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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
UVPG 2000 §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der B GmbH, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 17. Mai 2006, Zl. US 3B/2005/19-20, betreffend Einwendungen gegen ein Vorhaben zur Errichtung und zum Betrieb einer Starkstromleitung (mitbeteiligte Partei: A GmbH, vertreten durch H/N & Partner, Rechtsanwälte GmbH), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Mit der am 9. April 2004 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingelangten Eingabe beantragte die mitbeteiligte Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer 380-kV-Starkstromleitung zwischen dem Schaltwerk E und dem neu zu errichtenden Umspannwerk T in einer Länge von 16,7 km nach dem UVP-G 2000. Die Trasse der Hochspannungsfreileitung soll zwischen den geplanten Leitungsmasten Nr. 123 und 124 nahe dem Grundstück Nr. 687/17, KG Getzersdorf, der Antragstellerin (Beschwerdeführerin) verlaufen. Auf diesem Grundstück befinden sich Wohngebäude sowie ein Reitstall und ein Pferdezuchtbetrieb. Die Trassenachse der geplanten 380-kV-Starkstromleitung ist in einem Abstand von rd. 50 m bis 125 m von diesen Gebäuden geplant.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen das geplante Vorhaben der mitbeteiligten Partei Einwendungen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Juli 2005 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Bewilligung gemäß § 17 UVP-G 2000 unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.
In der dagegen erhobenen Berufung beantragte die Beschwerdeführerin die Abweisung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Bewilligung wegen der beim Betrieb der Starkstromleitung durch die entstehenden elektromagnetischen Felder, den Lärm sowie die Ozonbelastung zu erwartenden Gesundheitsgefährdung. Auch eine Gefährdung ihres Eigentums wurde behauptet.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen.
Gleichzeitig mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass auf Basis des angefochtenen Bescheides nach entsprechender Antragstellung durch die mitbeteiligte Partei mit der Einräumung von Zwangsrechten und mit der Realisierung des Vorhabens zu rechnen sei. Die vorgelegten Beweismittel belegten, dass nicht nur eigentumsgefährdende und existenzbedrohende, sondern auch gesundheitsgefährdende, möglicherweise sogar schwerwiegendere Einwirkungen auf die Bewohner des beschwerdegegenständlichen Grundstückes zu erwarten seien. Vermutlich träten solche Folgen auch bei den Reitpferden ein. Durch den Betrieb der Starkstromleitung würde sich ein irreversibler Schaden für die Beschwerdeführerin ergeben. Zwingende öffentliche Interessen stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen, zumal die mitbeteiligte Partei über genügend Leitungskapazitäten verfüge.
Die mitbeteiligte Partei sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und wies darauf hin, dass durch die Verzögerung des bewilligten Ausbaus der Starkstromleitung die Sicherheit der Versorgung eines zentralen Gebietes in Niederösterreich mit Strom gefährdet wäre. Der Ausbau des Starkstromnetzes sei ein entscheidender Beitrag zur Gewährleistung der dringlich gebotenen Versorgungssicherheit. Eine Verzögerung des Baus der Starkstromleitung würde insbesondere wegen der zu erwartenden Baukostensteigerungen für die mitbeteiligte Partei unmittelbar drohende betriebswirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen.
Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren die Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen hat. Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben daher bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 122). Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hierbei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. etwa die Beschlüsse vom 24. Mai 1978, Zl. 890/78, und vom 2. April 1994, Zl. AW 94/17/0008).
Im Beschwerdefall ist im Hinblick auf das durch fachkundige Stellungnahmen belegte Vorbringen der mitbeteiligten Partei davon auszugehen, dass öffentliche Interessen an der Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Starkstromleitung bestehen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um zwingende öffentliche Interessen i. S. des § 30 Abs. 2 VwGG, weshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen war. Solche zwingende öffentliche Interessen werden von der mitbeteiligten Partei auch nicht behauptet.
Bei der gebotenen Interessenabwägung ist allgemein davon auszugehen, dass das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG als ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element anzusehen ist. Die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 25. Februar 1981 - verstärkter Senat -, Slg. Nr. 10.381/A, und vom 2. Jänner 1995, Slg. Nr. 11.632/A). Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei aus, wenn der ihr durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Beschwerde nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte, während vom Standpunkt der öffentlichen Interessen oder etwa auch der Interessen eines Mitbeteiligten ein Zuwarten mit der Durchsetzung des normativen Gehaltes des Bescheides hingenommen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 25. März 2003, Zl. AW 2002/04/0046).
Bei Vornahme der Interessensabwägung war zunächst zu beachten, dass im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Partei die Folgen einer dann allenfalls gegebenen Konsenslosigkeit der zwischenzeitig ausgeführten Vorhabens zu tragen hat. Die durch die Errichtung der Anlage eintretenden Veränderungen sind grundsätzlich nicht irreversibel. Gegenteiliges wird auch von der Beschwerdeführerin nicht begründet dargelegt.
Aber auch die zu erwartenden, von der Beschwerdeführerin als Gefährdungen behaupteten Emissionen beim Betrieb der bewilligten Anlage rechtfertigen die geforderte Maßnahme nicht. Mit den beim Betrieb der Anlage zu erwartenden Emissionen und deren Auswirkungen beim Grundstück der Beschwerdeführerin hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid umfangreich auseinander gesetzt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag ist nicht geeignet, die Beweiswürdigung der Behörde von vornherein als unschlüssig zu erkennen. Daran ändern auch nichts die mit dem Antrag von der Beschwerdeführerin vorgelegten Sachverständigengutachten, in denen konkrete, nachvollziehbare Angaben für eine mögliche Beurteilung eines unmittelbar drohenden Nachteils der Beschwerdeführerin für die Dauer des Beschwerdeverfahrens fehlen.
Während die massiven Interessen der mitbeteiligten Partei auf der Hand liegen, lässt sich ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der Beschwerdeführerin durch die Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung nicht erkennen.
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war somit abzuweisen.
Wien, am 21. November 2006
Schlagworte
Interessenabwägung Besondere Rechtsgebiete Diverses Zwingende öffentliche Interessen Unverhältnismäßiger NachteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:AW2006050057.A00Im RIS seit
25.01.2007Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008