. Ebenso bleibt unklar, was die beschwerdeführende Partei mit dem Hinweis darauf zu erreichen beabsichtigt, das Heimatland der beantragten Ausländerin, in dem sie im Übrigen verfolgt zu sein behauptet, sei Beitrittswerber zur EU, zumal aus diesem Umstand allein nicht abzuleiten ist, dass Staatsangehörigen der zukünftigen Beitrittsländer bereits derzeit die Grundfreiheiten der EU gewährleitstet wären.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als nicht rechtswidrig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung § 41a AMSG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. November 2006

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005090136.X00

Im RIS seit

12.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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