TE OGH 2000/1/12 9ObA259/99z

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Veröffentlicht am 12.01.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter T*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Schütz, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen S 104.965,43 brutto sA (Revisionsinteresse S 93.449,77 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juni 1999, GZ 8 Ra 61/99w-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Oktober 1998, GZ 9 Cga 89/98f-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war bei der Beklagten ab 2. 2. 1998 auf Grund eines Inserates, worin sie einen "Mitarbeiter mit PC-Kenntnissen für Operatortätigkeit" gesucht hatte, beschäftigt; er wurde von der Beklagten als Arbeiter eingestuft. Der Kläger war mit Eingabearbeiten am PC, dem Versand von Computerausdrucken, der Kontrolle von Bestelllisten und Meldungen von etwa 100 Filialen, der Bildung von Gesamtsummen aus den Kassen-PC's der Filialen, den Eintragungen in Formulare, der Übertragung von Diktaten, der Entgegennahme von telefonischen Bestellungen sowie dem Ausbau und der Verbesserung eines Computerprogramms befasst. Mit Schreiben der Beklagten vom 16. 3. 1998 wurde er zum 28. 3. 1998 gekündigt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten S 104.965,43 brutto sA an Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 29. 3. bis 30. 6. 1998, restliches Gehalt, Überstundenentgelt, anteilige Sonderzahlungen und Urlaubsabfindung. Als Angestellter hätte er in Anwendung des Angestelltengesetzes erst zum 30. 6. 1998 gekündigt werden dürfen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, dass der Kläger als Arbeiter beschäftigt gewesen sein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrages von S 11.515,96 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 93.449,77 brutto sA ab. Der Kläger, der hauptsächlich Abschreibarbeiten geleistet habe, habe weder kaufmännische noch höhere, nicht kaufmännische Dienste oder Kanzleiarbeiten im Sinne des § 1 AngG verrichtet. Er sei daher als Arbeiter zu qualifizieren.Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrages von S 11.515,96 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 93.449,77 brutto sA ab. Der Kläger, der hauptsächlich Abschreibarbeiten geleistet habe, habe weder kaufmännische noch höhere, nicht kaufmännische Dienste oder Kanzleiarbeiten im Sinne des Paragraph eins, AngG verrichtet. Er sei daher als Arbeiter zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Klägers das erstgerichtliche Urteil im Sinne der gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Klägers das erstgerichtliche Urteil im Sinne der gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß Paragraph 46, Absatz eins, ASGG zulässig sei.

Für die Frage, ob der Kläger als Angestellter oder Arbeiter zu qualifizieren sei, sei nicht die Bezeichnung im Arbeitsvertrag oder die Krankenkassenmeldung, sondern die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend. Der Kläger habe nach den getroffenen Feststellungen zwar keine kaufmännischen oder höhere, nicht kaufmännische Dienste, wohl aber Kanzleiarbeiten im Sinne des AngG verrichtet. Kanzleiarbeiten lägen etwa dann vor, wenn die Haupttätigkeit des Bediensteten darin bestehe, die Registratur eines größeren Unternehmens in Ordnung zu halten. Auch die Vornahme von Eintragungen in kartothekartig geführte Terminblätter und das Ausfüllen von Bestellzetteln sei schon als Kanzleitätigkeit gewertet worden. Unter Kanzleiarbeit sei jede Schreibarbeit zu verstehen, mit der eine gewisse, wenn auch nicht weitgehende geistige Tätigkeit verbunden sei, die über das bloße Abschreiben hinausgehe. Dies sei beim Kläger, der daneben auch Registrierungs-, Sichtungs- und Kontrolltätigkeiten verrichtet habe, überwiegend der Fall gewesen. Damit sei der Kläger aber als Angestellter zu behandeln.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren hinsichtlich des Betrages von S 93.449,77 brutto sA abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision der Beklagten ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach § 45 Abs 1 ASGG nicht gebunden.Der Oberste Gerichtshof ist gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach Paragraph 45, Absatz eins, ASGG nicht gebunden.

Im vorliegenden Verfahren ist die (Art der) Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auch ihr Zeitpunkt nicht strittig, weil die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung - selbst wenn sie fristwidrig erfolgt sein sollte - das Arbeitsverhältnis zum 28. 3. 1998 beendet hat (Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 556 mwN). Gegenstand dieses Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob der Kläger Angestellter oder Arbeiter war und ob ihm demnach die geltend gemachten Ansprüche zustehen. Die Frage, ob die Tätigkeit eines Arbeitnehmers als die eines Angestellten zu beurteilen ist, ist in der Regel eine solche des Einzelfalles (8 ObA 36/97w = RIS-Justiz RS0044088/T13). Das Berufungsgericht hat die diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes richtig wiedergegeben:

Es ist gesicherte Judikatur, dass für die Qualifikation eines Arbeitnehmers als Angestellten ausschließlich die Art der geleisteten Dienste ausschlaggebend ist, wobei die Tätigkeit des Arbeitnehmers in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist (Arb 7.862, 9.685, 9.749; RdW 1996, 599 ua). Kanzleiarbeit im Sinne des § 1 Abs 1 AngG ist jede Schreibarbeit, mit der eine gewisse, wenn auch nicht weitgehende geistige Tätigkeit verbunden ist, die also über das bloße Abschreiben hinausgeht. Das AngG macht bei Kanzleiarbeiten keinen Unterschied, ob diese Arbeit als höhere oder niedere Tätigkeiten zu beurteilen sind. Nur Dienste rein mechanischer Art und untergeordnete Verrichtungen scheiden im Sinne des § 1 Abs 2 AngG aus (Arb 4.021, 6.146, 8.442 ua).Es ist gesicherte Judikatur, dass für die Qualifikation eines Arbeitnehmers als Angestellten ausschließlich die Art der geleisteten Dienste ausschlaggebend ist, wobei die Tätigkeit des Arbeitnehmers in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist (Arb 7.862, 9.685, 9.749; RdW 1996, 599 ua). Kanzleiarbeit im Sinne des Paragraph eins, Absatz eins, AngG ist jede Schreibarbeit, mit der eine gewisse, wenn auch nicht weitgehende geistige Tätigkeit verbunden ist, die also über das bloße Abschreiben hinausgeht. Das AngG macht bei Kanzleiarbeiten keinen Unterschied, ob diese Arbeit als höhere oder niedere Tätigkeiten zu beurteilen sind. Nur Dienste rein mechanischer Art und untergeordnete Verrichtungen scheiden im Sinne des Paragraph eins, Absatz 2, AngG aus (Arb 4.021, 6.146, 8.442 ua).

Die Beurteilung der konkreten Tätigkeit anhand der dargestellten Grundsätze begründet eine nur nach den Umständen des Einzelfalles zu lösende Rechtsfrage. Eine derartige Einzelfallentscheidung ist durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Norm korrigiert werden müsste (RZ 1992/50; RZ 1994/45; 9 ObA 2166/96m; RIS-Justiz RS0042769). Ein derartiger grober Beurteilungsfehler ist dem Berufungsgericht aber nicht unterlaufen, weshalb die Revision zurückzuweisen ist.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil der Revisionsgegner auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).

Anmerkung

E56583 09BA2599

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:009OBA00259.99Z.0112.000

Dokumentnummer

JJT_20000112_OGH0002_009OBA00259_99Z0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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