Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth L***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei U***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Hans-Peter Benischke und Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 117.999,70 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 4. Juni 1998, GZ 6 R 12/98-50, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. November 1997, GZ 22 Cg 239/94k-45, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei wegen mangelhafter Absicherung der Fahrbahn, aus der ein Kanaldeckel herausragte, Zahlung von insgesamt S 117.999,70 sA. Sie sei mit ihrem Fahrzeug gegen den Kanaldeckel gefahren.
Die beklagte Partei wendete ein, zur Unfallszeit für die Unfallstelle nicht mehr verantwortlich gewesen zu sein.
Das Erstgericht hat im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren (neuerlich) abgewiesen. Es traf - soweit für das Rekursverfahren noch von Interesse - nachstehende Feststellungen:
Im Jahr 1992 wurde die beklagte Partei vom Magistrat der Stadt Graz (Kanalbauamt) beauftragt, Grabungsarbeiten zur Errichtung eines Straßenkanales vorzunehmen. Die beklagte Partei führte zunächst Grabungsarbeiten durch und verlegte einen öffentlichen Kanal und brachte sodann einen Schotterkoffer mit Feinplanie an. Am 6. 4. 1992 erfolgte eine Teil-Leistungsabnahme für einen Kanalstrang. Zu diesem Zeitpunkt ragten die Kanaldeckel 10 bis 15 cm über die Feinplanie hinaus und waren mit Schotter angerampt; sie bildeten daher keine stufenförmigen Erhebungen. Am unfallsgegenständlichen Kanaldeckel wurde die Schotteranrampung zwischen der Teil-Leistungsabnahme und dem Unfallstag, dem 24. 7. 1992, durch Witterungseinflüsse bzw Fahrzeugverkehr teilweise entfernt. Am 28. 7. 1992 setzte die beklagte Partei die Straßenbauarbeiten fort, die Endabnahme durch den Magistrat der Stadt Graz erfolgte am 20. 11. 1992.
Das Erstgericht erörterte rechtlich, dass die Verkehrssicherungspflicht des Bauführers mit dem Abschluss der Arbeiten und der Verständigung der Behörde ende, falls diese nicht wissen habe können, dass sich die Gefahrenstelle nach Beendigung der Straßenbauarbeiten in ungesichertem Zustand befunden habe.
Das Berufungsgericht hob mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Verhandlung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Berufungsgericht verwies auf die vom Erstgericht zitierte ständige Rechtsprechung, dass dem Bauführer die Verkehrssicherungspflicht bis zum Abschluss der Straßenbauarbeiten und der Verständigung des Straßenerhalters als Bauherrn treffe. Berücksichtige man, dass die Niederschrift des Magistrates der Stadt Graz zur Teil-Leistungsabnahme vom 6. 4. 1992 den Straßenzustand nicht einmal erwähne, folge daraus zwingend, dass nicht dieser, sondern vielmehr lediglich ein Kanalstrang einer Überprüfung unterzogen worden sei. Eine Teil-Leistungsabnahme in Ansehung des Straßenzustandes habe nicht stattgefunden. Die der beklagten Partei obliegende Verkehrssicherungspflicht sei durch die Teil-Leistungsabnahme nicht aufgehoben worden. Sie habe deren bindend festgestellte Verletzung zu vertreten.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine Teil-Leistungsabnahme dem Abschluss der Straßenbauarbeiten und der Verständigung des Straßenerhalters als Bauherrn gleichzusetzen sei und damit die Verkehrssicherungspflicht wieder auf den Bauherrn überwälzt werde, fehle.
Die beklagte Partei beantragt in ihrem Rechtsmittel den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die klagende Partei verweist in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des von der beklagten Partei erhobenen Rekurses und beantragt diesen zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dauert die Verkehrssicherungspflicht des Bauführers nicht nur bis zur tatsächlichen Beendigung der Arbeiten, sondern zumindest bis zur Verständigung der Straßenverkehrsbehörde hievon (SZ 34/179; SZ 53/49; ZVR 1965/191; RIS-Justiz RS0022982).
Ob aber im konkreten Fall eine endgültige Fertigstellung der Arbeiten und die erforderliche Verständigung des Straßenerhalters erfolgte, lässt sich nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalles feststellen und betrifft somit keine erhebliche Rechtsfrage. Nach den hier getroffenen Feststellungen wurde mit der Teil-Leistungsabnahme vom 6. 4. 1992 lediglich die erfolgte Fertigstellung des Kanals überprüft. Wie sich aus dem Begriff "Teil-Leistungsabnahme" ergibt, waren sohin die der beklagten Partei übertragene Bauarbeiten zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet, weshalb sie von ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht entbunden war.
Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit des Rekurses verwiesen hat, waren ihr die Kosten der Rekursbeantwortung zuzuerkennen.
Anmerkung
E55540 02A02858European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1999:0020OB00285.98W.1021.000Dokumentnummer
JJT_19991021_OGH0002_0020OB00285_98W0000_000