TE OGH 1999/11/17 9ObA237/99i

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Veröffentlicht am 17.11.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Jörg Krainhöfner und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut Sch*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R***** K*****, vertreten durch den Präsidenten Ing. Hans K*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung bzw Kündigungsanfechtung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Mai 1999, GZ 9 Ra 59/99h-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. September 1998, GZ 6 Cga 265/97t-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.020 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.670 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer verpönten Motivkündigung und die Sozialwidrigkeit der Kündigung zutreffend verneint. Insoweit kann auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer verpönten Motivkündigung und die Sozialwidrigkeit der Kündigung zutreffend verneint. Insoweit kann auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (Paragraph 510, Absatz 3, zweiter Satz ZPO).

Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:

Zur Verständigung von der beabsichtigten Kündigung ist der Inhaber des Betriebes verpflichtet, dem der Arbeitnehmer arbeitsverfassungsrechtlich zugehörig ist (Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG Handkommentar 658). Dies war die beklagte Partei = der Landesverband, als dessen Organ nach der Satzung der Arbeitsausschuß für die Aufnahme und Kündigung von Dienstnehmern des Landesverbandes zuständig ist. Das bedeutet, daß die Kündigungsabsicht des Landesverbandes durch den zuständigen Betriebsinhaber dem Betriebsrat bekanntgegeben wurde. Ob nach der betriebsinternen Organisationsstruktur ein Organ des Betriebsinhabers für die Kündigung zuständig war, hatte nicht zur Folge, daß ausschließlich das Organ die nach dem Gesetz dem Betriebsinhaber vorbehaltene Mitteilung der Kündigungsabsicht an den Betriebsrat an seiner Stelle vorzunehmen hatte. Es ist auch zwischen Kündigungsabsicht und dem Ausspruch der Kündigung zu unterscheiden, so daß die Kündigungsabsicht auch ohne den dann zur Wirksamkeit des Ausspruches der Kündigung erforderlichen Beschluß des Arbeitsausschusses bekanntgegeben werden konnte. Da der Präsident den Landesverband nach außen vertritt, besteht kein Zweifel, daß die Kündigungsabsicht dem Betriebsrat auch durch das zuständige Vertretungsorgan der beklagten Partei mitgeteilt wurde. Daß die Kündigungsabsicht unter dem Vorbehalt der Entscheidung des Arbeitsausschusses mitgeteilt wurde, steht ihrer Rechtswirksamkeit nicht entgegen, weil die Mitteilung der Kündigungsabsicht des Betriebsinhabers nur eine Absichtserklärung ist, die auch ohne Beisetzung von Bedingungen mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist. Daher besteht auch kein Hindernis, sie bedingt auszusprechen, soferne nur eine aktuelle Kündigungsabsicht besteht (Infas 1991 A 24 = DRdA 1991, 164 [Ritzberger-Moser]).

Die Verständigung des Betriebsrates von der beabsichtigten Kündigung hat eindeutig, bestimmt und verständlich zu sein, wobei es nicht auf den Wortlaut der Erklärung, sondern darauf ankommt, wie diese objektiv zu verstehen ist (SZ 63/172). Daß mit dem Schreiben vom 27. 8. 1997 eine Kündigungsabsicht geäußert und auch in diesem Sinne vom Betriebsrat, worauf es ankommt, verstanden wurde, ergibt sich aus den Feststellungen und der Äußerung des Betriebsrates. Vor allem die Mitteilung durch den Betriebsinhaber an den Betriebsrat macht deutlich, daß zwar die Bezirksstelle den Antrag auf Kündigung stellte, der letzten Endes zur Kündigung berechtigte Betriebsinhaber jedoch im Sinne des ArbVG die Kündigungsabsicht dem Betriebsrat bekanntgab.

Ob die im Verfahren vorgelegten Protokolle (Beilage 3 und 5) unterschrieben sind oder nicht, ändert nichts daran, daß die Tatsacheninstanzen nach der vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung feststellten, daß in der Sitzung des Arbeitsausschusses die Kündigung des Klägers für den Fall, daß keine einvernehmliche Lösung gefunden wird, beschlossen wurde. Da diese Feststellung nicht nur auf einer Urkundenauslegung, sondern der Aussage des Präsidenten der beklagten Partei beruht, fehlt die Möglichkeit, aus der Urkunde allein andere Feststellungen zu treffen. In Wahrheit wendet sich der Revisionswerber mit diesen Ausführungen gegen die nicht revisible Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen.

Voraussetzung einer verpönten Motivkündigung ist unter anderem, daß die Ansprüche des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber in Frage gestellt werden. Ein "Infragestellen" liegt nicht vor, wenn der Dienstgeber versucht, eine gesetzlich nicht unzulässige Verschlechterung der Entgeltbedingungen durch eine einvernehmliche Vertragsänderung zu erreichen, die vertragsmäßigen Ansprüche zwar nicht zahlt, aber die Kündigung nicht wegen der Geltendmachung der vertragsgemäßen Ansprüche, sondern wegen der Ablehnung des Anbotes auf Vertragsänderung erfolgt (Arb 11.092 = SZ 66/83). Ob die Kündigung in Form einer Änderungskündigung ausgesprochen wird, ist unerheblich.

Sozialwidrigkeit erblickt der Revisionswerber darin, daß das unter Einschluß der seinerzeitigen Überstundenpauschalvereinbarung entsprechende Entgelt durch den Wegfall des Arbeitsplatzes an einem neuen Arbeitsplatz nicht erzielt werden könnte und darin eine soziale Benachteiligung liege. Eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn unter Anlegung eines objektiven Maßstabes die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, daß sie eine fühlbare ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne daß eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müßte (SZ 61/213, 63/140).

Da jede Kündigung die Interessen eines Dienstnehmers beeinträchtigt und damit soziale Nachteile verbunden sind, darf nicht übersehen werden, daß diese normalen Nachteile nicht ausreichen, um das Tatbestandselement der "sozial nachteiligen Kündigung" zu erfüllen. Es müssen vielmehr Umstände vorliegen, die über das normale Maß hinaus eine Kündigung für den Arbeitnehmer nachteilig machen (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG III 226; 9 ObA 145/99k). Von entscheidender Bedeutung ist, daß die Interessen des Arbeitnehmers mit dem Arbeitsleben in Verbindung stehen und schutzwürdig im Sinne der Vermeidung einer sozialwidrigen Kündigung sind (Kuderna, Die sozial ungerechtfertigte Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, DRdA 1975, 9 ff [12]).Da jede Kündigung die Interessen eines Dienstnehmers beeinträchtigt und damit soziale Nachteile verbunden sind, darf nicht übersehen werden, daß diese normalen Nachteile nicht ausreichen, um das Tatbestandselement der "sozial nachteiligen Kündigung" zu erfüllen. Es müssen vielmehr Umstände vorliegen, die über das normale Maß hinaus eine Kündigung für den Arbeitnehmer nachteilig machen (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG römisch III 226; 9 ObA 145/99k). Von entscheidender Bedeutung ist, daß die Interessen des Arbeitnehmers mit dem Arbeitsleben in Verbindung stehen und schutzwürdig im Sinne der Vermeidung einer sozialwidrigen Kündigung sind (Kuderna, Die sozial ungerechtfertigte Kündigung nach Paragraph 105, Absatz 3, Ziffer 2, ArbVG, DRdA 1975, 9 ff [12]).

Im vorliegenden Fall kann der Kläger ausgehend von dem von ihm bisher bezogenen Grundgehalt von S 17.300 brutto sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in seinem bisherigen Beruf als Kraftfahrer im Sanitätsdienst einen Arbeitsplatz, wenn auch nach ca sechsmonatiger Arbeitsplatzsuche erhalten. Da Überstunden nur bei Bedarf geleistet werden, könnte der Kläger, wenn auch nach etwa einem Jahr beim Arbeiter-Samariterbund eine Überstundenregelung mit einem Gesamtverdienst von S 16.000 bis S 17.000 netto erzielen.

Dennoch ist Sozialwidrigkeit nicht gegeben.

Der Bezug eines Überstundenpauschales ist in der Regel nicht an den Nachweis einer bestimmten Mehrdienstleistung geknüpft. Da bei Prüfung der Interessenbeeinträchtigung jedoch ein objektiver Maßstab an die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles anzulegen ist, ist im vorliegenden Fall die Feststellung nicht zu übersehen, daß der Kläger dieses Pauschale ausdrücklich für bestimmte Tätigkeiten erhielt, die letztlich in Wegfall geraten sind. Das Überstundenpauschale sollte nämlich die Teilfunktionen des Klägers als "Bezirksstellensekretär" abgelten (vgl S 211 und 359 dA). Daher war dieses Pauschale in Wahrheit kein leistungsunabhängiges Entgelt, auch wenn es in den Begriff "Überstundenpauschale" gekleidet war, sondern eine Abgeltung der "Mehrfunktionen" und somit auch von dieser Mehrtätigkeit abhängig. Entfiel diese, bestand auch keine Grundlage für das zweckbestimmte Zusatzentgelt.Der Bezug eines Überstundenpauschales ist in der Regel nicht an den Nachweis einer bestimmten Mehrdienstleistung geknüpft. Da bei Prüfung der Interessenbeeinträchtigung jedoch ein objektiver Maßstab an die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles anzulegen ist, ist im vorliegenden Fall die Feststellung nicht zu übersehen, daß der Kläger dieses Pauschale ausdrücklich für bestimmte Tätigkeiten erhielt, die letztlich in Wegfall geraten sind. Das Überstundenpauschale sollte nämlich die Teilfunktionen des Klägers als "Bezirksstellensekretär" abgelten vergleiche S 211 und 359 dA). Daher war dieses Pauschale in Wahrheit kein leistungsunabhängiges Entgelt, auch wenn es in den Begriff "Überstundenpauschale" gekleidet war, sondern eine Abgeltung der "Mehrfunktionen" und somit auch von dieser Mehrtätigkeit abhängig. Entfiel diese, bestand auch keine Grundlage für das zweckbestimmte Zusatzentgelt.

Darüber hinaus hätte der Kläger nach den Feststellungen beim Arbeiter-Samariterbund nicht nur den gleichen Grundgehalt neben den in den Sanitätsberufen üblichen Zulagen erzielen können, sondern wäre nach etwa einem Jahr bei entsprechendem Engagement in der Lage gewesen, ca 16.000 S bis 17.000 S netto ins Verdienen zu bringen. Unter Inkaufnahme einer zeitlich verzögerten Erzielung hätte er daher ein im wesentlichen adäquates Einkommen beziehen können (Schwarz aaO 228). Auch in diesem Falle wäre eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung nicht gegeben gewesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E56284 09B02379

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:009OBA00237.99I.1117.000

Dokumentnummer

JJT_19991117_OGH0002_009OBA00237_99I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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