TE Vfgh Beschluss 2002/6/26 V24/01 ua

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Veröffentlicht am 26.06.2002
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Bebauungsplan Schallmoos Süd 6/G1 des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 09.11.98
Flächenwidmungsplan 1997 der Stadt Salzburg vom 08.07.98
Sbg BaupolizeiG 1997 §9

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf teilweise Aufhebung eines Flächenwidmungs- und eines Bebauungsplanes infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

1. Der Antrag, die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg, beschlossen am 8.Juli 1998, kundgemacht im Amtsblatt Nummer 15/1998 vom 17. August 1998, rechtswirksam mit 18. August 1998 (Flächenwidmungsplan 1997 zur Zahl 9/00/74223/94/349), hinsichtlich der der antragstellenden Gesellschaft gehörenden Liegenschaften EZ 13 mit den Grundstücken Nummern 1810 und 1811 sowie EZ 684 mit den Grundstücken Nummern 1808/4 und 1814/2, je Grundbuch Schallmoos (KG 56537 Salzburg), Schallmooser Hauptstraße 54, soweit die Widmung Kerngebiet festgelegt ist, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben, wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag, den Bebauungsplan Schallmoos Süd 6/G1 des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg, beschlossen am 9. November 1998, kundgemacht im Amtsblatt Nummer 21a/1998 vom 20. November 1998, rechtswirksam mit 21. November 1998 (Zahl: 9/00/92185/96), hinsichtlich der der antragstellenden Gesellschaft gehörenden Liegenschaften EZ 13 mit den Grundstücken Nummern 1810 und 1811 sowie EZ 684 mit den Grundstücken Nummern 1808/4 und 1814/2, je Grundbuch Schallmoos (KG 56537 Salzburg), Schallmooser Hauptstraße 54, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende Gesellschaft ist Eigentümerin der Liegenschaften EZ 13 mit den Grundstücken Nr. 1810 und 1811 sowie EZ 684 mit den Grundstücken Nr. 1808/4 und 1814/2, je Grundbuch Schallmoos (KG 56537 Salzburg). Sie betreibt auf den Grundstücken 1814/2 und 1811 seit dem Jahr 1961 eine Tankstelle. Durch den Flächenwidmungsplan 1997 sei die Umwidmung der Liegenschaften EZ 13 und EZ 684 innerhalb der Widmungskategorie "Bauland" von "Gewerbegebiet" (§17 Abs1 Z6 Sbg. ROG) in nunmehr "Kerngebiet" (§17 Abs1 Z3 Sbg. ROG) erfolgt.

"Anfang des Jahres 2000" stellte die antragstellende Gesellschaft beim Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für den Umbau (die Vergrößerung) des Tankstellengebäudes - der damalige "Einreichplan vom 10.12.1999" liegt dem Verordnungsprüfungsantrag bei. Der Bürgermeister richtete am 29. Februar 2000 an die antragstellende Gesellschaft ein Schreiben, in dem er den Stand des Ermittlungsverfahrens mitteilte und insbesondere auf einen Widerspruch zum maßgeblichen "Bebauungsplan Schallmoos Süd 6/G1", nämlich die Nichteinhaltung einer Baufluchtlinie, hinwies. Sollte binnen 4 Wochen nicht etwa ein "Ansuchen um Genehmigung von Austauschplänen" eingebracht werden, wäre das gegenständliche Ansuchen abzuweisen. Daraufhin reichte die antragstellende Gesellschaft den "Austauschplan vom 10.3.2000" ein. Dieses geänderte Projekt hat der Bürgermeister der Stadt Salzburg mit Bescheid vom 15. Juni 2000, Zl. 5/02/21153/2000/037 bewilligt.

Nunmehr solle "die Tankstelle jedoch - insbesondere zur Vergrößerung der Verkaufsfläche - weiter ausgebaut werden, unter anderem durch eine Vergrößerung des Tankstellengebäudes, und zwar bedeutend über das ursprünglich geplante Projekt hinausgehend."

2.1. Mit ihren auf Art139 B-VG gestützten Anträgen begehrt die antragstellende Gesellschaft,

"der Verfassungsgerichtshof möge

a) die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg, vom Gemeinderat beschlossen am 8.7.1998, kundgemacht im Amtsblatt Nummer 15/1998 vom 17.8.1998, rechtswirksam mit 18.8.1998 (Flächenwidmungsplan 1997 zur Zahl 9/00/74223/94/349), hinsichtlich der der Antragstellerin gehörenden Liegenschaften EZ 13 mit den Grundstücken Nummern 1810 und 1811 sowie EZ 684 mit den Grundstücken Nummern 1808/4 und 1814/2, je Grundbuch Schallmoos (KG 56537 Salzburg), Schallmooser Hauptstraße 54, soweit die Widmung Kerngebiet festgelegt ist (die Widmung Bauland bleibt unangefochten), wegen Gesetzwidrigkeit aufheben;

b) den Bebauungsplan Schallmoos Süd 6/G1 des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg, vom Gemeinderat beschlossen am 9.11.1998, kundgemacht im Amtsblatt Nummer 21a/1998 vom 20.11.1998, rechtswirksam mit 21.11.1998 (Zahl: 9/00/92185/96), hinsichtlich der der Antragstellerin gehörenden Liegenschaften EZ 13 mit den Grundstücken Nummern 1810 und 1811 sowie EZ 684 mit den Grundstücken Nummern 1808/4 und 1814/2, je Grundbuch Schallmoos (KG 56537 Salzburg), Schallmooser Hauptstraße 54, wegen Gesetzwidrigkeit aufheben."

2.2. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft aus, der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan griffen in den angefochtenen Teilen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein, ohne dass eine gerichtliche Entscheidung oder ein Bescheid wirksam geworden wäre. Ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung stehe der antragstellenden Gesellschaft nicht zur Verfügung. Nach dem Schreiben des Bürgermeisters vom 29. Februar 2000, in dem auf den Widerspruch des Projektes, dessen baurechtliche Bewilligung bereits beantragt worden war, zum Bebauungsplan hingewiesen wurde, habe sich die antragstellende Gesellschaft zwischen folgenden zwei Vorgehensweisen entscheiden müssen:

Sie hätte auf dem Bauvorhaben in der ursprünglich beantragten Form beharren können, was - wie in Aussicht gestellt - zur Abweisung des Antrags durch die Baubehörde erster und zweiter Instanz geführt hätte. Die Normbedenken gegen Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan wären von der Vorstellungsbehörde nicht aufzugreifen gewesen, sodass letztlich ohnehin eine Anfechtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes vor dem Verfassungsgerichtshof hätte erfolgen müssen. Dies hätte aber bedeutet, dass die Antragstellerin die dringend erforderlichen Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen für einen langen Zeitraum nicht hätte setzen können. Eine solche Verzögerung wäre für die Antragstellerin nicht zumutbar gewesen.

Die antragstellende Gesellschaft habe sich hingegen dafür entschieden, den Flächenwidmungs- und den Bebauungsplan samt Baufluchtlinien vorerst - wenngleich unter Protest - zur Kenntnis zu nehmen, das eingereichte Projekt zurückzuziehen und ein geändertes Projekt einzureichen. Dieses geänderte Projekt habe die Baubehörde erster Instanz sodann bewilligt, der diesbezügliche Baubescheid sei längst rechtskräftig, jenes Bauverfahren daher abgeschlossen.

Nunmehr habe die antragstellende Gesellschaft konkrete Absichten eines weiteren Ausbaus der Tankstelle Schallmooser Hauptstraße 54, wobei insbesondere ein Ausbau im derzeit noch weitgehend unbebauten nördlichen Teil des Grundstückes 1814/2 der EZ 684 erfolgen solle. Auch der östliche Teil der Liegenschaften solle in den Ausbau einbezogen werden. Im Hinblick auf die völlig willkürlich gezogenen Bau- und Straßenfluchtlinien seien diese Absichten jedoch nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht umsetzbar. Der antragstellenden Gesellschaft sei es jedenfalls nicht zumutbar, gemäß der derzeitigen Rechtslage unter erheblichem Kostenaufwand (insbesondere dem Aufwand für die Anfertigung der für eine Baubewilligung erforderlichen kostspieligen Planunterlagen) ein von vornherein aussichtsloses Bauansuchen zu stellen.

Schließlich griffen die "für eine Tankstelle unzulässige Flächenwidmung mit Bauland-Kerngebiet", die rechtswidrigen Bau- und Straßenfluchtlinien und die gegen den Flächenwidmungsplan verstoßende Festlegung einer Gemeindestraße unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein.

2.3. Die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungen liege im Fehlen eines Änderungsanlasses, in der mangelnden Grundlagenforschung und einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Zusammenhang mit dem Aufrechtbleiben der Widmung als "Gewerbegebiet" von vier Tankstellen-Standorten konkurrierender Mineralölgesellschaften.

3. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Ansicht vertritt, die Anträge seien mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.

4. Die verordnungserlassende Behörde legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie insbesondere beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge:

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (zB VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

1.2. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, es könne zwar vom Antragsteller nicht erwartet werden, dass er allein zum Zweck der Anfechtung des Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lässt. Im vorliegenden Fall ist ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung als "anderer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes" jedoch deshalb zumutbar, da der - später in abgeänderter Form bewilligte - "Einreichplan vom 10.12.1999" zulässiger Weise ohne wesentliche weitere Kosten zur Stellung eines Baubewilligungsansuchens verwendet werden kann. Bei der Entscheidung über diesen Antrag hätte die Behörde die angefochtenen Verordnungen anzuwenden (vgl. §9 Abs1 Z1 und 2 Sbg. BaupolizeiG 1997, LGBl. Nr. 40 idgF.), was zu deren Präjudizialität in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof aufgrund einer Beschwerde gegen die letztinstanzliche Entscheidung über den Baubewilligungsantrag führen würde. Der Verfassungsgerichtshof wäre in einem solchen Bescheidbeschwerdeverfahren zur amtswegigen Einleitung von Verordnungsprüfungsverfahren verpflichtet, wenn er Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der Verordnungen hätte (vgl. zuletzt VfGH vom 11. Dezember 2001, ZV 82/99 mwN.).

2. Die Verordnungsprüfungsanträge waren somit wegen Fehlens der Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V24.2001

Dokumentnummer

JFT_09979374_01V00024_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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