Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Pimmer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Michael H*****, geboren 2. Jänner 1991, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Dezember 1999, GZ 3 P 226/96a-28, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Oberwölz wird nicht genehmigt.Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Dezember 1999, GZ 3 P 226/96a-28, gemäß Paragraph 111, Absatz eins, JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Oberwölz wird nicht genehmigt.
Text
Begründung:
Der Minderjährige hält sich mit seiner Mutter nicht mehr im Sprengel des Bezirksgerichtes Linz, sondern nunmehr in Oberwölz auf. Der Vater hat seinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Linz.
Die Entscheidung über den am 8. 10. 1999 zu Protokoll gegebenen Antrag des Vaters, seine Unterhaltsverpflichtung rückwirkend ab 1. 1. 1998 auf monatlich S 1.500 herabzusetzen, steht noch aus.
Das Bezirksgericht Linz übertrug mit Beschluss vom 9. 12. 1999 seine Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Oberwölz, weil sich das Kind jetzt ständig in Oberwölz aufhalte; es sei daher zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Oberwölz diese Pflegschaftssache führe.
Das Bezirksgericht Oberwölz lehnte mit Beschluss vom 21. 12. 1999 die Übernahme dieser Pflegschaftssache ab und stellte den Akt dem Bezirksgericht Linz zurück. Der Übertragungsbeschluss sei vom Bezirksgericht Linz nicht den Parteien zugestellt worden; das Bezirksgericht Oberwölz sehe sich daher außer Stande, vor Wirksamkeit dieses Beschlusses den Akt zu führen, weil den Parteien dieses Verfahrens, insbesondere dem Kindesvater, die Möglichkeit eröffnet werden müsse, gegen den Übertragungsbeschluss einen Rekurs einzubringen. Andererseits stünden die offenen Anträge auf Herabsetzung des monatlichen Unterhalts und auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch den Magistrat Linz der Übertragung entgegen, weil sie offenkundig rascher durch das bisher zuständige Bezirksgericht Linz entschieden werden könnten. Der Kindesvater, der ein umfangreiches Vorbringen erstattet habe, sei bereits zweimal vor dem Bezirksgericht Linz zu den Anträgen einvernommen worden. Das Bezirksgericht Linz sei bereits mit der bisherigen wirtschaftlichen Lage des Kindesvaters in umfassender Weise befasst worden und darüber informiert. Aus diesen Gründen ergebe sich seine besondere Sachverhaltskenntnis in Bezug auf die offenen Anträge. Offene Anträge hinderten jedenfalls, sofern der Kindesvater bereits dazu vernommen wurde, die Zuständigkeitsübertragung vor Erledigung dieser Anträge.
Weder der Beschluss, mit dem das Bezirksgericht Linz gemäß § 111 Abs 1 JN seine Zuständigkeit als Pflegschaftsgericht dem Bezirksgericht Oberwölz übertrug, noch der Beschluss, mit dem dieses die Übernahme der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 2 Satz 1 JN verweigerte, wurden den Parteien zugestellt.Weder der Beschluss, mit dem das Bezirksgericht Linz gemäß Paragraph 111, Absatz eins, JN seine Zuständigkeit als Pflegschaftsgericht dem Bezirksgericht Oberwölz übertrug, noch der Beschluss, mit dem dieses die Übernahme der Zuständigkeit gemäß Paragraph 111, Absatz 2, Satz 1 JN verweigerte, wurden den Parteien zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Bei Kompetenzkonflikten im Sinne des § 47 JN vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass er erst dann zur Entscheidung berufen sein kann, wenn beide konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über die Zuständigkeit abgesprochen haben, weil, so lange nicht beide die Zuständigkeit der Gerichte verneinenden Entscheidungen rechtskräftig sind, die Frage der Zuständigkeit noch im Rechtsmittelweg erledigt werden könne. Die Rechtslage nach § 111 Abs 2 JN ist jedoch eine andere (RZ 1980/49). Der Übertragungsbeschluss ist jedenfalls in dem Fall, dass eine Übertragung von Amts wegen oder auf einseitigen Antrag beschlossen wurde, den Parteien zuzustellen und kann von ihnen angefochten werden. Die Parteien können sich nur nicht mehr beschwert erachten, wenn das Gericht, an das die Pflegschaftssache übertragen werden soll, bereits die Übernahme der Geschäfte ablehnte, weil dann ohnehin das beiden Gerichten gemeinsame Oberlandesgericht oder der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat (RZ 1980/49). Es besteht somit für den Obersten Gerichtshof zumindest dann, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen, weil es dann ein nicht sachgerechter, das Verfahren nur verzögernder Formalismus wäre, den Parteien durch Zustellung dieses Beschlusses die Gelegenheit zu geben, dessen Beseitigung im Rechtsmittelweg zu erreichen. Ein solcher Fall liegt hier aber vor:Bei Kompetenzkonflikten im Sinne des Paragraph 47, JN vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass er erst dann zur Entscheidung berufen sein kann, wenn beide konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über die Zuständigkeit abgesprochen haben, weil, so lange nicht beide die Zuständigkeit der Gerichte verneinenden Entscheidungen rechtskräftig sind, die Frage der Zuständigkeit noch im Rechtsmittelweg erledigt werden könne. Die Rechtslage nach Paragraph 111, Absatz 2, JN ist jedoch eine andere (RZ 1980/49). Der Übertragungsbeschluss ist jedenfalls in dem Fall, dass eine Übertragung von Amts wegen oder auf einseitigen Antrag beschlossen wurde, den Parteien zuzustellen und kann von ihnen angefochten werden. Die Parteien können sich nur nicht mehr beschwert erachten, wenn das Gericht, an das die Pflegschaftssache übertragen werden soll, bereits die Übernahme der Geschäfte ablehnte, weil dann ohnehin das beiden Gerichten gemeinsame Oberlandesgericht oder der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat (RZ 1980/49). Es besteht somit für den Obersten Gerichtshof zumindest dann, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen, weil es dann ein nicht sachgerechter, das Verfahren nur verzögernder Formalismus wäre, den Parteien durch Zustellung dieses Beschlusses die Gelegenheit zu geben, dessen Beseitigung im Rechtsmittelweg zu erreichen. Ein solcher Fall liegt hier aber vor:
Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich befördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EF 66.880, 69.749, 72.819, 75.979 uva). Offene Anträge sprechen im allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung. Im Einzelfall kann jedoch eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sein, insbesondere wenn sich dieses bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt hat, weil die unmittelbar gewonnenen Eindrücke verwertet werden sollen (EF 63.954; 66.887 f; 69.770; 5 Nd 514/98). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kindesvater, der seinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Linz hat, wurde am 8. 10. 1999 bereits eingehend zu seinem Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts, insbesondere zu seinen Einkünften als Gesellschafter und Geschäftsführer und über die näheren Umstände seiner Krankengeldbezüge, einvernommen. Weiters wurde er am 23. 11. 1999 über eventuelle Mieteinnahmen ergänzend einvernommen; ein weiterer Termin zur Vorlage von Bilanz und Steuerbescheid wurde bereits anberaumt. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass das Bezirksgericht Linz bereits derart intensiv mit dem Unterhaltsherabsetzungsantrag befasst war, dass es auch besonders Einblick in die persönlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen gewinnen konnte. Unter diesen Umständen ist aus der weiteren Sachbearbeitung durch das bisherige Gericht ein besonderer Vorteil sehr wohl zu erwarten.Nach Paragraph 111, Absatz eins, JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich befördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EF 66.880, 69.749, 72.819, 75.979 uva). Offene Anträge sprechen im allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung. Im Einzelfall kann jedoch eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sein, insbesondere wenn sich dieses bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt hat, weil die unmittelbar gewonnenen Eindrücke verwertet werden sollen (EF 63.954; 66.887 f; 69.770; 5 Nd 514/98). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kindesvater, der seinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichtes Linz hat, wurde am 8. 10. 1999 bereits eingehend zu seinem Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts, insbesondere zu seinen Einkünften als Gesellschafter und Geschäftsführer und über die näheren Umstände seiner Krankengeldbezüge, einvernommen. Weiters wurde er am 23. 11. 1999 über eventuelle Mieteinnahmen ergänzend einvernommen; ein weiterer Termin zur Vorlage von Bilanz und Steuerbescheid wurde bereits anberaumt. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass das Bezirksgericht Linz bereits derart intensiv mit dem Unterhaltsherabsetzungsantrag befasst war, dass es auch besonders Einblick in die persönlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen gewinnen konnte. Unter diesen Umständen ist aus der weiteren Sachbearbeitung durch das bisherige Gericht ein besonderer Vorteil sehr wohl zu erwarten.
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz auf Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.
Anmerkung
E56618 03J05179European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0030ND00517.99.0113.000Dokumentnummer
JJT_20000113_OGH0002_0030ND00517_9900000_000