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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde der Marktgemeinde L, vertreten durch Summer Scherzler Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 28. Februar 2003, Zl. I-2- 16/2002, betreffend Versagung der Bewilligung einer Werbeanlage (mitbeteiligte Partei: BAktiengesellschaft in WN, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Marktgemeinde hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 6. Juli 2001 wurde der mitbeteiligten Partei die von ihr beantragte baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von Werbe- und Hinweiseinrichtungen erteilt, jedoch die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer sich auf einem Mast mit aufgesetztem Kreis drehenden und beleuchteten sogenannten "B-Tasche" mit einer Gesamthöhe von etwa 7 m gemäß § 17 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, versagt. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem beantragten Objekt um eine bewegliche Sonderfiguration handle, die im Hinblick auf das Erscheinungsbild und die Struktur der beschwerdeführenden Marktgemeinde das Ortsbild erheblich beeinträchtige.
Die Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung. Die Baubehörde zweiter Instanz stellte an den Sachverständigen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung DI Gr. einzelne Fragen hinsichtlich die Verträglichkeit des geplanten Objektes mit dem Ortsbild. Dieser führte in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 7. März 2002 insbesondere aus, dass die geplante Werbeeinrichtung auf Grund ihrer Aufmachung mit den umliegenden Bestandsformen in keiner Weise konform gehe. Zwar sei der gegenständliche Bereich mit zahlreichen Werbe- und Hinweisanlagen durchsetzt, daraus könne jedoch nicht abgleitet werden, dass ein weiterer Eingriff in das Ortsbild nicht mehr als störend angesehen werden könne. Die durch die Werbeanlage zu erwartende Verschlechterung der örtlichen Situation werde, sofern ausnahmslos nur von dieser einen Werbeanlage die Rede sei, gemessen an den sonstigen Störwirkungen im südlichen Bereich der Marktgemeinde noch nicht unbedingt als wesentlich eingestuft werden können. Das gehäufte Auftreten ähnlich gelagerter Fälle bewirke jedoch ein Aufschaukeln der Situation, in deren Folge sehr wohl mit deutlich spürbaren Störwirkungen auf die Umgebung gerechnet werden müsse. Daher sei die Werbeanlage aus Präjudizgründen abzulehnen.
Diese Stellungnahme des Amtssachverständigen wurde von der Baubehörde zweiter Instanz der Mitbeteiligten übermittelt, die ein Gutachten des Arch. DI Pr. vom 8. Juni 2002 vorlegte. Dieser gelangte zur Schlussfolgerung, dass eine Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes angesichts der bereits vorhandenen Vielfalt von Werbeeinrichtungen im gegenständlichen Industriegebiet durch die geplante Werbeeinrichtung nicht zu erkennen sei. Dem Gutachten sind 22 Fotos von Werbeeinrichtungen und Hinweisschildern im Umfeld des gegenständlichen Objektes angeschlossen.
Mit Bescheid vom 10. September 2002 wies die Berufungskommission der beschwerdeführenden Marktgemeinde die Berufung der Mitbeteiligten ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass sie "keine Bedenken am Gutachten des Amtssachverständigen" DI Gr. habe. Dieser habe anhand von präzisen Fragen schlüssig dargelegt, dass das beleuchtete, sich drehende Werbeobjekt in beträchtlicher Höhe "eine neue Qualität der Eindrücklichkeit, um das Wort Aggressivität zu vermeiden, von Werbeanlagen" begründe. Dieser Argumentation sei der Sachverständige Arch. DI Pr. nicht konkret entgegengetreten. Auch der Amtssachverständige der Marktgemeinde sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gutachten des Arch. DI Pr. gegenüber jenem des DI Gr. keine neuen Gesichtspunkte enthalte. Damit sei erwiesen, "dass die Situation noch nicht so hoffnungslos sei, dass die Baubehörde ihren Kampf gegen eine weitere Verschlechterung der Situation von vornherein aufgeben müsste". Die von der Mitbeteiligten ins Treffen geführte Werbefreiheit stehe unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und sonstiger öffentlicher Interessen, die mit jenen abzuwägen seien.
Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der gegen den Bescheid der Berufungskommission der Beschwerdeführerin vom 28. Februar 2003 erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese zurück. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Baubehörde zweiter Instanz zwar einen Sachverständigen zur Frage einer allfälligen Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes gehört und der Mitbeteiligten Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu den Ergebnissen des Sachverständigen eingeräumt habe. Die Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 7. März 2002 erfülle allerdings die Anforderungen eines Gutachtens nicht, weil sie keine ordentliche Befundaufnahme aufweise, ihr kein Lageplan zu Grunde liege und die Antworten des Sachverständigen zu den einzelnen Fragen nicht schlüssig zu dem von der Behörde zweiter Instanz unterstellten Gutachtensergebnis führe. Es wäre Aufgabe des Sachverständigen gewesen, jenes Ortsbild, das er seiner Beurteilung zu Grunde gelegt habe, soweit zu beschreiben, dass die Baubehörde auf dieser Grundlage zu einer fachlichen Beurteilung in der Lage gewesen wäre. Angesichts der mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz bewilligten zahlreichen Werbeanlagen wäre das gegenständliche Werbeobjekt für eine nachvollziehbare Beurteilung besonders sorgfältig zu beurteilen gewesen. Die Baubehörde habe der Beschwerdeführerin auch in Verletzung des Rechts auf Parteiengehör eine Stellungnahme ihres Amtssachverständigen zum Gutachten der Mitbeteiligten nicht zur Stellungnahme übermittelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist im Hinblick auf den Zeitpunkt des zu Grunde liegenden Antrages und die Übergangsbestimmungen des § 56 Abs. 2 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 52/2001, das Vorarlberger Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 39/1972 i.d.F. LGBl. Nr. 64/2000, anzuwenden.
Gemäß § 17 Abs. 1 BauG dürfen Ankündigungen und Werbeanlagen jeder Art einschließlich Schaukästen und Beleuchtungen nur mit Bewilligung der Behörde angebracht werden. Die Bewilligung ist zu versagen, wenn das Landschafts- und Ortsbild oder Interessen des Verkehrs beeinträchtigt oder unzumutbare Belästigungen verursacht werden. Wenn solche Gründe für eine Versagung nicht vorliegen, ist die Bewilligung zu erteilen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid der Berufungskommission der Beschwerdeführerin zu Recht aufgehoben:
Ein Sachverständigengutachten muss nämlich einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0208, und vom 29. Oktober 1997, Zl. 96/09/0059).
Die Beantwortung einiger Fragen von der Berufungskommission der Beschwerdeführerin durch DI Gr. in dessen Stellungnahme vom 7. März 2002 erfüllte diese Anforderungen nicht. Dies schon deshalb, weil - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - dieser Stellungnahme nämlich keine ausreichende Befundaufnahme hinsichtlich der örtlichen Situation zu Grunde lag. Damit hat auch die vor der belangten Behörde belangte Berufungskommission ihre Entscheidung auf eine nicht ausreichende sachverhaltsmäßige Basis gestützt und ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Eine weitere Rechtswidrigkeit des vor der belangten Behörde angefochtenen Bescheides lag darin, dass den Ausführungen des Arch. DI Pr., die sich insbesondere angesichts der Vorlage von fotografischen Aufnahmen und deren Verwertung durchaus auf gleicher fachlicher Ebene mit den Äußerungen des DI Gr. befanden, von der Berufungskommission nicht mit sachlichen Argumenten sondern mit der bloßen Feststellung entgegnet wurde, der Amtssachverständige der Marktgemeinde habe gefunden, dass diese keine neuen Gesichtspunkte enthielten.
Letztlich hat sich die Berufungskommission auch mit dem rechtlichen Maßstab, anhand dessen sie das gegenständliche Vorhaben zu prüfen hatte, nicht ausreichend beschäftigt, indem sie die Auffassung vertrat, sie habe "einen Kampf gegen die weitere Verschlechterung der Situation" im Hinblick auf das Ortsbild zu führen.
Die beschwerdeführende Gemeinde wurde daher durch die Aufhebung des Bescheides ihrer Berufungskommission vom 10. September 2002 nicht in Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. November 2006
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Baubewilligung BauRallg6 Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003060072.X00Im RIS seit
27.12.2006