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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Nedeljko B in T, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 15. Dezember 2004, GZ. RV/0607-W/04, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 1998 bis 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger S, ist seit dem 8. Juni 1990 in Österreich in einer unentgeltlichen Firmenunterkunft wohnhaft und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Bauarbeiter. Am 10. Juni 1993 verehelichte er sich. Seine Ehefrau lebt mit zwei, in den Jahren 1995 und 1996 geborenen, Kindern in seinem Heimatstaat. Dort betreibt die Ehefrau eine Landwirtschaft zum Zwecke der Eigenversorgung.
In den am 17. September 2002 eingereichten Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Streitjahre machte der Beschwerdeführer - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - Aufwendungen (24 Fahrten a EUR 60,-- per anno) für Familienheimfahrten als Werbungskosten geltend.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen. Die belangte Behörde führte aus, der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, eine Übersiedlung der ganzen Familie sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar gewesen, weil im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz im Heimatstaat die Ehefrau und zwei unterhaltspflichtige Kinder wohnten. Dies entspräche auch der Rechtsauffassung des Bundesministers für Finanzen. Darüber hinaus sei auf Grund der fremdenrechtlichen Bestimmungen im Falle einer Familienzusammenführung nach Österreich wegen der geringen Quotenplätze mit mehrjährigen, bis zu jahrzehntelangen Wartezeiten zu rechnen. Der Beschwerdeführer habe die Auffassung vertreten, vor diesem rechtlichen und faktischen Hintergrund sei ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich nicht zumutbar gewesen.
Auf den Vorhalt, dass einem Alleinstehenden die Kosten von monatlichen Fahrten zur Wohnung im Heimatort im Regelfall nur über einen Zeitraum von einem halben Jahr als Werbungskosten zugebilligt würden, habe der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf die fremdenrechtlichen Restriktionen und die Unwirtschaftlichkeit der Wohnsitzverlegung auf Grund des Einkommensgefälles geantwortet.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, weshalb er als Alleinstehender sich nicht bereits im Jahr 1990 um einen entsprechenden Wohnsitz im Inland bemüht habe. Allerdings sei wohl klar, dass wirtschaftliche, soziologische, kulturelle und ähnliche Gründe hiefür ausschlaggebend gewesen seien. Auch wenn infolge des Ausländerstatus gewisse Schwierigkeiten bei der Wohnungsbeschaffung einkalkuliert würden, ergäben sich bis zur Verehelichung des Beschwerdeführers nicht vertretbare drei Jahre. Es sei daher davon auszugehen, dass spätestens im Jahr 1991 vom Beschwerdeführer schlüssig bekundet worden sei, dass er kein Interesse an einer Aufgabe seines Wohnsitzes in seinem Heimatstaat habe. Damit seien die Kosten für Familienheimfahrten im strittigen Zeitraum keinesfalls abzugsfähig, weil ein Konnex mit der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers bereits seit 1991 nicht mehr bestehe. Es lägen typische, nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 vor. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes auf Dauer, weil dort ein Eigenheim errichtet worden sei und die Kinder die Schule besuchten, sei ausschließlich privat veranlasst. Die damit verbundenen Aufwendungen seien nicht abzugsfähig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer hält seinen im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt aufrecht, wonach die Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes auf Dauer in privaten Umständen begründet sein könne.
Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e leg. cit. sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen (nach § 124a Z. 3 EStG 1988 für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1995 enden).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nach dieser ständigen Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 20. Dezember 2000, 97/13/0111, vom 27. Mai 2003, 2001/14/0121, vom 20. April 2004, 2003/13/0154, und vom 18. Oktober 2005, 2005/14/0046). Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten. Solche Umstände können auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung rechtfertigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z. 6, Tz 3, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache desjenigen Steuerpflichtigen, der die - grundsätzlich nie durch die Erwerbstätigkeit veranlasste - Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen. Die berufliche Veranlassung von Aufwendungen, denen nach dem ersten Anschein eine nicht berufliche Veranlassung zu Grunde liegt, ist vom Steuerpflichtigen darzustellen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. April 2004, 2003/13/0154, m.w.N.).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als begründet. Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Fahrtaufwendungen für Familienheimfahrten im Beschwerdefall einerseits deswegen ab 1991 nicht mehr abzugsfähig seien, weil der Beschwerdeführer als damals Alleinstehender es unterlassen habe, seinen Wohnsitz an den Ort der Beschäftigung zu verlegen und andererseits die Beibehaltung des Familienwohnsitzes seit der Verehelichung privat veranlasst sei. Damit hat sie aber verkannt, dass auch eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung aus privaten Gründen gerechtfertigt sein kann. Ausgehend von der nicht zu teilenden Rechtsauffassung hat die belangte Behörde sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der rechtlichen Hindernisse der Erlangung einer unbefristeten Aufenthaltsbewilligung für sich und seine Familie (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2005, 2005/14/0039), ebenso wenig auseinander gesetzt wie mit dem Vorbringen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers am Familienwohnsitz im Heimatstaat einen landwirtschaftlichen Betrieb, der in erster Linie der Eigenversorgung diene, bewirtschafte und dort nicht nur seine Ehefrau, sondern auch zwei minderjährige, unterhaltsberechtigte Kinder wohnten sowie der behaupteten wirtschaftlich beengten Situation (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, 2005/14/0046).
Dadurch hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. November 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005150011.X00Im RIS seit
27.12.2006Zuletzt aktualisiert am
03.03.2010