TE Vfgh Beschluss 2002/6/26 G294/01 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2002
beobachten
merken

Index

L5 Kulturrecht
L5000 Pflichtschule allgemeinbildend

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Oö PflichtschulorganisationsG 1992 §6 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrages einer Gemeinde auf Aufhebung finanzausgleichsrechtlicher Regelungen im Bereich des Pflichtschulwesens betreffend Kostentragung und Schulerhaltungsbeiträge wegen Möglichkeit der Klagseinbringung nach Art137 B-VG

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die Gemeinde Pasching ist Schulerhalter der sich dort befindenden Volksschulen und der Hauptschule. Mit den auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Anträgen begehrt sie,

"1. Der Verfassungsgerichtshof möge §6 (2) des OÖ POG 1992 (LGBl. 1965/38 [richtig: LGBl. 1992/35], idF LGBl. 1997/107) als verfassungswidrig aufheben, in eventu

2. der Verfassungsgerichtshof möge das OÖ Pflichtschulorganisationsgesetz 1992 (LGBl. 1965/38 [richtig: LGBl. 1992/35], idF LGBl. 1997/107) zur Gänze als verfassungswidrig aufheben, in eventu

3. der Verfassungsgerichtshof möge das Finanzverfassungsgesetz 1948 (BGBl. 45, idF BGBl. I 1999/194) zur Gänze als verfassungswidrig aufheben, in eventu

4. der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass das Finanzausgleichsgesetz 1997 (BGBl. 1996/746 [richtig: BGBl. 1996/201], idF BGBl. I 2000/30) verfassungswidrig war, in eventu

5. der Verfassungsgerichtshof möge das Finanzausgleichsgesetz 2001 (BGBl. I 3) zur Gänze als verfassungswidrig aufheben, sowie

6. gemäß §27 iVm §65a VfGG erkennen," daß der Bund sowie das Land Oberösterreich zur ungeteilten Hand schuldig sind, die der Antragstellerin durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1.2. §6 Abs2 des Oberösterreichischen Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992, LGBl. 35, im folgenden OÖ POG 1992, hat folgenden Wortlaut:

"Die in diesem Landesgesetz geregelten Aufgaben der Gemeinden mit Ausnahme der Bewilligung des sprengelfremden Schulbesuchs gemäß §47 (soweit der Bürgermeister zuständige Behörde ist) und der Vorschreibung von Schulerhaltungsbeiträgen gemäß §51, §53 und §54 sind solche des eigenen Wirkungsbereiches. Dazu gehören im besonderen auch die Aufgaben, die einer Gemeinde als gesetzlichem Schulerhalter oder als gesetzlichem Heimerhalter zukommen."

2. Zur Antragslegitimation bringt die antragstellende Gemeinde im wesentlichen folgendes vor: Das OÖ POG 1992 übertrage die Agenden der Schulerrichtung und Schulerhaltung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden, schaffe aber keine gesetzliche Grundlage dafür, wie die Gemeinden eine Finanzierung der übertragenen Aufgaben durchführen können, ohne dabei ihren gemeindeeigenen Haushalt ruinös herabzuwirtschaften. Sie sei völlig der Willkür des Landes Oberösterreich hinsichtlich der Zuteilung von Bedarfszuweisungen ausgesetzt: Die Beurteilungskriterien, nach denen Bedarfszuweisungen des Landes verteilt würden, würden oftmals aufgrund nicht nachvollziehbarer, außerhalb der gesetzlich definierten Kriterien liegender Prämissen festgelegt. Keines der angefochtenen Gesetze regle detailliert die Kriterien zur Ausschüttung von Bedarfszuweisungen, noch legten sie einen Rechtsanspruch auf Bedarfszuweisungen fest. Die Vermehrung der Übertragung von Vollziehungsaufgaben in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden habe die Grenze des §4 F-VG 1948 längst überschritten. Bestehe daher seitens der Antragstellerin hinsichtlich der Schulsanierung bzw. der Errichtung eines teilweisen Schulneubaues dringender Handlungsbedarf und würden der Antragstellerin in Ermangelung genau definierter gesetzlicher Bestimmungen und eines Rechtsanspruches auf Erhalt von Zuschüssen willkürlich Zuweisungen verweigert, so liege darin ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum.

Dieser Eingriff sei auch nach Art und Umfang bestimmt: Die Antragstellerin benötige eine Bedarfszuweisung im Umfang von ca. ATS 7 Mio., um wirtschaftlich den Finanzhaushalt mittelfristig aufrechterhalten zu können. Die Nichtzuteilung von Bedarfszuweisungen zur Sanierung der Volksschule und Errichtung des neuen Turnsaales führe zu einer jährlichen Mehrbelastung von ca. ATS 600.000,-- (Basis langfristiges Darlehen ATS 7 Mio., monatliche Rückzahlung ca. ATS 49.000,--). Auf 20 Jahre gesehen führe dies insgesamt zu einer Rückzahlung und Mehrbelastung von ATS 12,200.000,--.

Die antragstellende Gemeinde sei nicht nur potentiell, sondern auch aktuell betroffen, da aufgrund des §57 des OÖ POG 1992 bzw. der darauf gestützten Schulbau- und Errichtungs-Verordnung, in der diverse Kriterien im Zusammenhang mit der Schulerrichtung und der Schulerhaltung festgelegt seien, zwingend eine Sanierung bzw. der teilweise Neubau der Schule und des Turnsaales vorzunehmen seien. Könne das Schulbauvorhaben nicht in Angriff genommen werden, müsse einerseits mit Gesundheitsbeeinträchtigungen bzw. Gefährdungen der Schüler gerechnet werden und andererseits könnte die Antragstellerin als Schulerhalter mit Haftungsfragen aufgrund der Sanierungsbedürftigkeit der Gebäude konfrontiert werden.

Da die Ablehnung eines Antrages auf Zuteilung einer Bedarfszuweisung nicht mittels bekämpfbaren Bescheides, sondern lediglich durch kurzes Ablehnungsschreiben erfolge, könne dieser verfassungswidrige Vorgang mit keinem anderen Rechtsmittel behoben werden. Es könnten nur die Bestimmungen und Gesetze angegriffen werden, aus denen mangels Definition eines Rechtsanspruches, mangels ausreichender Determinierung der Voraussetzungen zur Übertragung von Agenden in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden und mangels Schaffung von Voraussetzungen zur verfassungsmäßigen Vollziehung ein verfassungswidriger Zustand entstehe.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden, und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung stehe (z.B. VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994, 14.752/1997).

2. Ein solcher zumutbarer Weg steht der Antragstellerin hier offen:

Seinem Inhalt nach ist das Begehren der antragstellenden Gemeinde darauf gerichtet, daß Kosten, die ihr infolge der Wahrnehmung von im eigenen Wirkungsbereich zu erfüllenden Aufgaben (Errichtung bzw. Erhaltung von Pflichtschulen) erwachsen, (teilweise) vom Land Oberösterreich übernommen oder auf andere Weise abgegolten werden. Damit werden letztlich finanzausgleichsrechtliche Ansprüche gegen andere Gebietskörperschaften geltend gemacht, die nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes im Wege einer Klage nach Art137 B-VG geltend zu machen sind, wobei die Gemeinde die Möglichkeit hat, die behaupteten Verfassungswidrigkeiten darzutun (vgl. hiezu VfSlg. 10.633/1985 iVm 10.685/1985, 11.204/1987, 13.737/1994, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, A10/00, VfSlg. 15.938/2000). Dadurch wird der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt, gemäß Art140 B-VG von Amts wegen über die - behauptete - Verfassungswidrigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu erkennen (VfSlg. 9285/1981, 10.273/1984, 14.612/1996).

3.1. Die auf Art140 B-VG gestützten Anträge waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

3.2. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob einer meritorischen Erledigung der Anträge (auch noch) andere Prozeßhindernisse entgegenstünden.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

Finanzverfassung, Finanzausgleich, Kostentragung, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Schulerhaltungsbeiträge, Schulen, Pflichtschulen, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G294.2001

Dokumentnummer

JFT_09979374_01G00294_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten