TE OGH 1999/11/25 6Ob202/99w

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Veröffentlicht am 25.11.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Franz M*****, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Dr. Alfred G*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung (hier: wegen einstweiliger Verfügung) über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 10. Mai 1999, GZ 16 R 71/99z-12, womit der Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 17. Dezember 1998, GZ 4 Cg 224/98m-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des unangefochtenen Teiles lauten:

"Zur Sicherung des Anspruches der klagenden und gefährdeten Partei gegenüber dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei auf Unterlassung kreditschädigender Äußerungen gegenüber der klagenden und gefährdeten Partei wird dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei ab sofort und bis zur Rechtskraft der über diese Klage ergehenden Urteiles geboten, die Verbreitung der Behauptung: 'Der Kläger ist als Landesparteisekretär der FPÖ schon Ende des Vorjahres über die kriminellen Machenschaften R***** informiert worden und wurde trotzdem in keinster Weise tätig' sowie sinngleicher Behauptungen und im Zusammenhang mit dieser Behauptung oder sinngleicher Behauptungen die Verbreitung der Behauptung: 'Mit der Ernennung M***** zum Klubobmann macht die FPÖ den Bock zum Gärtner' zu unterlassen".

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Verfahrens auf Erlassung der einstweiligen Verfügung vorläufig selbst zu tragen.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei hat diese Verfahrenskosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 15. 5. 1998 verbreitete der Kläger und Gefährdete (im folgenden: Kläger) im Wege des Original Tonservice (OTS) der Austria Presse Agentur folgenden Text:

"G*****: FPÖ plant weitere Wahnsinnstaten mit Steuermitteln "Mit der Ernennung M***** zum Klubobmann macht FPÖ den Bock zum Gärtner"

(SK) "Der mit Steuermitteln betriebene Wahnsinn innerhalb der FPÖ geht offensichtlich munter weiter", stellte SPÖ-Abgeordneter A***** G***** Freitag gegenüber dem Pressedienst der SPÖ fest. Wie den heutigen Aussagen von F-Budgetsprecher T***** zu entnehmen sei, plane die FPÖ, weitere Millionen Steuergelder in die FPÖ-Wohnbaugenossenschaft "Freies Wohnen", die bereits in höchster Insolvenzgefahr schwebt, zu vergeuden. Ebenso "höchst fragwürdig", sei der Plan den die FPÖ-NÖ nun zur Sanierung ihrer Parteikassa hege. Für G***** stellt sich die dringende Frage, "wie acht Landtagsabgeordnete S 10,5 Mio aufbringen können - und das angeblich sogar freiwillig - um den durch leichtsinnige Spekulationen entstandenen Schaden zu begrenzen." Eine weitere "Wahnsinnstat" der FPÖ sieht G***** darin, dass mit Franz M*****, "ein Mann zum NÖ-Klubobmann gemacht wird, der als Landesparteisekretär schon Ende des Vorjahres über die kriminellen Machenschaften R***** informiert wurde und trotzdem in keinster Weise tätig wurde".

"Wie soll jeder einzelne Mandatar über S 1,3 Mio aufbringen - werden sie wieder mit ihren aus Steuergeldern bezahlten Gehältern leichtfertig spekulieren, werden sie Kredite aufnehmen?", wundert sich G*****.

Aufklärungswürdig erscheint dem SPÖ-Abgeordneten auch die Behauptung T*****, die Millionen, die die FPÖ in die Genossenschaft "F*****" zu pulvern plant, würden nicht aus Steuergeldern, sondern aus "dem riesigen bundesweiten Finanzvolumen der FPÖ" stammen. "Um welches wundersame Volumen handelt es sich da und vor allem: durch welche Quellen wird gespeist?", fragt sich der SPÖ-Abgeordnete."

Der Kläger begehrte mit seiner auf § 1330 ABGB gestützten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Verbreitung der Behauptung: "Der Kläger ist als Landesparteisekretär schon Ende des Vorjahres über die kriminellen Machenschaften R***** informiert worden und wurde trotzdem in keinster Weise tätig" sowie sinngleicher Behauptungen und im Zusammenhang mit dieser Behauptung oder sinngleichen Behauptungen die Verbreitung der Behauptung: "Mit der Ernennung M***** zum Klubobmann macht die FPÖ den Bock zum Gärtner" zu unterlassen. Gleichzeitig stellte er ein entsprechendes Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren. Damit verband er den Antrag auf Erlassung einer dem Unterlassungsbegehren entsprechenden einstweiligen Verfügung.Der Kläger begehrte mit seiner auf Paragraph 1330, ABGB gestützten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Verbreitung der Behauptung: "Der Kläger ist als Landesparteisekretär schon Ende des Vorjahres über die kriminellen Machenschaften R***** informiert worden und wurde trotzdem in keinster Weise tätig" sowie sinngleicher Behauptungen und im Zusammenhang mit dieser Behauptung oder sinngleichen Behauptungen die Verbreitung der Behauptung: "Mit der Ernennung M***** zum Klubobmann macht die FPÖ den Bock zum Gärtner" zu unterlassen. Gleichzeitig stellte er ein entsprechendes Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren. Damit verband er den Antrag auf Erlassung einer dem Unterlassungsbegehren entsprechenden einstweiligen Verfügung.

Der Kläger habe von den Machenschaften R***** im Jahr 1997 nichts gewusst. Diesbezügliche Verdachtsmomente seien erst am 30. 4. 1998 bekannt geworden. Die beanstandeten Textstellen seien ehrenbeleidigend und kreditschädigend.

Der Beklagte und Gegner des Gefährdeten (in der Folge: Beklagte) beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Es sei gerichtsbekannt, dass der Kläger früher auch für die Finanzgebarung der niederösterreichischen FPÖ zuständig und daher in die Vermögensveranlagung R***** eingeweiht gewesen sei oder davor bewusst die Augen verschlossen habe. Der im strittigen Text enthaltene Vorwurf der politischen Verantwortlichkeit sei ein zulässiges Werturteil. Dies gelte um so mehr für den Hinweis, dass man mit der Ernennung des Klägers zum Klubobmann den Bock zum Gärtner mache. Hiebei handle es sich für jedermann erkennbar um eine bloße Metapher, die weder ehrenrührig noch kreditschädigend sei.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren insoweit statt, als es dem Beklagten die Verbreitung der Behauptung, dass der Kläger als Landesparteisekretär der FPÖ schon Ende des Vorjahres über die kriminellen Machenschaften R***** informiert worden und trotzdem in keinster Weise tätig geworden sei sowie sinngleiche Behauptungen untersagte. Den darüber hinausgehenden Antrag, der Beklagte habe im Zusammenhang damit die Verbreitung der Behauptung "mit der Ernennung M***** zum Klubobmann macht die FPÖ den Bock zum Gärtner" zu unterlassen, wies das Erstgericht ab. Erstere Behauptung stelle eine überprüfbare Tatsachenbehauptung dar, die sowohl den Tatbestand des § 1330 Abs 1 als auch jenen des Abs 2 leg cit erfülle. Der hiefür bescheinigungspflichtige Beklagte habe keinerlei Versuch unternommen, deren Wahrheit unter Beweis zu stellen. Hinsichtlich der Behauptung, die FPÖ mache den Bock zum Gärtner, sei jedoch der Ansicht des Beklagten zu folgen. Eine derartige symbolische Ausdrucksweise spiegle lediglich die persönliche Meinung und Wertung wieder und sei als zulässige politische Kritik gerade noch zu rechtfertigen.Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren insoweit statt, als es dem Beklagten die Verbreitung der Behauptung, dass der Kläger als Landesparteisekretär der FPÖ schon Ende des Vorjahres über die kriminellen Machenschaften R***** informiert worden und trotzdem in keinster Weise tätig geworden sei sowie sinngleiche Behauptungen untersagte. Den darüber hinausgehenden Antrag, der Beklagte habe im Zusammenhang damit die Verbreitung der Behauptung "mit der Ernennung M***** zum Klubobmann macht die FPÖ den Bock zum Gärtner" zu unterlassen, wies das Erstgericht ab. Erstere Behauptung stelle eine überprüfbare Tatsachenbehauptung dar, die sowohl den Tatbestand des Paragraph 1330, Absatz eins, als auch jenen des Absatz 2, leg cit erfülle. Der hiefür bescheinigungspflichtige Beklagte habe keinerlei Versuch unternommen, deren Wahrheit unter Beweis zu stellen. Hinsichtlich der Behauptung, die FPÖ mache den Bock zum Gärtner, sei jedoch der Ansicht des Beklagten zu folgen. Eine derartige symbolische Ausdrucksweise spiegle lediglich die persönliche Meinung und Wertung wieder und sei als zulässige politische Kritik gerade noch zu rechtfertigen.

Das Rekursgericht gab weder dem Rekurs des Klägers noch jenem des Beklagten Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Die Wendung "den Bock zum Gärtner machen" besage nur ganz allgemein, dass jemand für ein bestimmtes Amt nicht geeignet sei. Darin liege ein zulässiges Werturteil.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig. Er ist auch berechtigt.

Ein und dieselbe Äußerung kann je nach dem Zusammenhang, in dem sie steht, unter den Begriff der Tatsachenbehauptung, aber auch unter den Begriff des reinen Werturteils fallen (SZ 62/206 ua). Es kommt bei der Beurteilung, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an (EvBl 1993/134 ua). Entscheidend ist hiebei das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (SZ 64/182). Das Recht auf freie Meinungsäußerung kann eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen er eines verwerflichen Verhaltens bezichtigt wird, nicht rechtfertigen (ÖBl 1993, 84).

Die angefochtene Teilabweisung des Sicherungsantrages durch die Vorinstanzen ist mit diesen in ständiger Rechtsprechung vom Obersten Gerichtshof vertretenen Grundsätzen nicht vereinbar.

Dem Kläger ist zuzubilligen, dass die Äußerung des Beklagten, dass die FPÖ mit der Bestellung des Klägers zum Klubobmann den Bock zum Gärtner mache, im unmittelbaren Zusammenhang mit dem weiters beanstandeten Text, der dem Kläger die Mitwissenschaft und die Deckung der finanziellen Machenschaften R***** vorwirft, zu verstehen ist. Bei Berücksichtigung der gesamten Textpassage besagt das gebrauchte Gleichnis, dass das Amt des Landesparteisekretärs mit dem Kläger fehlbesetzt sei, weil dieser durch sein Verhalten bereits dokumentiert habe, dass er nichts gegen kriminelle Elemente in der Partei unternehmen werde. Dass man damit "den Bock zum Gärtner" mache, unterstreicht daher im Zusammenhang gesehen die Unterstellung der Kenntnis des Klägers von den Malversationen R***** und der fehlenden, von einem rechtschaffenen Parteifunktionär aber zu erwartenden Reaktion darauf. Auch dieser Teil der Textstelle ist daher der Tatsachenbehauptung über die durch nichts bescheinigte Mitwisserschaft des Klägers zuzuordnen, die, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben (§ 510 Abs 3 ZPO), als ehrenrührig anzusehen ist.Dem Kläger ist zuzubilligen, dass die Äußerung des Beklagten, dass die FPÖ mit der Bestellung des Klägers zum Klubobmann den Bock zum Gärtner mache, im unmittelbaren Zusammenhang mit dem weiters beanstandeten Text, der dem Kläger die Mitwissenschaft und die Deckung der finanziellen Machenschaften R***** vorwirft, zu verstehen ist. Bei Berücksichtigung der gesamten Textpassage besagt das gebrauchte Gleichnis, dass das Amt des Landesparteisekretärs mit dem Kläger fehlbesetzt sei, weil dieser durch sein Verhalten bereits dokumentiert habe, dass er nichts gegen kriminelle Elemente in der Partei unternehmen werde. Dass man damit "den Bock zum Gärtner" mache, unterstreicht daher im Zusammenhang gesehen die Unterstellung der Kenntnis des Klägers von den Malversationen R***** und der fehlenden, von einem rechtschaffenen Parteifunktionär aber zu erwartenden Reaktion darauf. Auch dieser Teil der Textstelle ist daher der Tatsachenbehauptung über die durch nichts bescheinigte Mitwisserschaft des Klägers zuzuordnen, die, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO), als ehrenrührig anzusehen ist.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher im Sinn einer gänzlichen Stattgebung des Sicherungsbegehrens abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten des Klägers gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Verfahrenskosten des Beklagten auf die §§ 402, 78 EO und 41, 50 ZPO.Die Entscheidung über die Verfahrenskosten des Klägers gründet sich auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, jene über die Verfahrenskosten des Beklagten auf die Paragraphen 402,, 78 EO und 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E56049 06A02029

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0060OB00202.99W.1125.000

Dokumentnummer

JJT_19991125_OGH0002_0060OB00202_99W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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