TE OGH 1999/11/23 Bsw26507/95

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Veröffentlicht am 23.11.1999
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Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer III, Beschwerdesache Edith Müller, Ingrid Feichter, Dagmar Fröhlich, Sabine Bechtold, Bernhard Böckle und Thomas Kühne gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 23.11.1999, Bsw. 26507/95.Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch III, Beschwerdesache Edith Müller, Ingrid Feichter, Dagmar Fröhlich, Sabine Bechtold, Bernhard Böckle und Thomas Kühne gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 23.11.1999, Bsw. 26507/95.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 1 1. ZP EMRK, Art. 14 EMRK - Nachprüfende Kontrolle druch den VwGH bei Enteignungen nach dem Vlbg. LandesstraßenG.Artikel 6, Absatz eins, EMRK, Artikel eins, 1. ZP EMRK, Artikel 14, EMRK - Nachprüfende Kontrolle druch den VwGH bei Enteignungen nach dem Vlbg. LandesstraßenG.

Unzulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Am 19.1.1993 stellte die Landesstraßenverwaltung Vorarlberg (LSV) bei der Landesregierung (LReg.) den Antrag, für den Bau der Landesstraße 52 (L 52) im Bereich des Bauloses Umfahrung Brederis die in einem beiliegenden Grundstücksverzeichnis näher bezeichneten Teilflächen der KG Rankweil zugunsten der LSV lastenfrei zu enteignen und zugleich die Höhe der Entschädigung festzusetzen.

Am 26.1.1993 beraumte das Amt der LReg. eine mündliche Verhandlung für den 15.2.1993 an. Es wurde darauf hingewiesen, dass das zur Verhandlung stehende Projekt beim Amt der LReg. sowie beim Gemeindeamt Rankweil zur Einsichtnahme aufliege. Während der mündlichen Verhandlung wurde die Trasse von den Verhandlungsteilnehmern besichtigt. Der straßenbautechnische Amtssachverständige, der Amtssachverständige für Landschaftsschutz und der Sachverständige für die Durchführung der Schätzung erstatteten ihre Gutachten, der Anwalt der Bf. erklärte, dass 14 im einzelnen dargelegte Varianten günstiger seien, worauf die Sachverständigen ihre Gutachten insb. in Bezug auf die von den Bf. vorgeschlagenen Varianten ergänzten. Der Anwalt der Bf. beantragte außerdem die Einholung weiterer Gutachten betreffend die behauptete geringe Unfallhäufigkeit auf der bestehenden L 52. Im übrigen verwies er auf seinerzeitige Einwendungen bei einer Verhandlung am 27.8.1985 und bezog sich auf eine Stellungnahme des Univ.-Prof. Dr. K. vom Jahre 1986, wonach für die „L 52 neu" keine Notwendigkeit bestehe. Weiters wurde beantragt, eine Frist von sechs Monaten zur Vorlage von Privatgutachten einzuräumen. Die Verhandlung wurde auf 16.2.1993 vertagt.

Am 16.2.1993 ergänzten der straßenbautechnische Amtssachverständige sowie der verkehrstechnische Amtssachverständige ihre Gutachten. Die Verhandlung wurde beendet, wobei der Verhandlungsleiter erklärte, dass die Entscheidung schriftlich nach Ablauf einer zweimonatigen Frist nach Zustellung der Verhandlungsschrift ergehen werde. In dieser Zeit könnten auch Privat- oder Gegengutachten vorgelegt werden.

Mit Stellungnahme vom 30.4.1993 legten die Bf. den Vorabzug eines durch die Gemeinde Meiningen in Auftrag gegebenen Gutachtens von Univ.-Prof. Dr. K. zur Frage des Ausbaues der L 52 vom Februar 1993 vor. Der Gutachter sei dabei, die Ergebnisse des Enteignungsverfahrens einschließlich der von der Enteignungsbehörde im März und April 1993 übermittelten Unterlagen zu überprüfen und so in sein endgültiges Gutachten einzuarbeiten. Dazu sei jedoch eine Fristerstreckung bis Ende Juni 1993 erforderlich. Die LSV gab eine Stellungnahme zum Schreiben der Bf. ab und erachtete eine Fristerstreckung als nicht gerechtfertigt.

Am 24.5.1993 nahm die LReg. eine 1284m² große – im gemeinschaftlichen Eigentum der ersten vier Bf. stehenden – Fläche bzw. eine 103m² große Fläche im Eigentum des fünften Bf. im Enteignungsweg zugunsten der LVS in Anspruch. Außerdem wurde die Entschädigung für die dauernde Inanspruchnahme der enteigneten Flächen, und für nur vorübergehend benötigte Flächen, wozu auch 29m² im Eigentum des sechsten Bf. gehörten, für Dienstbarkeiten festgelegt. Der Antrag der Bf. auf Kostenersatz für Vertretungskosten wurde zurückgewiesen, der LVS wurde die Erstattung der Kosten des Schätzgutachtens und der Teilnahme der Sachverständigen für die Durchführung der mündlichen Verhandlung auferlegt.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Bsw. wurde vom VfGH abgelehnt und an den VwGH abgetreten. Am 24.6.1994 hielt der VwGH eine mündliche Verhandlung ab, in deren Verlauf der Anwalt der Bf. beantragte, der VwGH möge eine Verhandlung an Ort und Stelle mit unabhängigen Sachverständigen durchführen. Dies wurde unter Hinweis auf das Urteil des GH im Fall Zumtobel (Anm.: Zumtobel/A, Urteil v.21.9.1993, A/268-A, NL 93/5/12, ÖJZ 1983, 782) wonach die Befugnis des VwGH zur Tatsachenkognition ungeachtet des sich aus § 41 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes ausreichend ist, abgelehnt. Der VwGH wies die Bws. ab.Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Bsw. wurde vom VfGH abgelehnt und an den VwGH abgetreten. Am 24.6.1994 hielt der VwGH eine mündliche Verhandlung ab, in deren Verlauf der Anwalt der Bf. beantragte, der VwGH möge eine Verhandlung an Ort und Stelle mit unabhängigen Sachverständigen durchführen. Dies wurde unter Hinweis auf das Urteil des GH im Fall Zumtobel Anmerkung, Zumtobel/A, Urteil v.21.9.1993, A/268-A, NL 93/5/12, ÖJZ 1983, 782) wonach die Befugnis des VwGH zur Tatsachenkognition ungeachtet des sich aus Paragraph 41, VwGG ergebenden Neuerungsverbotes ausreichend ist, abgelehnt. Der VwGH wies die Bws. ab.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Die Bf. behaupten eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (hier: Recht auf ein faires Verfahren) und Art. 1 1.ZP EMRK (Recht auf Achtung des Eigentums) iVm. Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot).Die Bf. behaupten eine Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK (hier: Recht auf ein faires Verfahren) und Artikel eins, 1.ZP EMRK (Recht auf Achtung des Eigentums) in Verbindung mit Artikel 14, EMRK (Diskriminierungsverbot).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 6, (1) EMRK:

Der Kern der Bsw. unter Art. 6 (1) EMRK ist – wie bereits im Fall Zumtobel – die Frage, ob der VwGH als ein Gericht mit umfassender Jurisdiktion und daher als ein tribunal iSv. Art. 6 (1) EMRK angesehen werden kann.Der Kern der Bsw. unter Artikel 6, (1) EMRK ist – wie bereits im Fall Zumtobel – die Frage, ob der VwGH als ein Gericht mit umfassender Jurisdiktion und daher als ein tribunal iSv. Artikel 6, (1) EMRK angesehen werden kann.

Der VwGH erfüllt diese Bedingungen in Angelegenheiten, die nicht ausschließlich im Ermessen der Verwaltungsbehörden liegen. Er hat das ihm erstattete Vorbringen Punkt für Punkt auf seine Begründetheit geprüft, ohne seine Zuständigkeit beim Eingehen auf diese Punkte oder bei der Feststellung verschiedener Umstände verneinen zu müssen. Enteignungen nach dem Vlbg. LandesstraßenG liegen nicht im ausschließlichen Ermessen der Verwaltungsbehörden. Der Umfang der Überprüfungsbefugnis des VwGH kann auch in diesem Fall als ausreichend erachtet werden.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 1 1.ZP EMRK und Art. 14 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel eins, 1.ZP EMRK und Artikel 14, EMRK:

Die Bf. behaupten, dass sie als von einer Enteignung für den Bau einer Landesstraße Betroffene, im Gegensatz zu Enteignungen für Bundesstraßen, keine Anwaltskosten zurückerstattet bekommen können. Da der Bau von Bundesstraßen in der Regel größere und komplexere Verfahren notwendig macht, ziehen solche auch höhere Anwaltskosten nach sich. Es liegt daher im Ermessensspielraum der Vertragsstaaten, für solche Verfahren die Rückerstattung der Kosten gesetzlich vorzusehen. Die fehlende Rückerstattung von Kosten bei Enteignungen zum Bau von Landesstraßen ist weder willkürlich noch unsachlich, da Verfahren in solchen Fällen in aller Regel nicht von einer derartigen Komplexität sind.

Die Bsw. wird gemäß §§ 35 (3) und (4) EMRK zurückgewiesenDie Bsw. wird gemäß Paragraphen 35, (3) und (4) EMRK zurückgewiesen

(einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 23.11.1999, Bsw. 26507/95, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 2000, 9) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut

(pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/00_1/Mueller.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Anmerkung

EGM00271 Bsw26507.95-ZE

Dokumentnummer

JJT_19991123_AUSL000_000BSW26507_9500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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