TE OGH 1999/12/15 6Ob307/99m

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Veröffentlicht am 15.12.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der beim Landesgericht Wels zu FN 134696h eingetragenen G***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in W***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Geschäftsführers Andreas B*****, und der Gesellschaft, ebendort, beide vertreten durch Dr. Josef Broinger und andere Rechtsanwälte in Eferding, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 13. Oktober 1999, GZ 6 R 172/99b (27 Fr 225/99f)-6, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 15 Abs 1 FBG iVm § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des Paragraph 15, Absatz eins, FBG in Verbindung mit Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG zurückgewiesen (Paragraph 16, Absatz 4, AußStrG in Verbindung mit Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Es wurde selbst der Aufforderung, die Merkmale für die Einordnung in die Größenklassen gemäß § 221 HGB bekanntzugeben, bislang nicht entsprochen. Unterlässt die Gesellschaft die fristgemäße Mitteilung, so gelten die von der Größe der Gesellschaft abhängigen Vorschriften gemäß § 282 Abs 2 HGB zu Unrecht in Anspruch genommen. Demnach besteht bei Unterlassen der (fristgerechten) Mitteilung über die Größenmerkmale die gesetzliche Vermutung, dass es sich bei der Gesellschaft um eine große Gesellschaft handelt (Zehetner, Folgen der Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses, ecolex 1998, 482). Die erstmals im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Behauptung, es liege eine kleine Gesellschaft vor, ist daher unbeachtlich. Schon deshalb ist auf die im Revisionsrekurs als erheblich im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG bezeichnete Frage der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Normen über die Offenlegungspflicht kleiner Kapitalgesellschaften nicht weiter einzugehen.Es wurde selbst der Aufforderung, die Merkmale für die Einordnung in die Größenklassen gemäß Paragraph 221, HGB bekanntzugeben, bislang nicht entsprochen. Unterlässt die Gesellschaft die fristgemäße Mitteilung, so gelten die von der Größe der Gesellschaft abhängigen Vorschriften gemäß Paragraph 282, Absatz 2, HGB zu Unrecht in Anspruch genommen. Demnach besteht bei Unterlassen der (fristgerechten) Mitteilung über die Größenmerkmale die gesetzliche Vermutung, dass es sich bei der Gesellschaft um eine große Gesellschaft handelt (Zehetner, Folgen der Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses, ecolex 1998, 482). Die erstmals im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Behauptung, es liege eine kleine Gesellschaft vor, ist daher unbeachtlich. Schon deshalb ist auf die im Revisionsrekurs als erheblich im Sinn des Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG bezeichnete Frage der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Normen über die Offenlegungspflicht kleiner Kapitalgesellschaften nicht weiter einzugehen.

Darüber hinaus vermag der Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen, inwieweit die Bestimmungen des HGB über die Offenlegungspflichten den einschlägigen Richtlinien, insbesondere der hier in Betracht kommenden Publizitätsrichtlinie (68/151/EWG) und der Bilanzrichtlinie (78/660/EWG) widersprechen sollten. In diesen ist die grundsätzliche Offenlegungspflicht des Jahresabschlusses festgelegt (vgl insbesondere Art 2 und 3 der Publizitätsrichtlinie und Art 2, 47 der Bilanzrichtlinie). Insoweit lassen die betreffenden Richtlinien der innerstaatlichen Umsetzung keinen Spielraum.Darüber hinaus vermag der Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen, inwieweit die Bestimmungen des HGB über die Offenlegungspflichten den einschlägigen Richtlinien, insbesondere der hier in Betracht kommenden Publizitätsrichtlinie (68/151/EWG) und der Bilanzrichtlinie (78/660/EWG) widersprechen sollten. In diesen ist die grundsätzliche Offenlegungspflicht des Jahresabschlusses festgelegt vergleiche insbesondere Artikel 2 und 3 der Publizitätsrichtlinie und Artikel 2,, 47 der Bilanzrichtlinie). Insoweit lassen die betreffenden Richtlinien der innerstaatlichen Umsetzung keinen Spielraum.

Dass die in Österreich bereits umgesetzten Richtlinien nicht gegen - gesatztes oder ungesatztes - Primärrecht verstoßen, ist durch die Entscheidung des EuGH vom 4. 12. 1997, C-97/96 ("Daihatsu-Urteil") klargestellt, in der unter anderem betont wird, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können. Die Bestimmungen des Art 3 der Publizitätsrichtlinie, die die Führung eines öffentlichen Registers, in das alle offenzulegenden Urkunden und Angaben einzutragen sind, sowie für jedermann die Möglichkeit vorsehen, Abschriften der Jahresabschlüsse zugesandt zu bekommen, bestätigen das Bestreben, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen. Dieses Bestreben findet auch in den Begründungserwägungen der 4. Richtlinie (Bilanzrichtliniie) Ausdruck, in denen auf das Erfordernis hingewiesen wird, hinsichtlich des Umfanges der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen. Auch in Art 54 Abs 3 lit g EGV (nach Änderung jetzt Art 44 EG) ist vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede, ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden.Dass die in Österreich bereits umgesetzten Richtlinien nicht gegen - gesatztes oder ungesatztes - Primärrecht verstoßen, ist durch die Entscheidung des EuGH vom 4. 12. 1997, C-97/96 ("Daihatsu-Urteil") klargestellt, in der unter anderem betont wird, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können. Die Bestimmungen des Artikel 3, der Publizitätsrichtlinie, die die Führung eines öffentlichen Registers, in das alle offenzulegenden Urkunden und Angaben einzutragen sind, sowie für jedermann die Möglichkeit vorsehen, Abschriften der Jahresabschlüsse zugesandt zu bekommen, bestätigen das Bestreben, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen. Dieses Bestreben findet auch in den Begründungserwägungen der 4. Richtlinie (Bilanzrichtliniie) Ausdruck, in denen auf das Erfordernis hingewiesen wird, hinsichtlich des Umfanges der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen. Auch in Artikel 54, Absatz 3, Litera g, EGV (nach Änderung jetzt Artikel 44, EG) ist vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede, ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden.

Die Offenlegung des Jahresabschlusses soll also gerade nicht nur Personen im Nahebereich der Gesellschaft wie etwa Gesellschafter und Gläubiger informieren, die über die Informationen ohnehin verfügen oder die sie sich verschaffen können, sondern "jedermann". "Dritter" ist demnach jeder Interessierte, insbesondere auch der Wettbewerber (Gruber, Bilanzpublizität für jedermann, RdW 1998, 525).

Der EuGH zieht im Sinn des Art 164 EGV (jetzt Art 220 EG) als für das Gemeinschaftsrecht allgemein gültigen Maßstab nicht nur das Vertragsrecht heran, sondern auch allgemeine Rechtsgrundsätze im Sinn der den mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen innewohnenden Rechtsprinzipien, wozu insbesondere auch die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gehören (Carsten Buck, Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 32 ff mwN; Jochen Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 6 ff). Demnach kann nach dem zitierten Urteil kein Zweifel bestehen, dass der EuGH die in den betreffenden Richtlinien normierten Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften als vertrags- und grundrechtskonform im aufgezeigten Sinn ansieht.Der EuGH zieht im Sinn des Artikel 164, EGV (jetzt Artikel 220, EG) als für das Gemeinschaftsrecht allgemein gültigen Maßstab nicht nur das Vertragsrecht heran, sondern auch allgemeine Rechtsgrundsätze im Sinn der den mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen innewohnenden Rechtsprinzipien, wozu insbesondere auch die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gehören (Carsten Buck, Über die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 32 ff mwN; Jochen Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften 6 ff). Demnach kann nach dem zitierten Urteil kein Zweifel bestehen, dass der EuGH die in den betreffenden Richtlinien normierten Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften als vertrags- und grundrechtskonform im aufgezeigten Sinn ansieht.

Das Gemeinschaftsrecht genießt Vorrang vor innerstaatlichem Recht, auch vor entgegenstehendem Verfassungsrecht (Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht8 Rz 246/9). Ein Verstoß der Umsetzung der Richtlinien betreffend die Offenlegungspflichten gegen den sogenannten "integrationsfesten Verfassungskern" (Walter-Mayer aaO Rz 246/10) kann ungeachtet der Verfassungsbestimmung des § 1 DSG, der ohnehin in Abs 2 entsprechende Ausnahmeregelungen enthält, nicht erblickt werden. Sofern § 1 Abs 2 DSG von den Richtlinien berührt wird, ist er richtlinienkonform auszulegen. Die bei Nowotny, Funktion der Rechnungslegung im Handels- und Gesellschaftsrecht, und Novacek in RdW 1991, 258 vorgetragenen Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit der Offenlegungsvorschriften entbehren durch die nachfolgende Verpflichtung Österreichs, die zitierten Richtlinien umzusetzen, an Aktualität. Die in der Revision ebenfalls zitierte Stellungnahme Grafenhofers in Industrie aktuell, Steuerrecht Folge 36 Str 31, verweisen letztlich lediglich auf die damals beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Individualanträge auf Aufhebung der Offenlegungsbestimmungen des HGB als verfassungs- und gemeinschaftswidrig, die der Verfasser zwar begrüßt hat, ohne jedoch rechtlich relevante Aspekte aufzuzeigen. Die betreffenden Individualbeschwerden wurden im Übrigen inzwischen vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen.Das Gemeinschaftsrecht genießt Vorrang vor innerstaatlichem Recht, auch vor entgegenstehendem Verfassungsrecht (Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht8 Rz 246/9). Ein Verstoß der Umsetzung der Richtlinien betreffend die Offenlegungspflichten gegen den sogenannten "integrationsfesten Verfassungskern" (Walter-Mayer aaO Rz 246/10) kann ungeachtet der Verfassungsbestimmung des Paragraph eins, DSG, der ohnehin in Absatz 2, entsprechende Ausnahmeregelungen enthält, nicht erblickt werden. Sofern Paragraph eins, Absatz 2, DSG von den Richtlinien berührt wird, ist er richtlinienkonform auszulegen. Die bei Nowotny, Funktion der Rechnungslegung im Handels- und Gesellschaftsrecht, und Novacek in RdW 1991, 258 vorgetragenen Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit der Offenlegungsvorschriften entbehren durch die nachfolgende Verpflichtung Österreichs, die zitierten Richtlinien umzusetzen, an Aktualität. Die in der Revision ebenfalls zitierte Stellungnahme Grafenhofers in Industrie aktuell, Steuerrecht Folge 36 Str 31, verweisen letztlich lediglich auf die damals beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Individualanträge auf Aufhebung der Offenlegungsbestimmungen des HGB als verfassungs- und gemeinschaftswidrig, die der Verfasser zwar begrüßt hat, ohne jedoch rechtlich relevante Aspekte aufzuzeigen. Die betreffenden Individualbeschwerden wurden im Übrigen inzwischen vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen.

Dem für die Offenlegungspflicht des Jahresabschlusses maßgebenden Kriterium, ob eine haftungsbeschränkte Rechtsform als Unternehmensträger gewählt wurde, kann im Hinblick auf die mögliche Mehrgefährdung der Gläubiger nicht fehlende Sachlichkeit vorgeworfen werden. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot ist darin jedenfalls nicht zu erblicken (Nowotny, Funktion der Rechnungslegung im Handels- und Gesellschaftsrecht 242).

Anmerkung

E56376 06A03079

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0060OB00307.99M.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19991215_OGH0002_0060OB00307_99M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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