TE OGH 1999/11/23 4Ob262/99d

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Veröffentlicht am 23.11.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang P*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Gerhard P*****, 2. K***** KG, *****, beide vertreten durch Dr. Hella Ranner, Rechtsanwältin in Graz, wegen 414.800 S sA (Revisionsinteresse 172.000 S), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 24. Juni 1999, GZ 6 R 18/99k-121, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Juli 1998, GZ 22 Cg 319/93y-113, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

 

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert, sodass die Entscheidung - unter Einschluss des bestätigten sowie des nicht angefochtenen Ausspruchs - insgesamt zu lauten hat:

 

"Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei 82.000 S samt 4 % Zinsen seit 12. 7. 1991 binnen 14 Tagen zu zahlen.

 

Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, der klagenden Partei weitere 332.800 S samt 4 % Zinsen seit 12. 7. 1991 zu zahlen, wird abgewiesen.

 

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 183.037,81 S (darin 30.406,30 S USt und 600 S Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.040 S bestimmte anteilige Pauschalgebühr binnen 14 Tagen zu ersetzen."

 

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 31.216 S (darin 3.104,75 S USt und 12.587,50 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Rechtssache war bereits Gegenstand einer Entscheidung des erkennenden Senats; hinsichtlich Sachverhalt, Vorbringen und Verfahrensgang wird auf den im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss (SZ 67/71) verwiesen.

 

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit 172.000 S sA Folge und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte unter anderem fest, dass der Kläger durch die Art und Weise, wie die von der Zweitbeklagten herausgegebene Zeitung über ihn berichtete, sehr betroffen war. 1988 wandte sich ein unter Spielsucht Leidender an den Kläger, um sich von ihm behandeln zu lassen; dieser bot die Behandlung um ein Fixhonorar von 72.000 S an. Der Interessent wollte sich den Vertragsschluss in Anbetracht der Höhe des Honorars noch überlegen. Als zwischenzeitig der beanstandete Artikel erschien, verlor der Interessent auf Grund dieses Artikels das Vertrauen in den Kläger und schloss keinen Behandlungsvertrag mit ihm ab. Dabei ging das Erstgericht - wie seine Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erkennen lassen - von der Kausalität zwischen der beanstandeten Berichterstattung und der Entscheidung des Interessenten auf Abstandnahme von einem Vertragsschluss mit dem Kläger aus. Rechtlich folgerte das Erstgericht, der materielle Schaden des Klägers betrage 72.000 S, zur Abgeltung seines immateriellen Schadens sei unter Anwendung des § 273 ZPO ein Betrag von 100.000 S angemessen.

 

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 ZPO nicht zulässig sei. Die beanstandete Berichterstattung gehe über das gebotene Maß der Sachlichkeit hinaus, sei beleidigend und teilweise auch unwahr. Der zugesprochene Schadenersatz für immateriellen Schaden sei unter Berücksichtigung der effektiv erhobenen Vorwürfe und der erkennbaren Tendenz, den Kläger in aller Öffentlichkeit anzuprangern und herabzusetzen, gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

 

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, zulässig; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

 

Soweit die Beklagten den Zuspruch von 72.000 S mit dem Argument bekämpfen, der Abschluss eines Behandlungsvertrags mit einem Honorar in dieser Höhe sei weder zustandegekommen noch fraglich gewesen, verlassen sie den Boden der erstgerichtlichen Feststellungen. Das Erstgericht hat nämlich - wenn auch systematisch unrichtig im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung - keinen Zweifel daran gelassen, dass Kausalität zwischen der beanstandeten Berichterstattung und der Abstandnahme des Interessenten vom Abschluss des Behandlungsvertrags besteht. Hätte demnach der Kläger ohne die beanstandete Berichterstattung eine Forderung gegen seinen Vertragspartner auf Zahlung eines Behandlungshonorars in Höhe von 72.000 S erworben, liegt im Entfall dieses Vermögenszuwachses ein von den Beklagten zu tragender Schaden. Der Revision war insoweit ein Erfolg zu versagen.

 

Die Beklagten vertreten zum Zuspruch von 100.000 S an immateriellem Schadenersatz den Standpunkt, dieser entbehre im Lichte der jüngsten Judikatur, wonach beim Lichtbildschutz jedenfalls auch Wertungen des MedG zu berücksichtigen seien, jeder Grundlage und sei auch der Höhe nach unvertretbar. Dazu ist zu erwägen:

 

Der erkennende Senat hat schon in seinem im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss, dessen rechtliche Beurteilung mangels einer relevanten Sachverhaltsänderung auch ihn selbst bindet (MR 1992, 21 - Mart Stam-Stuhl II mwN; 7 Ob 2420/96z), ausgesprochen, dass der Kläger zum Anspruch auf immateriellen Schadenersatz ausreichende Behauptungen aufgestellt hat und alle Voraussetzungen für einen Zuspruch - abgesehen vom damals noch zu prüfenden Einwand der mangelnden Passivlegitimation der Zweitbeklagten, der mittlerweile vom Erstgericht verworfen und auch nicht mehr Gegenstand der Revisionsausführungen ist - vorliegen, weil der Kläger über die strafrechtlich erhobenen Vorwürfe hinaus in der beanstandeten Berichterstattung, die über eine bloße, an den Fakten orientierte Berichterstattung ein Strafverfahren weit überschreitet, persönlich herabgesetzt wurde. Eine auf § 87 Abs 2 UrhG beruhende Schadenersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach ist daher nicht zweifelhaft.

 

Für den Zuspruch immateriellen Schadenersatzes sind zwar immer die im konkreten Fall vorliegenden besonderen Umstände maßgebend (MR 1998, 194 [Walter] = RdW 1998, 610 - Rauchfänge; MR 1998, 345 - Den Kopf zwischen den Schultern). Im Fall von Ermessensentscheidungen kommt der Lösung einer Rechtsfrage, deren Bedeutung über den Anlassfall nicht hinausgeht, aber nur so lange keine erhebliche Bedeutung für die Rechtsentwicklung zu (§ 502 Abs 1 ZPO), als dem Berufungsgericht kein an die Grenzen des Missbrauchs gehender Fehler unterlief oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde (Kodek in Rechberger, § 502 Rz 3; RZ 1994/45 mwN; 2 Ob 179/99h uva); letzteres ist hier - wie die Revisionswerber zutreffend aufzeigen - der Fall.

 

Die Rechtsprechung macht den Ersatz immaterieller Schäden davon abhängig, dass besondere, eine Entschädigung rechtfertigende Umstände vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn die Beeinträchtigung den mit jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger übersteigt und es sich um eine ganz empfindliche Kränkung handelt (stRsp MR 1998, 345 - Den Kopf zwischen den Schultern mwN). Zu berücksichtigen ist dabei aber nicht allein das subjektive Empfinden des Verletzten, sondern maßgebend ist, ob und in welchem Ausmaß seine Persönlichkeit im weitesten Sinn - Gefühlssphäre, geistige Interessen und äußerer Bereich der Persönlichkeit - in objektivierbarer Weise beeinträchtigt wird. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß nicht jede Beeinträchtigung der Persönlichkeit im weitesten Sinn objektiv mit einer ganz erheblichen Kränkung verbunden sein muß (MR 1998, 345 - Den Kopf zwischen den Schultern mwN).

 

Diese Überlegungen gelten gleichermaßen bei Ausmessung der Höhe des Ersatzbetrags. Wird - wie hier - der Schadenersatzanspruch aus einer Verletzung des Bildnisschutzes in Verbindung mit einer herabsetzenden, das Sachlichkeitsgebot und die Unschuldsvermutung verletzenden Kriminalberichterstattung abgeleitet, ist bei der Beurteilung des Ausmaßes der Persönlichkeitsbeeinträchtigung vor allem zu berücksichtigen, wie weit sich die beanstandete Textberichterstattung im nachfolgenden Strafverfahren als zutreffend herausgestellt hat. Wird nämlich der Schadenersatzkläger in der Folge tatsächlich strafgerichtlich verurteilt, ist er umso geringer in berechtigten Interessen verletzt, je näher die "überschießende" Berichterstattung dem Strafurteil gekommen ist. Zu berücksichtigen ist weiters die Schwere iS einer gesellschaftlichen Missbilligung der erhobenen Vorwürfe im Verhältnis zur Schwere jener Handlungen, deretwegen eine Verurteilung schließlich erfolgt ist: Je verwerflicher eine tatsächlich begangene Straftat ist, umso geringer wird die Beeinträchtigung des Täters durch eine unkorrekte Berichterstattung über ihn sein.

 

Der Kläger wurde deshalb strafgerichtlich verurteilt, weil er in zwei Fällen Frauen durch Vortäuschung, ihnen Beschäftigung als Model oder Mannequin zu vermitteln, dazu verleitet hat, einen Psychotest sadomasochistischen Inhaltes und das Posieren in Unterwäsche zu dulden, für Fotoaufnahmen zu posieren und Arbeiten in seinem Haushalt zu verrichten, sowie niederzuknien und Schläge auf das Gesäß zu dulden; ein Freispruch von der Anklage, drei Frauen durch Hypnose widerstandsunfähig und in diesem Zustand zur Unzucht missbraucht zu haben, eine weitere Frau durch Hypnose zur Unzucht zu nötigen versucht zu haben und zwei weitere Frauen im Zustand der Hypnose gefesselt und geschlagen zu haben, erfolgte mit der Begründung, daß ein Handeln der geschädigten Frauen in Hypnose nicht bewiesen sei.

 

Berücksichtigt man die besonders abstoßenden konkreten Umstände jener strafbaren Handlungen, deretwegen der Kläger verurteilt worden ist, und stellt sie der in ihrem Kern doch weitgehend zutreffenden Berichterstattung der Beklagten gegenüber, mag der Kläger darüber auch "sehr betroffen" gewesen sein, ist unter Abwägung der aufgezeigten Kriterien der Anspruch des Klägers für den durch die Berichterstattung der Beklagten erlittenen immateriellen Schaden nur mit 10.000 S zu bemessen (§ 273 ZPO). Das angefochtene Urteil war deshalb in diesem Punkt abzuändern, im Übrigen aber zu bestätigen.

 

Die Kostenentscheidung im Verfahren erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO. Der mit rund 20 % seines Begehrens obsiegende Kläger muß den Beklagten 60 % ihrer Vertretungskosten (das sind 182.437,81 S) sowie 80% der von der Beklagten in Höhe von 750 S ausgelegten Zeugengebühren (das sind 600 S) ersetzen, erhält von diesen aber 20 % (das sind 1.040 S) der von ihm verzeichneten Pauschalgebühr erster Instanz.

 

Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit seiner Berufungsschrift keinen Erfolg erzielt, die Beklagten haben hingegen eine Reduktion der sie treffenden Zahlungsverpflichtung im Ausmaß von rund 50 % erreicht. Hinsichtlich Berufung der Beklagten und Berufungsbeantwortung des Klägers sind die Kosten daher gegeneinander aufzuheben, während der Kläger den Beklagten die Kosten deren Berufungsbeantwortung zur Gänze (das sind 18.628,50 S unter Zugrundelegung eines Einheitssatzes von 150%) und deren Pauschalgebühr zweiter Instanz zu 50% (das sind 5.300 S) zu ersetzen hat. Im Revisionsverfahren beträgt der Erfolg der Beklagten rund 50%; sie erhalten deshalb die Pauschalgebühr mit dieser Quote vom Kläger (das sind 7.287,50 S), im Übrigen waren die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Anmerkung

E55980 04A02629

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0040OB00262.99D.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19991123_OGH0002_0040OB00262_99D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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