TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/23 2005/20/0620

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des S (auch D) in W, geboren 1967, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Rudolf Diesel-Straße 26, gegen den am 22. Juni 2005 verkündeten und am 5. Juli 2005 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates Zl. 250.534/16-II/04/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben zufolge Anfang Mai 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. Mai 2004 einen Asylantrag. Diesen Antrag begründete der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren mit der für ihn in China seiner Ansicht nach bestehenden (in der Berufung näher dargestellten) asylrelevanten Verfolgungsgefahr wegen der Verteilung von Flugblättern für die Falun-Gong-Bewegung in Verbindung mit einem Übergriff auf einen Staatsbeamten im Zusammenhang mit Maßnahmen aufgrund des Verstoßes gegen die chinesische "Ein-Kind-Politik".

Mit Bescheid vom 26. Mai 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Volksrepublik China fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde - nach Durchführung von Verhandlungen unter Beiziehung eines Sachverständigen "für die aktuelle politische Situation in China" am 2. Juli 2004 und am 22. Juni 2005 - mit dem beim letzten Termin verkündeten, angefochtenen Bescheid "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG" ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die schriftliche Bescheidausfertigung vom 5. Juli 2005 beginnt mit einer gerafften Darstellung des Verfahrensganges und setzt hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens - ohne eine (zumindest zusammengefasste) Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers vorzunehmen - mit einer Verweisung auf den erstinstanzlichen Bescheid und hinsichtlich des "Geschehens in der Berufungsverhandlung" mit einer Verweisung auf die Verhandlungsschriften fort. Daran schließen folgende Ausführungen zu den der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegten Feststellungen an:

"Dieser Entscheidung liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zugrunde

a) hinsichtlich der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat des Berufungswerbers die diesbezüglichen Ausführungen des landeskundlichen Sachverständigen,

b) hinsichtlich der konkreten Lebensumstände des Berufungswerbers dessen Vorbringen in seiner letzten Fassung (...) jedoch nur, soweit es mit der Beurteilung des zugezogenen Sachverständigen im Einklang steht; hinsichtlich des - weit überwiegenden - komplementären Teils folgt der unabhängige Bundesasylsenat den diesbezüglichen, schlüssigen und nachvollziehbaren, auf dieses Vorbringen konkret Bedacht genommen habenden Darlegungen des Sachverständigen, denen der Berufungswerber nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist (s. näher unten Punkt III/A)."

Mit diesen Ausführungen entspricht die belangte Behörde nicht dem Gebot, in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise (unter anderem) darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde. Nach dem wiedergegebenen, abstrakt bleibenden Begründungsduktus ist nicht nachvollziehbar, welche konkreten Tatsachen die belangte Behörde ihrer Beurteilung zugrunde legen wollte und welche Umstände des Vorbringens für nicht zutreffend erachtet wurden, zumal es die belangte Behörde unterlassen hat, das Vorbringen des Beschwerdeführers und die Ausführungen des Sachverständigen in der Bescheidbegründung zueinander konkret in Beziehung zu setzen.

Dieser Vorwurf ist der belangten Behörde aber auch in Bezug auf den beweiswürdigenden Begründungsteil (in dem erwähnten Punkt III/A), der den schon im Verhandlungsprotokoll festgehaltenen Gründen entspricht, zu machen. Darin wurde nämlich mit bloß kursorischen Hinweisen auf die Ausführungen des Sachverständigen, die nur pauschal als nachvollziehbar und schlüssig bewertet wurden, lediglich das Ergebnis der Beweiswürdigung zum Ausdruck gebracht. Dass der Beschwerdeführer "bis zuletzt dieser Beurteilung des Sachverständigen nicht zugestimmt" habe, wird im angefochtenen Bescheid zwar erwähnt, eine inhaltliche Auseinandersetzungen mit diesen "verschiedenen Erwiderungen" des Beschwerdeführers ist der Bescheidbegründung jedoch nicht zu entnehmen, sondern wiederum nur ein genereller Verweis auf nicht näher angeführte Darlegungen des Sachverständigen. Demnach fehlt im angefochtenen Bescheid auch eine nachvollziehbare argumentative Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den konkreten Verfahrensergebnissen (vgl. zu den Anforderungen an eine dem Gesetz entsprechende Begründung etwa die Nachweise in dem hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596, insbesondere das Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2003/20/0349).

Die Auseinandersetzung mit den Einwänden des Beschwerdeführers war aber auch nicht deshalb entbehrlich, weil er - wie die belangte Behörde meint - den Ausführungen des Sachverständigen nicht "auf gleicher fachlicher Ebene" entgegen getreten sei. Ein derartiges generelles Erfordernis für ein Entkräften von Ausführungen eines länderkundlichen Sachverständigen durch widersprechende Behauptungen der Partei kann aber nicht ohne Differenzierung und ohne Bedachtnahme auf die im einzelnen zu beurteilenden Fragen angenommen werden. Insbesondere wenn es um die Beurteilung von nach dem Parteienvorbringen vom Asylwerber selbst erlebten Geschehnissen geht, könnte dieser von der belangten Behörde herangezogene Einwand für sich genommen nicht genügen; unter Umständen kann ein substanziiertes Parteienvorbringen auch ohne Weiteres die Pflicht des Sachverständigen auslösen, seine Darlegungen durch (zusätzliche) Quellen zu belegen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Nachweise in dem hg. Erkenntnis vom 1. April 2004, Zl. 2002/20/0440).

Hinsichtlich der Bestätigung des Ausspruches nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde überdies rechtlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit damit die Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurden, angesichts der aufgezeigten Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid auch Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vorzunehmen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Von den dort angeführten Pauschbeträgen ist die Umsatzsteuer, deren Ersatz in der Beschwerde zusätzlich angesprochen wurde, bereits erfasst, weshalb das diesbezügliche Begehren abzuweisen war.

Wien, am 23. November 2006

Schlagworte

Gutachten Beweiswürdigung der BehördeBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelBeweismittel SachverständigenbeweisAnforderung an ein GutachtenGutachten ErgänzungGutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende Privatgutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200620.X00

Im RIS seit

01.02.2007

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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