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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des F in W, geboren 1979, vertreten durch Dr. Thomas Fuhrherr, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Westbahnstraße 5/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. August 2005, Zl. 259.894/0-IV/44/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, reiste am 4. November 2003 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 4. Dezember 2003 unter handschriftlicher Ergänzung eines Formulars einen Asylantrag, den er damit begründete, dass ihn von seinem Gläubiger beauftragte Leute mit Gewalt zur Rückzahlung hoher Schulden hätten zwingen wollen. Bei seiner noch am selben Tag vorgenommenen Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer dazu im Wesentlichen an, er habe am 30. Jänner 2003 "bei einem Mann aus meinem Ort", dessen Namen der Beschwerdeführer nicht kenne, einen Kredit über 50.000,-- Yuan aufgenommen. Nach einem Brand in seinem Bekleidungsgeschäft am 6. Juni 2003 habe er den Kredit und die hohen Zinsen nicht mehr zurückzahlen können, weshalb ihn sein Gläubiger habe töten wollen. Der Beschwerdeführer sei im Zeitraum 15. Juli 2003 bis 21. Juli 2003 mehrfach von "zwei bis drei Personen" zu Hause aufgesucht, geschlagen und bedroht worden. Eine Anzeige bei der Polizei habe der Beschwerdeführer unterlassen, weil sonst seine "ganze Familie" getötet worden wäre. In einem anderen Gebiet Chinas wäre er "durch die Hilfe der Mafia" gefunden worden. Von August bis zu seiner Ausreise Anfang November 2003 habe sich der Beschwerdeführer "überall verstecken müssen, ein Mal da und ein Mal dort." In dieser Zeit sei er nicht gefunden worden, er habe aber "von Freunden gehört, dass sie mich suchen, und falls sie mich finden, werden sie mich töten". Müsste er nach China zurückkehren, "dann würde es nur einen Weg Richtung des Todes geben".
Mit Bescheid vom 9. April 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach VR-China" fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).
Das Bundesasylamt ging beweiswürdigend von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus. Diese Einschätzung begründete es damit, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, "über seinen Gläubiger konkret und substantiiert Auskunft zu erteilen". Außerdem verwies das Bundesasylamt darauf, dass der Beschwerdeführer zu den Aufenthaltsorten nach den behaupteten Bedrohungen konkret befragt nur "äußerst vage und unkonkret bzw. ausweichend" geantwortet habe. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei jedoch davon auszugehen, dass Personen, die sich vor Verfolgung verstecken, auch konkret wissen und angeben können, wo sie sich zum eigenen Schutz versteckt hätten. Es sei daher anzunehmen, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich nicht habe verstecken müssen, und es werde somit davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe.
Das Bundesasylamt kam deshalb rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und in Verbindung mit Feststellungen zur Lage in China auch zur Versagung von Refoulement-Schutz. Da der Beschwerdeführer über keinen "familiären Bezug in Österreich" verfüge, hielt das Bundesasylamt schließlich auch seine Ausweisung für gerechtfertigt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. August 2005 "gemäß §§ 7, 8 (1) und 8 (2) AsylG" ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies. Die Abweisung im Asylteil stützte die belangte Behörde überdies noch auf des Fehlen eines Zusammenhanges der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung mit einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe. Schließlich begründete die belangte Behörde noch näher, weshalb eine Berufungsverhandlung habe unterbleiben können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Abweisung der Berufung, soweit sie sich gegen die Versagung von Asyl richtete, erfolgte schon deshalb zu Recht, weil die belangte Behörde - selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers - zutreffend einen Zusammenhang mit einem Konventionsgrund verneinte (vgl. zu einem ähnlichen Vorbringen zuletzt das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2006, Zl. 2004/20/0474 und das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/20/0580). Für die in der Beschwerde vertretene Ansicht, dass Asyl auch bei Vorliegen anderer als der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe - Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung - zu gewähren sei, fehlt eine gesetzliche Grundlage (vgl. allgemein zur Anknüpfung in § 7 AsylG an den Flüchtlingsbegriff der FlKonv Punkt 1. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 15. Mai 2003, Zl. 2001/01/0499, in dem zur Verweisung in § 7 AsylG auf die in der FlKonv abschließend aufgezählten Gründe auf das Erkenntnis vom 15. März 2001, Zl. 99/20/0128, Bezug genommen wird).
Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für die nach § 8 Abs. 1 AsylG vorgenommene Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach China unter dem Gesichtspunkt des § 57 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG.
Unter dem Blickwinkel des § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG kommt es für die Abweisung der Berufung entscheidungswesentlich auf die Annahme der Unglaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe an. Gegen die Schlüssigkeit der (von der belangten Behörde übernommenen) Beweiswürdigung des Bundesasylamtes hegt der Verwaltungsgerichtshof aber vor dem Hintergrund der oberflächlichen und detailarmen Aussage des Beschwerdeführers, welche die vom Bundesasylamt zutreffend in den Vordergrund gestellten Ungereimtheiten aufweist, keine Bedenken. Im Übrigen tritt die Beschwerde der Beweiswürdigung auch nicht entgegen.
In der Berufung wurde die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes zwar noch kritisiert, doch beschränkten sich die Ausführungen darauf, dass der Beschwerdeführer den Namen seines Gläubigers sehr wohl kenne, ihn aber nicht angebe, weil er sonst im Falle einer Abschiebung nach China "noch größere Probleme" bekommen werde. Es tue auch nichts zur Sache, wer die Person genau sei. Ähnlich argumentierte die Berufung auch zu den Aufenthaltsorten des Beschwerdeführers vor seiner Flucht. Wäre er dazu eingehender befragt worden, hätte er "selbstverständlich genauer geantwortet". Es sei "für den Asylgrund" nicht wesentlich, an welchen Orten sich der Beschwerdeführer genau aufgehalten habe. Er sei an keinem Ort sicher gewesen, sondern habe "stets weiterziehen" müssen.
Diesen Ausführungen hat die belangte Behörde schon zutreffend erwidert, für die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgung sei es notwendig, diese "durch nähere Angaben zu präzisieren und zu individualisieren". Auch dieser Auffassung trat die Beschwerde nicht konkret entgegen, rügte aber erkennbar auch in diesem Zusammenhang die Unterlassung einer Berufungsverhandlung. Vor dem Hintergrund der erwähnten Berufungsausführungen, wonach der Beschwerdeführer nicht bereit bzw. nicht in der Lage sei, in Bezug auf die als unzureichend angesehenen Angaben ergänzende Aufklärungen zu geben, wäre es aber für eine ausreichende Relevanzdarstellung jedenfalls erforderlich gewesen, näher auszuführen, welche konkreten, die beweiswürdigenden Überlegungen entkräftenden Angaben der Beschwerdeführer in einer solchen Verhandlung gemacht hätte.
Da in der Berufung hinsichtlich des zitierten Länderberichtes kein konkreter Fallbezug hergestellt wurde, bestand auch von daher keine Verhandlungspflicht. Die belangte Behörde bewirkte somit durch die Abstandnahme von einer Berufungsverhandlung - ungeachtet eines darauf abzielenden ausdrücklichen Antrages in der Berufung - unter den im vorliegenden Fall gegebenen Besonderheiten keinen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel (vgl. zur Verhandlungspflicht der belangten Behörde aufgrund eines Parteienantrages grundlegend das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533).
Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.
Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 und erfolgte im ausdrücklich verzeichneten Umfang.
Wien, am 23. November 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005200551.X00Im RIS seit
01.02.2007