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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des A in W, geboren 1979, vertreten durch Solicitor Edward W. Daigneault in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Mai 2005, Zl. 259.018/0-XIV/39/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein aus dem Osun-State stammender nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 27. April 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag unter handschriftlicher Ergänzung eines Formulars einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22. Februar 2005 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei Mitglied einer der drei Familien, die in seinem Dorf den König stelle. Im Frühjahr 2000 (an anderer Stelle: 2003) sei der Beschwerdeführer vom Orakel als Nachfolger des amtierenden Königs ausgewählt worden. Nach dessen Tod am 10. Februar 2004 (an anderer Stelle: im Jahre 2003) sei der Beschwerdeführer Übergriffen durch eine der anderen Familien, die den Orakelspruch nicht akzeptiert habe und den Beschwerdeführer hätte beseitigen wollen, ausgesetzt gewesen. Deren Angehörige hätten seine Farm in Brand gesetzt und ihn verfolgt, sodass er zunächst nach "Ibadu", dann nach Lagos und letztlich nach Europa geflüchtet sei. Im März 2004 sei auch seine Mutter - wie er später erfahren habe - getötet worden. Bei einer Rückkehr nach Nigeria fürchte der Beschwerdeführer um sein Leben.
Mit Bescheid vom 9. März 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).
Das Bundesasylamt ging aufgrund der von ihm vorgenommenen Beweiswürdigung, die mit näher ausgeführten Plausibilitätsüberlegungen und mit dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers auf Vorhalte zur Nichtinanspruchnahme staatlichen Schutzes und zur Unterlassung eines Ortswechsels innerhalb Nigerias begründet wurde, von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus. Das Bundesasylamt kam deshalb rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Im Übrigen ging es auch davon aus, dass die behauptete Verfolgung in keinem Zusammenhang mit einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe stehe. Mangels familiärer "Anbindungen" in Österreich hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung des Beschwerdeführers für gerechtfertigt.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 2005 "gemäß § 7, § 8 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerde bekämpft zwar die (von der belangten Behörde übernommene) Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und meint, die Argumente seien "alles andere als überzeugend", ohne dass es ihr aber mit den weiteren Ausführungen gelänge, insoweit eine Unschlüssigkeit oder Denkunmöglichkeit aufzuzeigen. Entgegen der Beschwerdemeinung lag daher keine derart "eklatante Schwäche dieser Argumente" vor, welche die belangte Behörde zur Abhaltung einer Berufungsverhandlung hätten veranlassen müssen. Angesichts des allgemein gehaltenen, ohne Fallbezug bleibenden Inhaltes der Berufung, in der auch die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht konkret und substanziiert bekämpft wurde, bestand - ungeachtet eines darauf abzielenden ausdrücklichen Antrages - auch unter diesem Gesichtspunkt kein ausreichender Grund für die Durchführung einer Berufungsverhandlung (vgl. zur Verhandlungspflicht der belangten Behörde aufgrund eines Parteienantrages grundlegend das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533).
Im Übrigen tritt die Beschwerde auch der - zutreffenden - Auffassung, dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu der ihm angeblich drohenden Privatverfolgung sei ein Zusammenhang mit einem Konventionsgrund nicht zu entnehmen, nicht wirksam entgegen. Auf die in der Beschwerde erörterte Frage, ob der Staat "seiner Schutzpflicht nachkommen kann", käme es insoweit nur an, wenn die staatlichen Einrichtungen diesen Schutz aus Konventionsgründen nicht gewährten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0574, und danach das Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2000/01/0098). Dafür bestehen allerdings im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte und werden auch in der Beschwerde nicht dargetan.
Soweit sich die Beschwerdeausführungen auch noch mit einer inländischen Fluchtalternative befassen, wird übersehen, dass die Asylbehörden die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers darauf in ihren Bescheiden nicht gestützt haben.
Schließlich vermag aber auch der generelle, keinen konkreten Fallbezug herstellende Hinweis auf die Armut eines Großteils der nigerianischen Bevölkerung keinen ausreichenden Beleg dafür darzustellen, dass der erwachsene, seinen Angaben zufolge ein Jahr Universitätsbesuch aufweisende und trotz des angeblichen Todes seiner Eltern auch über Familienanschluss verfügende Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria mit entsprechender Wahrscheinlichkeit ("real risk") einer unter Gesichtspunkten des Art. 3 EMRK relevanten existenzbedrohenden Notlage ausgesetzt sein werde.
Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.
Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 23. November 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005200406.X00Im RIS seit
29.01.2007