TE OGH 1999/12/14 4Ob313/99d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.1999
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20 - 22, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, ***** vertreten durch Advokaturbüro Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 21. September 1999, GZ 2 R 197/99h-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Juli 1999, GZ 8 Cg 139/99i-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ab.Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (Paragraph 526, Absatz 2, ZPO) Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO ab.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der der Klage und dem Sicherungsantrag zugrunde liegende Sachverhalt als reiner "Inlandssachverhalt" oder als "grenzüberschreitender Sachverhalt" (die "nominative Sendung" an die in Wien wohnende "auserwählte Frau" wurde laut Beilage A offenbar in Frankreich aufgegeben) zu werten ist, ob also für die Beurteilung der Irreführungseignung dieser Sendung auf die "flüchtige Durchschnittsbetrachterin" (im Sinne der österreichischen Rechtsprechung zu § 2 UWG) oder auf die "mündige und verständige Verbraucherin" (im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zu Art 2 Z 2 der Irreführungs-RL 84/450/EWG des Rates vom 10. 9. 1984 [etwa EuGH, 6. 7. 1995, C-470/93-Mars = WBl 1995, 370]) abzustellen ist. Selbst unter Anlegung des für die werbende Beklagte gelinderen (zugleich für die umworbenen Personen strengeren) Maßstabs des europäischen Verbraucherleitbildes ist unter den hier vorliegenden Umständen die vorinstanzliche Bejahung der Irreführungseignung (über die Tatsache des Geldgewinns, der nur mehr rechtzeitig und zugleich mit einer als "unverbindlicher Test" benannten Warenbestellung abzurufen sei) als Ergebnis einer durch Gesetz und Rechtsprechung gedeckten und die Rechtslage keineswegs verkennenden, sondern vertretbaren rechtlichen Beurteilung anzusehen. Gerade die außergewöhnlich lang(atmig)e Darstellung der "Auswahl der Gewinnerin" durch eine - nicht eindeutig zuordenbare - "unwiderrufliche Wählbarkeitsbescheinigung", die Übermittlung des sieben Tage gültigen Gewinnzertifikats (Beilage D), das Drängen auf sofortige Entschließung (reservierte Überraschung als Prämie für Schnellentschlossene) und die nur von der Übersendung des "Gewinnannahme-Zertifikats und der Bescheinigung für einen unverbindlichen Test" (= Warenbestellung, wobei für die Anforderung von zwei, drei oder mindestens fünf Produkten weitere Gratisgaben zugesagt werden) abhängig erscheinende Gewinnauszahlung (Beilage B verso) lassen eben auch Irrtümer davon angesprochener mündiger und verständiger Verbraucher als möglich erscheinen. Weil durch die Koppelung der "Gewinnannahme" mit der Warenbestellung (wie Beilage D) auch für diesen Verbraucherkreis die Zwangslage besteht, zumindest ein Produkt anzufordern, weil dies zur sicheren Abrufung des Gewinns nötig oder jedenfalls förderlich sein könnte, wird durch die festgestellte Irreführung überdies auch der Kaufentschluss (das wirtschaftliche Verhalten im Sinn des Art 2 Z 2 der Irreführungs-RL) der solcherart umworbenen Personen beeinflusst, wie dies gerade auch der vorliegende Fall zeigt, in dem die "auserwählte Frau" eine Warenbestellung (einer "normalen [Abmagerungs-]Kur" um 499 S samt Porto) bei der Beklagten vornahm. Von der festgestellten Werbeaktion der Beklagten kann somit auch ein mündiger und zumindest durchschnittlich kritischer Verbraucher in Irrtum geführt werden, weshalb es hier - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - auf die Frage, ob § 2 UWG im Sinne der Irreführungs-RL auszulegen ist, nicht ankommt (ÖBl 1997, 176 - MANZ Rot; ÖBl 1998, 238 - Zocord - 'R' mwN; 4 Ob 245/98b mwN uam).Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der der Klage und dem Sicherungsantrag zugrunde liegende Sachverhalt als reiner "Inlandssachverhalt" oder als "grenzüberschreitender Sachverhalt" (die "nominative Sendung" an die in Wien wohnende "auserwählte Frau" wurde laut Beilage A offenbar in Frankreich aufgegeben) zu werten ist, ob also für die Beurteilung der Irreführungseignung dieser Sendung auf die "flüchtige Durchschnittsbetrachterin" (im Sinne der österreichischen Rechtsprechung zu Paragraph 2, UWG) oder auf die "mündige und verständige Verbraucherin" (im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 2, Ziffer 2, der Irreführungs-RL 84/450/EWG des Rates vom 10. 9. 1984 [etwa EuGH, 6. 7. 1995, C-470/93-Mars = WBl 1995, 370]) abzustellen ist. Selbst unter Anlegung des für die werbende Beklagte gelinderen (zugleich für die umworbenen Personen strengeren) Maßstabs des europäischen Verbraucherleitbildes ist unter den hier vorliegenden Umständen die vorinstanzliche Bejahung der Irreführungseignung (über die Tatsache des Geldgewinns, der nur mehr rechtzeitig und zugleich mit einer als "unverbindlicher Test" benannten Warenbestellung abzurufen sei) als Ergebnis einer durch Gesetz und Rechtsprechung gedeckten und die Rechtslage keineswegs verkennenden, sondern vertretbaren rechtlichen Beurteilung anzusehen. Gerade die außergewöhnlich lang(atmig)e Darstellung der "Auswahl der Gewinnerin" durch eine - nicht eindeutig zuordenbare - "unwiderrufliche Wählbarkeitsbescheinigung", die Übermittlung des sieben Tage gültigen Gewinnzertifikats (Beilage D), das Drängen auf sofortige Entschließung (reservierte Überraschung als Prämie für Schnellentschlossene) und die nur von der Übersendung des "Gewinnannahme-Zertifikats und der Bescheinigung für einen unverbindlichen Test" (= Warenbestellung, wobei für die Anforderung von zwei, drei oder mindestens fünf Produkten weitere Gratisgaben zugesagt werden) abhängig erscheinende Gewinnauszahlung (Beilage B verso) lassen eben auch Irrtümer davon angesprochener mündiger und verständiger Verbraucher als möglich erscheinen. Weil durch die Koppelung der "Gewinnannahme" mit der Warenbestellung (wie Beilage D) auch für diesen Verbraucherkreis die Zwangslage besteht, zumindest ein Produkt anzufordern, weil dies zur sicheren Abrufung des Gewinns nötig oder jedenfalls förderlich sein könnte, wird durch die festgestellte Irreführung überdies auch der Kaufentschluss (das wirtschaftliche Verhalten im Sinn des Artikel 2, Ziffer 2, der Irreführungs-RL) der solcherart umworbenen Personen beeinflusst, wie dies gerade auch der vorliegende Fall zeigt, in dem die "auserwählte Frau" eine Warenbestellung (einer "normalen [Abmagerungs-]Kur" um 499 S samt Porto) bei der Beklagten vornahm. Von der festgestellten Werbeaktion der Beklagten kann somit auch ein mündiger und zumindest durchschnittlich kritischer Verbraucher in Irrtum geführt werden, weshalb es hier - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - auf die Frage, ob Paragraph 2, UWG im Sinne der Irreführungs-RL auszulegen ist, nicht ankommt (ÖBl 1997, 176 - MANZ Rot; ÖBl 1998, 238 - Zocord - 'R' mwN; 4 Ob 245/98b mwN uam).

Dass für die Adressaten der vorliegenden Werbeaktion psychischer "Kaufzwang" (auf Bestellung von Produkten der Beklagten) entstehen konnte, hat die Vorinstanz zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (die zitierte Entscheidung ist weiters veröffentlicht zu SZ 71/36 sowie ÖBl 1998, 193 - 1. Hauptpreis [zust Langer]) in vertretbarer Rechtsanwendung bejaht. Dieser Zwang wurde auch nicht durch die 30tägige Rückgabemöglichkeit "bei nicht hundertprozentiger Zufriedenheit" entschärft oder gar aufgehoben, weil erfahrungsgemäß einmal bestellte und bereits teilweise verwendete/verbrauchte und womöglich bezahlte Waren aus den schon den psychischen Kaufzwang selbst auslösenden Anstandsgefühlen der Beworbenen und wegen der für diese damit verbundenen Unbequemlichkeit, selbst aktiv werden zu müssen, nicht mehr zurückgesendet werden.

Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung des Revisionsrekurses.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO.Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO.

Anmerkung

E56352 04A03139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0040OB00313.99D.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19991214_OGH0002_0040OB00313_99D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten