TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/28 2006/06/0223

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Veröffentlicht am 28.11.2006
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde 1. des O P und 2. der U D-P, beide in F, B D, vertreten durch Elisabeth Wintergerst, Rechtsanwältin in Füssen, Brunnengasse 12, Bundesrepublik Deutschland (Zustellanschrift in Österreich: U Nr. 28), gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Juni 2006, Zl. Ve1-8- 2/36-2, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde, welches unmittelbar an das zu bebauende Grundstück angrenzt. Zu Gunsten (unter anderem) des Grundstückes der Beschwerdeführer (herrschendes Grundstück) bestehen zu Lasten des zu bebauenden Grundstückes (dienendes Grundstück) Dienstbarkeiten, und zwar eine Weidedienstbarkeit und die Dienstbarkeit, Geflügel frei laufen zu lassen.

Die mitbeteiligte Gemeinde beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte (kurz: BH) mit einer Reihe von Eingaben die Erteilung der bau-, wasser- und naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Parkplatzes für ein Walderlebniszentrum, wobei davon jedenfalls das zu bebauende Grundstück betroffen ist (das Baugesuch datiert vom 13. Jänner 2006 und langte bei der BH am 23. Jänner 2006 ein).

Zu der für den 18. April 2006 anberaumten Verhandlung bezogen die Beschwerdeführer in einem anwaltlichen Schreiben vom 4. April 2006 Stellung gegen das Vorhaben. Sie wendeten ein, dass durch die geplanten Baumaßnahmen die Bodenstruktur verändert und verschlechtert werde, was zu nachteiligen Auswirkungen für das biologische und ökologische Gleichgewicht auf dem Grundstück führe. Für diese Verschlechterung sei keine Ausgleichsmaßnahme dargestellt worden. Die Errichtung des Parkplatzes widerspreche daher dem "Verschlechterungsverbot". Es stehe zu befürchten, dass auf Grund der Errichtung des Parkplatzes die angrenzenden Grundstücke mit Müll und weggeworfenen Abfällen belastet würden. Zu Gunsten der Beschwerdeführer bestehe die Dienstbarkeit der Weide für drei Kühe und die Dienstbarkeit, Geflügel frei laufen zu lassen. Durch die Errichtung des Parkplatzes könnten diese Dienstbarkeiten nicht ausgeübt werden. Dies stelle eine Beschränkung ihres Eigentumsrechtes dar. Die Errichtung des Parkplatzes und die damit verbundene Umweltbelastung durch Abwässer, Müll, Abgase, Lärm stehe im Widerspruch zu den Zielsetzungen von "Natura 2000". Das Auengebiet am Lech werde durch die hohe Zahl an erwarteten Besuchern stark belastet.

In einer weiteren Eingabe vom 19. April 2006 erfolgten nähere Ausführungen zur befürchteten Beeinträchtigung der Dienstbarkeiten.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 26. April 2006 erteilte die (auf Grund der Delegierungsverordnung LGBl. Nr. 18/1968 an Stelle der Baubehörden der Gemeinde zuständige) BH der Gemeinde ua. die beantragte baurechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Parkplatzes auf dem zu bebauenden Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden als unzulässig zurückgewiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde (Schriftsatz vom 15. Mai 2006 mit Ergänzung vom 12. Juni 2006, in der sie die Umwidmung des zu bebauenden Grundstückes in Parkplatz thematisierten, die Beeinträchtigung ihrer Dienstbarkeiten, wie auch, dass ein großer Parkplatz (für 90 Fahrzeuge) zusätzliche Besucher anziehen werde und schon jetzt das Gebiet durch die Besucher "überstrapaziert" sei. Es sei fraglich, ob der Standort für den Auwaldpfad überhaupt richtig gewählt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gegen die erteilte baubehördliche Genehmigung als unzulässig zurückgewiesen (in den Verwaltungsakten gibt es weitere Berufungsbescheide vom 24. Juli 2006 und 4. September 2006 betreffend die wasserrechtliche und die naturschutzrechtliche Bewilligung; auch insofern wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen)

Begründend führte die belangte Behörde (unter Wiedergabe der verschiedenen Schriftsätze der Beschwerdeführer) zusammengefasst aus, die Behörde erster Instanz habe aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer gefolgert, dass sie zwar Nachbarn im Sinne des § 25 TBO 2001 seien, aber keine Einwendung im Sinne des Abs. 3 dieses Paragraphen geltend gemacht hätten, weshalb ihre Einwendungen zurückzuweisen gewesen seien.

Die belangte Behörde kam zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführer keine zulässigen Einwendungen im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 erhoben hätten, sodass sie ihre Parteistellung verloren hätten. Ihre Berufung sei demnach zurückzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Beschwerdegegenständlich ist (nur) die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung des fraglichen Parkplatzes; nur hierüber hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgesprochen.

Soweit sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten als verletzt erachten, fällt dies in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und nicht des Verwaltungsgerichtshofes; im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist daher hierauf nicht weiter einzugehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94, in der Fassung LGBl. Nr. 60/2005, anzuwenden.

§ 25 Abs. 3 TBO 2001 lautet:

"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

b)

der Bestimmungen über den Brandschutz;

c)

der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

d)

der Abstandsbestimmungen des § 6.

e)

im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001"

Die Beschwerdeführer machen geltend, im Zweifel sei davon auszugehen, dass es sich beim fraglichen Weiderecht um "eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit handelt, die den Beschwerdeführern eine Parteistellung im Verfahren eröffnet". Ihre Einwendungen seien daher zu Unrecht unberücksichtigt geblieben.

Dem ist zu entgegnen, dass die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im Sinne des § 25 Abs. 3 TBO 2001 aufzeigen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Natur ganz allgemein stellen nämlich keine solchen Einwendungen im Bauverfahren dar (die Erheblichkeit dieser Argumentation in einem naturschutzbehördlichen oder wasserbehördlichen Verfahren ist hier nicht zu untersuchen). Was nun die befürchtete Beeinträchtigung ihrer Dienstbarkeiten anlangt, steht es den Beschwerdeführern frei, bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen Abhilfe im ordentlichen Rechtsweg zu suchen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. November 2006

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006060223.X00

Im RIS seit

14.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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