TE OGH 1999/11/23 1Ob302/99i

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Veröffentlicht am 23.11.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael O*****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 95.364,91 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Juli 1999, GZ 1 R 113/99y-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16. Februar 1999, GZ 9 Cg 178/98f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 5.072,-- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz im Betrag von letztlich S 95.364,91 sA. Er sei zur Zahlung des Kaufpreises für mehrere Paar Schi verurteilt worden, obwohl der Kaufpreis noch nicht fällig gewesen sei. Die im Anlassverfahren klagende Partei habe nämlich den Austausch mehrerer Paar Schi zugesagt, was als Zusage zu einer Mängelbehebung zu werten gewesen sei; dies habe die Fälligkeit des Kaufpreises hinausgeschoben. Die im Anlassverfahren tätig gewordenen Gerichte hätten dennoch in völlig unvertretbarer Rechtsansicht die Fälligkeit des Kaufpreises bejaht, was das nunmehrige Amtshaftungsbegehren des Klägers rechtfertige.

Die beklagte Partei wendete ein, dass die von den Gerichten im Anlassverfahren vorgenommene rechtliche Beurteilung des Sachverhalts richtig, jedenfalls aber vertretbar gewesen sei. Die im Anlassverfahren klagende Partei habe sich dem Kläger gegenüber im Kulanzweg zum Austausch von Schiern unabhängig davon verpflichtet, ob diese mangelhaft gewesen seien; die Fälligkeit des Kaufpreises sei durch diese Vereinbarung nicht hinausgeschoben worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es erscheine naheliegend, dass die Modifikation der Leistungspflicht des Verkäufers im Lieferzeitpunkt auch den Zeitpunkt der Fälligkeit der Gegenleistung (= Kaufpreis) beeinflusse. Unter Berücksichtigung der besonderen Situation und des Einzelfalls sei eine Verschiebung der Fälligkeit des Kaufpreises bis zur Lieferung der ausgetauschten Schi aber keineswegs zwingend, zumal eine Mangelhaftigkeit der Geräte nicht erwiesen sei. Ohne hervorgekommenen Mangel fehle aber die Grundlage für einen Gewährleistungsanspruch und ein daraus abzuleitendes Leistungsverweigerungsrecht. Die Vereinbarung einer Kulanzleistung sei keinen zwingenden gesetzlichen Normen zu unterstellen; sie sei im Einzelfall auszulegen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es sei richtig, dass ein Gewährleistungsberechtigter den Kaufpreis bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrags, also bis zur Verbesserung der mangelhaften Ware, zurückbehalten könne. Die Kaufvertragsparteien seien sich jedoch nicht sicher gewesen, ob die dem Kläger gelieferten Schi einen Qualitätsmangel aufwiesen, weshalb zur Streitbereinigung das Anbot auf Austausch der Schi gemacht worden sei; die Austauschvereinbarung sei unter der stillschweigenden Bedingung, die vom Kläger gekauften Schi seien mit einem Produktionsfehler behaftet gewesen, geschlossen worden. Die vom Berufungsgericht im Anlassverfahren vertretene Ansicht, es läge eine aus Gründen der Kulanz getätigte Zusage des Austausches der Schi vor, sei jedenfalls vertretbar und könne einen Amtshaftungsanspruch des Klägers nicht begründen. Die Umtauschvereinbarung sei nämlich unter Berücksichtigung der weiteren Feststellungen zu werten. Die vom Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes eingewendete Gegenforderung (Verdienstentgang) sei schon deshalb nicht begründet gewesen, weil es an einem Verschulden des Verkäufers gemangelt habe und das Vorliegen eines Verschuldens im übrigen gar nicht behauptet worden sei. Einen Verzögerungsschaden (wegen verspäteter Erfüllung der Austauschzusage) habe der Berufungswerber des Anlassverfahrens nicht ausreichend konkretisiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Im Amtshaftungsverfahren ist nicht die Richtigkeit der Rechtsauffassung der im Anlassverfahren tätig gewordenen Gerichte zu prüfen, sondern die Vertretbarkeit der von ihnen im Rahmen ihrer Entscheidungen geäußerten Rechtsmeinung. Nicht jedes objektiv unrichtige Organverhalten schließt im Bereich der Rechtsanwendung schon ein amtshaftungsbegründendes Verschulden mit ein. Amtshaftung scheidet dann aus, wenn die Entscheidung des Organs auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte. Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 60/98z mwN; Schragel AHG2 Rz 147). Die Gerichte des Anlassverfahrens hatten eine Vereinbarung von Vertragsparteien auszulegen. Diese Vertragsauslegung hält sich durchaus im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 914 ABGB. Ob hier eine andere Auslegung eher gerechtfertigt gewesen wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (4 Ob 1604/95). Der Umstand, dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt noch nicht vom Obersten Gerichtshof entschieden wurde, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (4 Ob 155/97s mwN).Im Amtshaftungsverfahren ist nicht die Richtigkeit der Rechtsauffassung der im Anlassverfahren tätig gewordenen Gerichte zu prüfen, sondern die Vertretbarkeit der von ihnen im Rahmen ihrer Entscheidungen geäußerten Rechtsmeinung. Nicht jedes objektiv unrichtige Organverhalten schließt im Bereich der Rechtsanwendung schon ein amtshaftungsbegründendes Verschulden mit ein. Amtshaftung scheidet dann aus, wenn die Entscheidung des Organs auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte. Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO (1 Ob 60/98z mwN; Schragel AHG2 Rz 147). Die Gerichte des Anlassverfahrens hatten eine Vereinbarung von Vertragsparteien auszulegen. Diese Vertragsauslegung hält sich durchaus im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Paragraph 914, ABGB. Ob hier eine andere Auslegung eher gerechtfertigt gewesen wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO (4 Ob 1604/95). Der Umstand, dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt noch nicht vom Obersten Gerichtshof entschieden wurde, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (4 Ob 155/97s mwN).

Das Berufungsgericht hat auch auf die Entscheidung JBl 1991, 791 Bezug genommen, mit der ausgesprochen wurde, dass durch die bindende Umtauschzusage des Verkäufers die Rechtslage in das Stadium vor Ablieferung zurücktrete und der Käufer bis zur neuerlichen (vorbehaltslosen) Übernahme alle Rechte einschließlich des Rechts auf außergerichtlichen Rücktritt habe. Dieser Entscheidung lag aber ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Zusage des Austausches eines Gegenstands infolge dessen Mangelhaftigkeit als konstitutives Anerkenntnis des Verkäufers (auf Grund des Bestehens eines Mangels) gewertet wurde, wogegen das Gericht zweiter Instanz im vorliegenden Fall ausführte, dass die im Anlassverfahren getroffenen Feststellungen zwar die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses indizierten, dass ein solches Anerkenntnis nach diesen Feststellungen aber nicht vorliegen müsse und demnach die Rechtsansicht der im Anlassverfahren tätig gewordenen gerichtlichen Organe noch als vertretbar anzusehen sei. Dieser Auffassung ist beizupflichten, geht es doch um die Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall und steht die von den Gerichten im Anlassverfahren vertretene Rechtsansicht mit den logischen Denkgesetzen durchaus im Einklang.

Die Revision ist demnach mangels Vorliegens und Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuwiesen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.Die Revision ist demnach mangels Vorliegens und Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückzuwiesen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Anmerkung

E56005 01A03029

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0010OB00302.99I.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19991123_OGH0002_0010OB00302_99I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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