TE OGH 1999/9/29 9ObA140/99z

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Veröffentlicht am 29.09.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Hübner und Dr. Alvarado-Dupuy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Heribert F*****, Soldat, *****, vertreten durch Dr. Norbert Lehner und Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Renate H*****, Kauffrau, Inhaberin der Firma P***** Nahrungsmittelvertrieb, *****, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner Rechtsanwälte OEG in Linz, wegen S 41.011,23 sA und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Streitwert S 10.000; Gesamtstreitwert S 51.011,23 sA) über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Februar 1999, GZ 9 Ra 348/98g-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Oktober 1998, GZ 4 Cga 9/97f-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage eines Betriebsüberganges im Sinne des § 3 AVRAG auf die beklagte Partei und somit deren Haftung (auch nach § 6 AVRAG) zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Das Berufungsgericht hat die Frage eines Betriebsüberganges im Sinne des Paragraph 3, AVRAG auf die beklagte Partei und somit deren Haftung (auch nach Paragraph 6, AVRAG) zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Für die richtlinienkonforme Auslegung des § 3 AVRAG sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zur Richtlinie 77/187/EWG maßgeblich (RIS-Justiz RS00102121; 9 ObA 153/98k). Der EuGH sieht das Phänomen der "Übertragung" in einem weiten Sinn und verlangt hiefür weder Veräußerung noch Eigentumswechsel. Es kann daher festgehalten werden, daß nach österreichischer Rechtslage schon insoweit eine umfassende Einbeziehung aller erdenklichen Phänomene erreicht wird, als das Gesetz offensichtlich auf das Faktum der Übertragung und nicht auf einen rechtlichen Anhaltspunkt abstellt (9 ObA 153/98k mwN). Es liegt daher eine Übertragung auch dann vor, wenn - wie im vorliegenden Fall - einzelne Betriebsmittel aufgrund einer besonderen Nutzungsvereinbarung dem Übergeber zur Verfügung standen und demzufolge vom Übernehmer nur "zurückgenommen" wurden. Insbesondere kann nicht übersehen werden, daß die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Kundenkartei durch die Übergebergesellschaft nicht bloß verwendet, sondern durch die Tätigkeit des Klägers als Vertreter ständig erweitert worden ist. Der Revisionswerberin ist wohl dahin beizupflichten, daß unter wirtschaftlicher Einheit nicht nur eine bloße Tätigkeit zu verstehen ist (EuGH vom 11. 3. 1997, C-13/95 Suezen), doch geht auch das Berufungsgericht nicht davon aus. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (EuGH vom 11. 3. 1997, C-13/95 Suezen mwN; 9 ObA 193/98t = ARD 4984/12/98). Es kann daher auch dann ein Betriebsübergang vorliegen, wenn Betriebsmittel nicht übergehen (9 ObA 193/98t). Der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, wonach eine elektronisch erfaßte Kundenkartei, ein PC, die Hälfte der bisher verwendeten Gefriertruhen, Leihpizzaöfen und ein - ortskundiger und als einziger in dieser Funktion tätiger - Chauffeur der Pizzavertriebsorganisation eine wirtschaftliche Einheit selbst dann darstellen, wenn der mit Kühleinrichtungen versehene, der Auslieferung dienende Klein-LKW und eine Lagerhalle nicht mitübergehen, ist bei Anwendung vorgenannter Kriterien beizupflichten. Dazu kommt noch, daß die Übergebergesellschaft ihre Tätigkeit über Ersuchen und auf Kosten der beklagten Partei noch einen Monat länger als beabsichtigt weiterführte, und die Beklagte bemüht war, den Kläger in seiner bisherigen Funktion als Außenvertreter zu erhalten, worin ebenfalls die Absicht der Beklagten dokumentiert wird, den Betrieb weiterzuführen, nicht jedoch diesen stillzulegen oder zu zerschlagen (9 ObA 193/98t).Für die richtlinienkonforme Auslegung des Paragraph 3, AVRAG sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes zur Richtlinie 77/187/EWG maßgeblich (RIS-Justiz RS00102121; 9 ObA 153/98k). Der EuGH sieht das Phänomen der "Übertragung" in einem weiten Sinn und verlangt hiefür weder Veräußerung noch Eigentumswechsel. Es kann daher festgehalten werden, daß nach österreichischer Rechtslage schon insoweit eine umfassende Einbeziehung aller erdenklichen Phänomene erreicht wird, als das Gesetz offensichtlich auf das Faktum der Übertragung und nicht auf einen rechtlichen Anhaltspunkt abstellt (9 ObA 153/98k mwN). Es liegt daher eine Übertragung auch dann vor, wenn - wie im vorliegenden Fall - einzelne Betriebsmittel aufgrund einer besonderen Nutzungsvereinbarung dem Übergeber zur Verfügung standen und demzufolge vom Übernehmer nur "zurückgenommen" wurden. Insbesondere kann nicht übersehen werden, daß die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Kundenkartei durch die Übergebergesellschaft nicht bloß verwendet, sondern durch die Tätigkeit des Klägers als Vertreter ständig erweitert worden ist. Der Revisionswerberin ist wohl dahin beizupflichten, daß unter wirtschaftlicher Einheit nicht nur eine bloße Tätigkeit zu verstehen ist (EuGH vom 11. 3. 1997, C-13/95 Suezen), doch geht auch das Berufungsgericht nicht davon aus. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (EuGH vom 11. 3. 1997, C-13/95 Suezen mwN; 9 ObA 193/98t = ARD 4984/12/98). Es kann daher auch dann ein Betriebsübergang vorliegen, wenn Betriebsmittel nicht übergehen (9 ObA 193/98t). Der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, wonach eine elektronisch erfaßte Kundenkartei, ein PC, die Hälfte der bisher verwendeten Gefriertruhen, Leihpizzaöfen und ein - ortskundiger und als einziger in dieser Funktion tätiger - Chauffeur der Pizzavertriebsorganisation eine wirtschaftliche Einheit selbst dann darstellen, wenn der mit Kühleinrichtungen versehene, der Auslieferung dienende Klein-LKW und eine Lagerhalle nicht mitübergehen, ist bei Anwendung vorgenannter Kriterien beizupflichten. Dazu kommt noch, daß die Übergebergesellschaft ihre Tätigkeit über Ersuchen und auf Kosten der beklagten Partei noch einen Monat länger als beabsichtigt weiterführte, und die Beklagte bemüht war, den Kläger in seiner bisherigen Funktion als Außenvertreter zu erhalten, worin ebenfalls die Absicht der Beklagten dokumentiert wird, den Betrieb weiterzuführen, nicht jedoch diesen stillzulegen oder zu zerschlagen (9 ObA 193/98t).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung war zu beachten, daß der von der klagenden Partei gewählte überhöhte Ansatz nicht nachvollziehbar ist und die Geltendmachung eines 60 % übersteigenden Einheitssatzes einer gesetzlichen Grundlage entbehrt.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung war zu beachten, daß der von der klagenden Partei gewählte überhöhte Ansatz nicht nachvollziehbar ist und die Geltendmachung eines 60 % übersteigenden Einheitssatzes einer gesetzlichen Grundlage entbehrt.

Anmerkung

E55490 9ObA140.99z

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:009OBA00140.99Z.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19990929_OGH0002_009OBA00140_99Z0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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