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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung des Verfalles einer Kaution infolge Nichterfüllung der im Zuge der Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Rechtserwerb erteilten befristeten Auflage ("Aufzug auf den Hof" und Aufnahme der Selbstbewirtschaftung)Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 31. Oktober 1989 erwarb der Beschwerdeführer Liegenschaften in St. Johann in Tirol (Landwirtschaftsbetrieb "N"). Mit Bescheid vom 6. April 1993 erteilte die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung dem Erwerb des Landwirtschaftsbetriebes "N" durch den Beschwerdeführer die grundverkehrsbehördliche Genehmigung unter der - im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer festgesetzten - Auflage, daß dieser binnen zwei Jahren ab Zustellung des Bescheides mit seiner Familie auf den bäuerlichen Betrieb "N" aufziehe, die Selbstbewirtschaftung aufnehme und auf Dauer aufrechterhalte. Zur Sicherung der Erfüllung dieser Auflage wurde eine Kaution in der Höhe von ATS 500.000,- in Form einer auf fünf Jahre befristeten Bankgarantie vorgeschrieben. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1999 stellte die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung fest, daß die Kaution in der Höhe von ATS 500.000,-
zugunsten des Landeskulturfonds für Tirol verfallen sei.
Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet: In objektiver Hinsicht sei der Tatbestand des §7 Abs2 zweiter Satz Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 (im folgenden: Tir. GVG 1983) verwirklicht, da der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Auflage nicht erfüllt habe. Seit der Genehmigung des Erwerbes des Landwirtschaftsbetriebes "N" seien über sechs Jahre vergangen und der Beschwerdeführer sei trotz wiederholter Urgenzen nicht auf den Hof aufgezogen. Zufolge des Vorbringens des Beschwerdeführers scheitere der Aufzug auf die Hofstelle primär aus finanziellen Gründen. Der Beschwerdeführer verfüge jedoch über umfangreichen Liegenschaftsbesitz im Bauland. Bei einer Verwertung dieser Bauflächen wäre nach Auffassung der Landes-Grundverkehrskommission eine Fertigstellung der Hofstelle des Landwirtschaftsbetriebes "N" möglich. Die Angaben des Beschwerdeführers seien teils widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Insgesamt sei der Tatbestand des §7 Abs2 zweiter Satz Tir. GVG 1983 auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie des Rechtes auf freie Erwerbsausübung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §7 Abs2 Tir. GVG 1983, LGBl. 69, lautet:
"Für die Erfüllung einer Auflage nach Abs1 kann eine angemessene Frist gesetzt und zur Sicherstellung der Erfüllung einer solchen Auflage eine Kaution in einer der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtserwerbes im Hinblick auf die Verwendung des Grundstückes angemessenen Höhe bis zu 500.000,- Schilling vorgeschrieben werden. Die Kaution verfällt zugunsten des Landeskulturfonds für Tirol, wenn der Rechtserwerber die Auflage schuldhaft nicht erfüllt. Der Eintritt des Verfalls ist durch die Grundverkehrsbehörde, die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat, mit Bescheid festzustellen. Die Kaution wird frei, sobald die Auflage erfüllt ist."
Diese Bestimmung blieb durch nachfolgende Novellen unberührt.
2. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor.
2.1. Durch die unrichtige Anwendung des "Verwaltungsverfahrensgesetzes" sowie des Tiroler Grundverkehrsgesetzes werde der Beschwerdeführer zu Unrecht gegenüber anderen Staatsbürgern benachteiligt. Im bekämpften Bescheid werde nicht auf das Verhalten des Beschwerdeführers binnen der gesetzten Frist von zwei Jahren Bezug genommen. Die belangte Behörde habe erstmals im Mai 1995 Erhebungen über den Fortschritt der Auflagenerfüllung gepflogen. Sie habe den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Juni 1997 aufgefordert, eine weitere Bankgarantie mit einer Laufzeit bis zum 12. Mai 2000 beizubringen. Aus dieser Vorgangsweise sei ersichtlich, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer bis zumindest 1997 kein Verschulden unterstellt habe. Infolge eines grundlegenden Verkennens der Rechtslage sei die belangte Behörde zu Unrecht vollkommen vom konkreten Sachverhalt abgegangen.
2.2. Der Beschwerdeführer habe den landwirtschaftlichen Betrieb "N" mit dem Ziel erworben, Bauer zu werden. Diesen Umstand habe er dadurch unter Beweis gestellt, daß er die alten Gebäude abtragen ließ und mit dem Bau einer großzügigen modernen Anlage begonnen habe. Er habe den Betrieb stets selbst bewirtschaftet; dies sei von der belangten Behörde auch nie in Zweifel gezogen worden. Der Vorwurf der belangten Behörde bestehe darin, daß der Beschwerdeführer mit seiner Familie noch nicht auf den Hof aufgezogen sei. Das Wohnhaus befinde sich jedoch noch im Rohbau und sei daher noch nicht bewohnbar. Die belangte Behörde erblicke im Nichtfertigstellen des Wohnhauses das für den Verfall der Kaution erforderliche Verschulden, wobei sie es aber an einer Abwägung der Argumente fehlen lasse und Erwägungen ausschließlich zu Lasten des Beschwerdeführers vornehme. Es fehle jedoch bis zum jetzigen Zeitpunkt an einem Verschulden des Beschwerdeführers.
Er habe ausführlich vorgebracht, daß es ihm an den finanziellen Möglichkeiten fehle, das Gebäude fertigzustellen. Verantwortlich dafür sei die Übernahme der Transportfirma des Vaters und des Bruders samt Verbindlichkeiten, unvorhergesehene Kosten sowie geschäftliche Verluste in Millionenhöhe. Die finanzielle Situation des Beschwerdeführers habe sich ohne sein Verschulden gravierend verschlechtert. Daher sei es ihm gänzlich unmöglich gewesen, weitere Kredite für den Ausbau des Wohnhauses zu erlangen. Nunmehr werde ein Konzept für die Verwertung des Liegenschaftsbesitzes - mit Ausnahme des Betriebes "N" - ausgearbeitet, dessen Ziel es sei, die Schulden auf ein tilgbares Maß zu reduzieren und gleichzeitig die für die Fertigstellung des Wohnhauses erforderlichen Mittel freizusetzen.
2.3. Der Beschwerdeführer habe die belangte Behörde über die Entwicklung seiner finanziellen Lage ständig auf dem laufenden gehalten, wobei diese der veränderten Situation dadurch Rechnung getragen habe, daß sie eine Verlängerung der Bankgarantie bis zum 12. Mai 2000 gefordert habe. Die Ausführungen der belangten Behörde, wonach es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sein müßte, durch den Verkauf einer Liegenschaft die erforderlichen Mittel für die Fertigstellung des Wohnhauses aufzubringen, seien in keiner Weise mit der Aktenlage, den Erhebungsergebnissen oder mit Erfahrungswerten in Einklang zu bringen. Der Beschwerdeführer habe sich immer wieder bemüht, Schwerpunkte seiner aktuellen (finanziellen) Probleme darzustellen, dies habe ihm den Vorwurf eingetragen, widersprüchlich zu argumentieren. Tatsächlich sei die Lage so komplex, daß es unmöglich sei, ihr in einer mündlichen Verhandlung Rechnung zu tragen.
Die belangte Behörde hätte erkennen müssen, daß das Verschulden am "Nichtaufzug" auf den Hof "N" eine Frage der wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers sei. Daher hätte sie sich mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Beschwerdeführers entweder konkreter auseinandersetzen oder aber seinen Ausführungen Glauben schenken müssen.
2.4. Den Beschwerdeführer durch den Verfall der Kaution noch weiter zu belasten und ihn dadurch in seiner Existenz zu bedrohen, widerspreche den Bestrebungen des Grundverkehrsgesetzes.
3.1. Zur Verletzung des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums bringt der Beschwerdeführer folgendes vor: Aus dem bekämpften Bescheid gehe hervor, daß gegen ihn nicht der Vorwurf einer schuldhaften Nichterfüllung der Auflage binnen der gesetzten Frist bis zum April 1995 erhoben werde, sondern daß ihm erst sein Verhalten in den darauf folgenden Jahren zur Last gelegt werde. Dementsprechend sei der Beschwerdeführer auch mit Schreiben vom 24. Juni 1997 aufgefordert worden, eine weitere Bankgarantie mit einer Laufzeit bis zum 12. Mai 2000 beizubringen. Eine Abänderung des Bescheides vom 6. April 1993 in Form einer Verlängerung der Frist für die Erfüllung der Auflage sei zu keiner Zeit erfolgt. Die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers ausschließlich im Zeitraum 1995 bis 1999 entbehre somit jeder gesetzlichen Berechtigung. Daher sei der Verfall der Kaution von der belangten Behörde ohne jede Rechtsgrundlage festgestellt worden.
3.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
4. Der angefochtene Bescheid stützt sich gemäß den Übergangsbestimmungen des §40 Abs2 und 3 Tir. GVG 1996, LGBl. 61, auf §7 Abs2 Tir. GVG 1983. Der Verfassungsgerichtshof hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Rechtsgrundlage (vgl. VfSlg. 10927/1986). Gegen die sonstigen, im Beschwerdefall zu berücksichtigenden Bestimmungen wurden verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorgebracht und sind auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden.
Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen käme eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur im Fall einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes in Frage.
5. Eine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen nur vorliegen, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhalts (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
6. Es liegt weder Willkür noch eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes vor.
6.1. In den Jahren 1993 bis 1999 hat sich die Behörde durch mehrere Lokalaugenscheine über den Fortgang der Baumaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Aus den im bekämpften Bescheid zitierten Stellungnahmen des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen bzw. des "Ortsschätzmannes" aus den Jahren 1995 bis 1999 ergibt sich, daß sich das Wohnhaus des Betriebes "N" im Mai 1995 im Rohbau befand und in den darauf folgenden Jahren lediglich geringfügige Baumaßnahmen getätigt wurden.
6.2. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, daß die belangte Behörde erstmals im Mai 1995 Erhebungen über den Fortschritt der Auflagenerfüllung gepflogen habe und sich insgesamt lediglich mit seinem Verhalten in den Jahren 1995 bis 1999 auseinandergesetzt habe, so ist ihm entgegenzuhalten, daß sich im Verwaltungsakt ein Aktenvermerk vom 9. November 1993 bezüglich eines am selben Tag durchgeführten Lokalaugenscheines befindet.
Die belangte Behörde hat keine Willkür geübt. Sie hat - wie dem Akteninhalt entnommen werden kann - ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich mit der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers in ausreichendem und vertretbarem Maße auseinandergesetzt.
6.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist es nicht denkunmöglich, wenn die Landes-Grundverkehrskommission der Ansicht ist, daß der Beschwerdeführer bei Verwertung seines Liegenschaftsbesitzes über jene finanziellen Mittel verfügen würde, die eine Fertigstellung der Hofstelle ermöglichten.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, daß der Beschwerdeführer offenkundig nicht die Absicht habe, auf den Landwirtschaftsbetrieb "N" (in absehbarer Zeit) aufzuziehen und daher der Tatbestand des §7 Abs2 zweiter Satz Tir. GVG 1983 auch in subjektiver Hinsicht erfüllt sei. Damit hat sie dem Tir. GVG 1983 keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
6.4. Wenn der Beschwerdeführer die Würdigung der Verfahrensergebnisse mit dem Argument bekämpft, "der Verfall der Kaution bedrohe ihn in seiner Existenz und widerspreche daher den Bestrebungen des Grundverkehrsgesetzes", wird damit lediglich geltend gemacht, daß die belangte Behörde Beweise falsch gewürdigt und damit unrichtig entschieden habe.
Die behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums liegt demnach nicht vor.
7. Weiters behauptet die Beschwerde eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Erwerbsausübung. Der Verfall der Kaution greift nicht unmittelbar in die Erwerbsbetätigung des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer ist daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung verletzt worden.
8. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer sonst in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in einem Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
9. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993, 14408/1996).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Übergangsbestimmung, Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1953.1999Dokumentnummer
JFT_09979374_99B01953_00