Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Walter Kraft (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Angelika N*****, AHS-Lehrerin, *****, vertreten durch Neumayer & Walter Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen S 75,38 sA, infolge Rekurses (unrichtig bezeichnet als Revision) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Feber 1999, GZ 8 Rs 286/98g-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Juli 1998, GZ 9 Cgs 420/97a-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
In der Sache selbst wird zu Recht erkannt, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin den Betrag von S 75,38 binnen 14 Tagen zu zahlen, abgewiesen wird.
Text
Entscheidungsgründe:
Die in Langenzersdorf wohnhafte Klägerin begehrte nach Einschränkung ihres Begehrens Kostenerstattung für 7 Massagen a S 13,46, zusammen daher S 94,22. Diese Massagen waren Teil der Behandlung eines Bandscheibenvorfalls, die der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Imb in Wien vornahm. Dieser Arzt steht in keinem Vertragsverhältnis zur beklagten Gebietskrankenkasse und wurde von der Klägerin als Wahlarzt in Anspruch genommen.
Die beklagte Partei hat die Kostenerstattung mit Bescheid vom 9. 12. 1997 mit der Begründung abgelehnt, dass Massagenbehandlungen nur im Tarif für Vertragsfachärzte für physikalische Medizin und im Tarif für praktische Vertragsärzte (mit besonderer Berechtigung), nicht aber im Tarif für Fachärzte Neurologie und Psychiatrie aufscheinen und die zuletzt Genannten daher keine "entsprechenden Vertragspartner" im Sinne des § 131 Abs 1 ASVG seien.Die beklagte Partei hat die Kostenerstattung mit Bescheid vom 9. 12. 1997 mit der Begründung abgelehnt, dass Massagenbehandlungen nur im Tarif für Vertragsfachärzte für physikalische Medizin und im Tarif für praktische Vertragsärzte (mit besonderer Berechtigung), nicht aber im Tarif für Fachärzte Neurologie und Psychiatrie aufscheinen und die zuletzt Genannten daher keine "entsprechenden Vertragspartner" im Sinne des Paragraph 131, Absatz eins, ASVG seien.
Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren zum Teil statt. Es sprach der Klägerin 80 vH des eingeklagten Betrages, also S 75,38 zu und wies das Mehrbegehren von S 18,84 (rechtskräftig) ab. Die Klägerin habe im Rahmen des § 131 Abs 1 ASVG Anspruch auf Ersatz von 80 vH der Kosten eines entsprechenden Vertragspartners nach dem für die beklagte Partei günstigsten Tarif physikalischer Behandlungen bei praktischen Vertragsärzten.Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren zum Teil statt. Es sprach der Klägerin 80 vH des eingeklagten Betrages, also S 75,38 zu und wies das Mehrbegehren von S 18,84 (rechtskräftig) ab. Die Klägerin habe im Rahmen des Paragraph 131, Absatz eins, ASVG Anspruch auf Ersatz von 80 vH der Kosten eines entsprechenden Vertragspartners nach dem für die beklagte Partei günstigsten Tarif physikalischer Behandlungen bei praktischen Vertragsärzten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil (gemeint: in seinem stattgebenden Teil) auf und verwies die Sache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Das Erstgericht habe sich mit der Frage, ob es sich bei der gegenständlichen Behandlung um eine neurologische oder physiotherapeutische Tätigkeit gehandelt habe, nicht auseinandergesetzt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der (unrichtig als Revision bezeichnete) Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, in der Sache selbst das Ersturteil wieder herzustellen.
Die beklagte Partei erstattete eine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist wegen Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht zulässig und im Ergebnis insofern berechtigt, als er die Spruchreife der Sache geltend macht.
Im hier zu beurteilenden Fall steht nicht in Zweifel, dass die betreffende ärztliche Leistung, nämlich die Massage als physiotherapeutische Behandlung, zum Inhalt des Krankenbehandlungsanspruches gehört. Die Parteien des Gesamtvertrages haben in der Honorarordnung, die einen Bestandteil des Gesamtvertrages bildet (§ 30 Abs 1 Gesamtvertrag), auch entsprechende Leistungspositionen verankert, die allerdings nicht von jedem allenfalls berufsrechtlich (also vor allem nach dem Ärztegesetz) in Betracht kommenden Vertragsarzt verrechnet werden dürfen. Wie unstrittig ist, findet sich die Massagebehandlung in den Tarifen der Honorarordnung für Vertragsfachärzte der physikalischen Medizin und für praktische Ärzte mit einer besonderen Berechtigung, nicht jedoch im Tarif für Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie. Wie der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen und mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (E vom 30. 3. 1999, 10 ObS 403/98g, teilw veröff. in ARD 5040/9/99 und ZASB 1999, 28 RIS-Justiz RS0111711; auf diese Entscheidung kann verwiesen werden), ist damit - aus der Sicht des Gesamtvertrages und der Honorarordnung - die entsprechende Behandlung den Vertragsfachärzten für physikalische Medizin und bestimmten praktischen Ärzten vorbehalten. Jedenfalls hat aber jeder bei der beklagten Partei Krankenversicherte die Möglichkeit, die betreffende Leistung als Sachleistung in Anspruch zu nehmen. Diese gesamtvertragliche Einschränkung der Verrechenbarkeit ist grundsätzlich zulässig, weil sie in der Regel berechtigten Interessen beider Vertragsparteien entspricht. Solche Beschränkungen dienen vorrangig dazu, die flächendeckende medizinische Versorgung im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit zu steuern. Dabei handelt es sich entweder um ärztliche Leistungen, die eine besondere Qualifikation des Arztes erfordern, oder um Leistungen, die besondere Kosten verursachen, etwa weil sie den Einsatz teurer Geräte erfordern. Wenn daher in Gesamtverträgen vorgesehen ist, dass nicht jeder Vertragspartner alle notwendigen Leistungen erbringen darf, auf die der Versicherte Anspruch hat, so bedeutet dies noch keine Einschränkung des Krankenbehandlungsanspruches (Schrammel, Veränderung des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht? ZAS 1986, 145, 152 mwN; 10 ObS 403/98g). Insoweit hat sich der Vertragsarzt durch die Akzeptanz des Gesamtvertrages den in den Sozialversicherungsgesetzen vorgesehenen Steuerungsmechanismen unterworfen, die notwendig sind, um eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Leistungserbringung sicherzustellen. Die Aussicht, vom Versicherten eine Honorarzahlung verlangen zu können, würde nämlich einen Anreiz schaffen, die betreffenden verrechnungsbeschränkten Leistungen dennoch zu erbringen (Grillberger aaO). Dies könnte dazu führen, dass die verrechnungsberechtigten Ärzte einen Teil ihrer Patienten verlieren. Es gehört daher zu den durch Gesamtvertrag geregelten Pflichten der Vertragsärzte, sich an derartige Einschränkungen zu halten. Wie der Oberste Gerichtshof weiters ausgeführt hat, wirkt damit eine Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeit hinsichtlich bestimmter Behandlungen und Untersuchungen auch auf andere Vertragsfachärzte, aber auch auf Wahlärzte, also Ärzte, die in keinem Vertragsverhältnis zu dem jeweiligen Versicherungsträger stehen. Im hier zu beurteilenden Fall handelt es sich nicht um ärztliche Leistungen, die auf Kosten der Beklagten nicht in Anspruch genommen werden könnten, sondern um solche, deren Refundierung aus sachlich gerechtfertigten Gründen nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung auf ein ärztliches Fachgebiet beschränkt wurde. Die beklagte Partei ist daher etwa nicht verpflichtet, ihren Vertragsärzten für Neurologie und Psychiatrie rein physikalische Behandlungen zu honorieren. Daraus folgt aber, dass auch der Versicherte keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 131 Abs 1 ASVG haben kann, sondern eine solche Behandlung nur als "Privatpatient" auf eigene Kosten in Anspruch nehmen kann. Zu der Frage, ob ein Facharzt für Neurologie nach den Bestimmungen des Ärztegesetzes berechtigt ist, solche Behandlungen vorzunehmen (vgl die Entscheidung vom 9. 2. 1999, 10 ObS 340/98t, teilw veröff. ARD 5017/1799 und DRdA 1999, 406 [Flemmich]), braucht im vorliegenden Fall nicht Stellung genommen zu werden. Selbst wenn man diese Frage bejahte, ergibt sich daraus noch nicht die Verrechenbarkeit solcher erbrachter Leistungen gegenüber dem Krankenversicherungsträger und letztlich die Kostenerstattungspflicht gegenüber dem Versicherten (nochmals 10 ObS 403/98g). Ein Fall des § 131 Abs 3 ASVG (dringende Inanspruchnahme des nächst erreichbaren Arztes) liegt nach den Feststellungen nicht vor. Die von der Revisionswerberin als verfassung- bzw gesetzwidrig bezeichneten Bestimmungen der Krankenordnung sind nicht präjudiziell.Im hier zu beurteilenden Fall steht nicht in Zweifel, dass die betreffende ärztliche Leistung, nämlich die Massage als physiotherapeutische Behandlung, zum Inhalt des Krankenbehandlungsanspruches gehört. Die Parteien des Gesamtvertrages haben in der Honorarordnung, die einen Bestandteil des Gesamtvertrages bildet (Paragraph 30, Absatz eins, Gesamtvertrag), auch entsprechende Leistungspositionen verankert, die allerdings nicht von jedem allenfalls berufsrechtlich (also vor allem nach dem Ärztegesetz) in Betracht kommenden Vertragsarzt verrechnet werden dürfen. Wie unstrittig ist, findet sich die Massagebehandlung in den Tarifen der Honorarordnung für Vertragsfachärzte der physikalischen Medizin und für praktische Ärzte mit einer besonderen Berechtigung, nicht jedoch im Tarif für Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie. Wie der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen und mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (E vom 30. 3. 1999, 10 ObS 403/98g, teilw veröff. in ARD 5040/9/99 und ZASB 1999, 28 RIS-Justiz RS0111711; auf diese Entscheidung kann verwiesen werden), ist damit - aus der Sicht des Gesamtvertrages und der Honorarordnung - die entsprechende Behandlung den Vertragsfachärzten für physikalische Medizin und bestimmten praktischen Ärzten vorbehalten. Jedenfalls hat aber jeder bei der beklagten Partei Krankenversicherte die Möglichkeit, die betreffende Leistung als Sachleistung in Anspruch zu nehmen. Diese gesamtvertragliche Einschränkung der Verrechenbarkeit ist grundsätzlich zulässig, weil sie in der Regel berechtigten Interessen beider Vertragsparteien entspricht. Solche Beschränkungen dienen vorrangig dazu, die flächendeckende medizinische Versorgung im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit zu steuern. Dabei handelt es sich entweder um ärztliche Leistungen, die eine besondere Qualifikation des Arztes erfordern, oder um Leistungen, die besondere Kosten verursachen, etwa weil sie den Einsatz teurer Geräte erfordern. Wenn daher in Gesamtverträgen vorgesehen ist, dass nicht jeder Vertragspartner alle notwendigen Leistungen erbringen darf, auf die der Versicherte Anspruch hat, so bedeutet dies noch keine Einschränkung des Krankenbehandlungsanspruches (Schrammel, Veränderung des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht? ZAS 1986, 145, 152 mwN; 10 ObS 403/98g). Insoweit hat sich der Vertragsarzt durch die Akzeptanz des Gesamtvertrages den in den Sozialversicherungsgesetzen vorgesehenen Steuerungsmechanismen unterworfen, die notwendig sind, um eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Leistungserbringung sicherzustellen. Die Aussicht, vom Versicherten eine Honorarzahlung verlangen zu können, würde nämlich einen Anreiz schaffen, die betreffenden verrechnungsbeschränkten Leistungen dennoch zu erbringen (Grillberger aaO). Dies könnte dazu führen, dass die verrechnungsberechtigten Ärzte einen Teil ihrer Patienten verlieren. Es gehört daher zu den durch Gesamtvertrag geregelten Pflichten der Vertragsärzte, sich an derartige Einschränkungen zu halten. Wie der Oberste Gerichtshof weiters ausgeführt hat, wirkt damit eine Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeit hinsichtlich bestimmter Behandlungen und Untersuchungen auch auf andere Vertragsfachärzte, aber auch auf Wahlärzte, also Ärzte, die in keinem Vertragsverhältnis zu dem jeweiligen Versicherungsträger stehen. Im hier zu beurteilenden Fall handelt es sich nicht um ärztliche Leistungen, die auf Kosten der Beklagten nicht in Anspruch genommen werden könnten, sondern um solche, deren Refundierung aus sachlich gerechtfertigten Gründen nach dem Gesamtvertrag und der Honorarordnung auf ein ärztliches Fachgebiet beschränkt wurde. Die beklagte Partei ist daher etwa nicht verpflichtet, ihren Vertragsärzten für Neurologie und Psychiatrie rein physikalische Behandlungen zu honorieren. Daraus folgt aber, dass auch der Versicherte keinen Kostenerstattungsanspruch nach Paragraph 131, Absatz eins, ASVG haben kann, sondern eine solche Behandlung nur als "Privatpatient" auf eigene Kosten in Anspruch nehmen kann. Zu der Frage, ob ein Facharzt für Neurologie nach den Bestimmungen des Ärztegesetzes berechtigt ist, solche Behandlungen vorzunehmen vergleiche die Entscheidung vom 9. 2. 1999, 10 ObS 340/98t, teilw veröff. ARD 5017/1799 und DRdA 1999, 406 [Flemmich]), braucht im vorliegenden Fall nicht Stellung genommen zu werden. Selbst wenn man diese Frage bejahte, ergibt sich daraus noch nicht die Verrechenbarkeit solcher erbrachter Leistungen gegenüber dem Krankenversicherungsträger und letztlich die Kostenerstattungspflicht gegenüber dem Versicherten (nochmals 10 ObS 403/98g). Ein Fall des Paragraph 131, Absatz 3, ASVG (dringende Inanspruchnahme des nächst erreichbaren Arztes) liegt nach den Feststellungen nicht vor. Die von der Revisionswerberin als verfassung- bzw gesetzwidrig bezeichneten Bestimmungen der Krankenordnung sind nicht präjudiziell.
Dem Rekurs war daher im Ergebnis Folge zu geben. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO kann der Oberste Gerichtshof über einen solchen Rekurs durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Streitsache zur Entscheidung reif ist, und zwar auch zum Nachteil des Rekurswerbers (SSV-NF 4/84 mwN; Rechberger/Kodek, ZPO 1116 in Rz 5 zu § 519). Das Klagebegehren war daher, soweit es nicht bereits vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen wurde, auch im restlichen Umfang abzuweisen.Dem Rekurs war daher im Ergebnis Folge zu geben. Gemäß Paragraph 519, Absatz 2, letzter Satz ZPO kann der Oberste Gerichtshof über einen solchen Rekurs durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Streitsache zur Entscheidung reif ist, und zwar auch zum Nachteil des Rekurswerbers (SSV-NF 4/84 mwN; Rechberger/Kodek, ZPO 1116 in Rz 5 zu Paragraph 519,). Das Klagebegehren war daher, soweit es nicht bereits vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen wurde, auch im restlichen Umfang abzuweisen.
Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.
Anmerkung
E56413 10C01029European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1999:010OBS00102.99V.1130.000Dokumentnummer
JJT_19991130_OGH0002_010OBS00102_99V0000_000