Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gilda P*****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Michael Medwed, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Georg F*****, wegen S 255.995,88 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 1. Oktober 1999, GZ 3 R 151/99x-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 11. Mai 1999, GZ 6 Cg 34/98s-16, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 12.195,-- (darin enthalten S 2.032,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht hat zwar die Revision gegen seine das erstinstanzliche Urteil bestätigende Entscheidung für zulässig erklärt, weil im Zusammenhang mit der gegen den Beklagten geltend gemachten Rechtsanwalts-Haftung Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu klären seien, doch trifft das nicht zu. Dies aus folgenden Gründen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
Die Haftung des Beklagten für die von der Klägerin durch den Verlust ihrer Eigentumswohnung erlittenen Schäden war im Wesentlichen darauf gestützt, dass es der Beklagte verabsäumt habe, in dem vom Wohnungseigentumsorganisator gegen die nunmehrige Klägerin angestrengten Prozess auf Zahlung rückständiger Beiträge und Räumung der Wohnung darauf hinzuwirken, dass der Klägerin gemäß § 24 Abs 4 WEG die Möglichkeit der Nachzahlung des geschuldeten Betrags (und damit der Abwehr des Räumungsbegehrens) eröffnet wird. Konkret wurde dem Beklagten in diesem Zusammenhang vorgeworfen, im erstinstanzlichen Verfahren keine abgesonderte Entscheidung über den zu leistenden Betrag verlangt und das diesbezügliche Versäumnis des Erstgerichtes nicht sofort in der Berufung als Verfahrensmangel gerügt zu haben. Beide Haftungsgründe wurden jedoch vom Berufungsgericht verneint: der eine, weil es eine Überspannung der Sorgfaltspflicht des Beklagten bedeutet hätte, in der konkreten Situation die in § 24 Abs 4 WEG vorgesehenen Nachzahlungsmöglichkeit zu relevieren, der andere, weil der Beklagte den angesprochenen Verfahrensmangel ohnehin noch in der mündlichen Berufungsverhandlung des Vorprozesses geltend gemacht und seine sachliche Behandlung - wenn auch ohne Erfolg - erreicht habe. Die Verneinung des Verfahrensmangels durch die zweite Instanz schließe es aus, dass die nicht sofortige Geltendmachung in der Berufung kausal für den von der Klägerin behaupteten Schaden gewesen sein könnte.
Rechtliche Beurteilung
Es empfiehlt sich, zunächst auf den Vorwurf einzugehen, der Beklagte habe den dem Erstgericht im Vorprozess unterlaufenen Verfahrensmangel, nicht abgesondert über den geschuldeten Betrag entschieden zu haben, nicht rechtzeitig gerügt. Die Revisionswerberin meint, es sei zu gar keiner sachlichen Behandlung dieses Berufungsgrundes gekommen, weil ihn das Berufungsgericht als unzulässige Neuerung abgetan und nur obiter dazu Stellung genommen habe. Damit versage das Argument, das Versäumnis des Beklagten sei für den Schaden der Klägerin gar nicht kausal gewesen. Selbst wenn man die sachliche Verneinung des Verfahrensmangels unterstelle, sei diese rechtlich unhaltbar; es bleibe außerdem der Vorwurf bestehen, dass der Beklagte durch eine sofortige Mängelrüge eine andere Behandlung des Problems erreicht hätte.
Die hiefür maßgeblichen Feststellungen besagen folgendes:
Das Unterbleiben einer Beschlussfassung iSd § 24 WEG bemängelte der Beklagte erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Landesgericht Leoben. Dieses qualifizierte das Vorbringen als unzulässige Neuerung, führte aber dazu auch noch aus:
"Zur Beschränkung des Rücktrittsrechts des Wohnungseigentumsorganisators wegen Zahlungsverzuges des Wohnungseigentumsbewerbers nach § 24 Abs 4 WEG sei festgehalten, dass diese Bestimmung im konkreten Fall nach Ansicht des erkennenden Senates nicht anwendbar scheint. Diese Bestimmung normiert zwar, bei Strittigkeit der noch zu leistenden Zahlungen sei hierüber abgesondert zu verhandeln und mit Beschluss zu entscheiden, woraufhin der Wohnungseigentumsbewerber vor Schluss der dem Urteil des Gerichtes erster Instanz vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag zahlen könne. In dem hier zur Beurteilung vorliegenden Fall hat die Beklagte jedoch niemals erkennen lassen, zur Zahlung des festgestellten Rückstandes bereit zu sein, sondern hat beharrlich ihren Standpunkt verfolgt, nichts schuldig zu sein. Von dieser Ansicht weicht sie auch im Rechtsmittelstadium nicht ab. Weiters ist die Beschränkung des Rücktrittsrechts nach § 24 Abs 4 WEG dem § 33 Abs 2 und 3 MRG nachgebildet, weshalb unterstellt werden könnte, bei grobem Verschulden, welches hier als gegeben angenommen werden müsste (....), scheide auch die Zahlungsmöglichkeit iSd § 24 Abs 4 WEG aus. Aufgrund dieser Überlegungen scheint es nicht unbillig, von einer Beschlussfassung zur Feststellung der zahlenmäßigen Höhe des Rückstandes bzw Erlassung eines Teilurteils analogen Inhaltes abzusehen, da damit im konkreten Fall keine Prozesserledigung erreicht, sondern lediglich eine Verfahrensverzögerung bewirkt werden könnte."
Die gegen diese Entscheidung von der nunmehrigen Klägerin erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. In den Gründen dieser Entscheidung (6 Ob 2301/96t) wurde ausgeführt, dass es sich bei der Bestimmung des § 24 Abs 4 WEG, wonach über den geschuldeten Betrag abgesondert zu entscheiden ist, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes um eine reine Verfahrensvorschrift handle, deren Nichtbeachtung nur mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens bekämpft werden kann. Diesen Verfahrensmangel habe die Beklagte (nunmehrige Klägerin) zwar in ihrer Berufung nicht gerügt, jedoch in der mündlichen Berufungsverhandlung geltend gemacht. Dem habe der Berufungsgegner nicht widersprochen (§ 483 Abs 1 und 2 ZPO). Da das Berufungsgericht in seiner Entscheidung den behandelten Verfahrensmangel verneint hat, könne dieser mit Revision nicht mehr aufgegriffen werden.
Bei dieser Sachlage haftet der Beurteilung des Berufungsgerichtes, das dem Beklagten vorgeworfene Versäumnis, nicht schon in der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil im Vorprozess die Verletzung des § 24 Abs 4 WEG gerügt zu haben, sei für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht kausal, weil der fragliche Verfahrensmangel ohnehin verneint wurde, kein Fehler an, der eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen könnte. Dass diese Mängelrüge als unzulässige Neuerung abgetan, also sachlich gar nicht behandelt worden wäre, trifft nicht zu. Andererseits lassen sich aber auch keine Anhaltspunkte für die Annahme finden, die Mängelrüge hätte Erfolg gehabt, wäre sie bereits in der Berufungsschrift geltend gemacht worden und hätte auf diese Weise, wie die Revisionswerberin meint, zu eingehenderen Überlegungen Anlass gegeben. Es ist zwar richtig, dass die dem Wohnungseigentümer bzw Wohnungseigentumsbewerber in § 24 Abs 4 WEG eingeräumte Möglichkeit, den geschuldeten Betrag nachzuzahlen und damit den Vertragsrücktritt des Wohnungseigentumsorganisators (also letztlich den Verlust der Wohnung) abzuwehren, anders als in der für säumige Mieter geltenden Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG nicht ausdrücklich von der Voraussetzung abhängig gemacht wurde, dass dem Schuldner kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand zur Last liegt, doch war das vom Berufungsgericht des Vorprozesses der nunmehrigen Klägerin unterstellte grobe Verschulden an der Nichterfüllung ihrer Zahlungspflichten nicht der einzige Grund, warum eine abgesonderte Entscheidung über die Höhe des geschuldeten Betrages als entbehrlich angesehen wurde. Auf die diesbezüglichen Feststellungen wird noch zurückzukommen sein. Hier genügt zur Klarstellung der mangelnden Stichhältigkeit der diesbezüglichen Revisionsargumente der Hinweis, dass es Sache der Klägerin gewesen wäre, den hypothetischen Erfolg ihrer bereits mehrmals erwähnten Mängelrüge bei sofortiger Geltendmachung in der Berufungsschrift darzutun. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft nämlich die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein haftungsbegründendes Verschulden an der Zufügung eines Schadens abgeleitet wird, denjenigen, der seinen Anspruch auf dieses Verschulden stützt. Alle in diesem Punkt verbleibende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten. Das gilt auch für den Beweis des Kausalzusammenhanges, also im gegenständlichen Fall für den Nachweis, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten - hätte er den Verfahrensmangel bereits in der Berufungsschrift gerügt - nicht eingetreten wäre (vgl RIS-Justiz RS0022700; zuletzt 6 Ob 226/97x; 1 Ob 333/98x; 6 Ob 262/99v). Diesen Nachweis ist die Klägerin, wie das Berufungsgericht in einer durchaus vertretbaren Beurteilung des konkreten Einzelfalles schloss, schuldig geblieben.Bei dieser Sachlage haftet der Beurteilung des Berufungsgerichtes, das dem Beklagten vorgeworfene Versäumnis, nicht schon in der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil im Vorprozess die Verletzung des § 24 Abs 4 WEG gerügt zu haben, sei für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht kausal, weil der fragliche Verfahrensmangel ohnehin verneint wurde, kein Fehler an, der eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen könnte. Dass diese Mängelrüge als unzulässige Neuerung abgetan, also sachlich gar nicht behandelt worden wäre, trifft nicht zu. Andererseits lassen sich aber auch keine Anhaltspunkte für die Annahme finden, die Mängelrüge hätte Erfolg gehabt, wäre sie bereits in der Berufungsschrift geltend gemacht worden und hätte auf diese Weise, wie die Revisionswerberin meint, zu eingehenderen Überlegungen Anlass gegeben. Es ist zwar richtig, dass die dem Wohnungseigentümer bzw Wohnungseigentumsbewerber in § 24 Abs 4 WEG eingeräumte Möglichkeit, den geschuldeten Betrag nachzuzahlen und damit den Vertragsrücktritt des Wohnungseigentumsorganisators (also letztlich den Verlust der Wohnung) abzuwehren, anders als in der für säumige Mieter geltenden Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG nicht ausdrücklich von der Voraussetzung abhängig gemacht wurde, dass dem Schuldner kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand zur Last liegt, doch war das vom Berufungsgericht des Vorprozesses der nunmehrigen Klägerin unterstellte grobe Verschulden an der Nichterfüllung ihrer Zahlungspflichten nicht der einzige Grund, warum eine abgesonderte Entscheidung über die Höhe des geschuldeten Betrages als entbehrlich angesehen wurde. Auf die diesbezüglichen Feststellungen wird noch zurückzukommen sein. Hier genügt zur Klarstellung der mangelnden Stichhältigkeit der diesbezüglichen Revisionsargumente der Hinweis, dass es Sache der Klägerin gewesen wäre, den hypothetischen Erfolg ihrer bereits mehrmals erwähnten Mängelrüge bei sofortiger Geltendmachung in der Berufungsschrift darzutun. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft nämlich die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein haftungsbegründendes Verschulden an der Zufügung eines Schadens abgeleitet wird, denjenigen, der seinen Anspruch auf dieses Verschulden stützt. Alle in diesem Punkt verbleibende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten. Das gilt auch für den Beweis des Kausalzusammenhanges, also im gegenständlichen Fall für den Nachweis, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten - hätte er den Verfahrensmangel bereits in der Berufungsschrift gerügt - nicht eingetreten wäre vergleiche RIS-Justiz RS0022700; zuletzt 6 Ob 226/97x; 1 Ob 333/98x; 6 Ob 262/99v). Diesen Nachweis ist die Klägerin, wie das Berufungsgericht in einer durchaus vertretbaren Beurteilung des konkreten Einzelfalles schloss, schuldig geblieben.
Der zweite Verschuldensvorwurf an den Beklagten ging dahin, nicht schon in erster Instanz auf eine abgesonderte Entscheidung über die Höhe des geschuldeten Betrages hingewirkt zu haben. Das Berufungsgericht verneinte ihn, wie bereits erwähnt, mit dem Argument, dadurch wären - bedenkt man die grundsätzliche Pflicht des Gerichtes zu einem Vorgehen nach § 24 Abs 4 WEG und die Verneinung eines diesbezüglichen Verfahrensmangels durch die zweite Instanz - die anwaltlichen Sorgfaltspflichten des Beklagten überspannt gewesen, hielt jedoch diese Rechtsansicht gemäß § 502 Abs 1 ZPO für revisibel.
Auch in diesem Punkt ist keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage zu erkennen. Es trifft zwar zu, dass ein Rechtsanwalt in Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflichten für seinen Mandanten auch gehalten sein kann, Maßnahmen zu setzen, die aus vertretbarer rechtlicher Sicht nicht notwendig sind, aber auch keinerlei Nachteil befürchten lassen (vgl RdW 1999, 714), doch lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen, ob ihn die Unterlassung einer solchen Maßnahme haftbar macht. Nach den hier maßgeblichen Feststellungen ist die Klägerin (deren Verhalten auch in dem bereits oben wiedergegebenen Sachverhalt plastisch zum Ausdruck kommt) im Zuge des Vorprozesses vom Beklagten wiederholt, aber stets erfolglos darauf aufmerksam gemacht worden, dass es im Hinblick auf die bei Zahlungsrückständen bestehende Kündigungsmöglihckeit des Wohnungsorganisators (dessen mehrmalige Belehrungen und Abrechnungen sie nicht zur Kenntnis nehmen wollte) ratsam wäre, die eingeklagten Beträge (wenn auch nur unter Vorbehalt) zu bezahlen und die Höhe der Abrechnungen dann allenfalls in einem eigenen Verfahren zu klären. Jetzt - nach einer teilweisen Korrektur der erstrichterlichen Beweisergebnisse durch das Berufungsgericht - steht zwar fest, dass die Klägerin dennoch den geschuldeten Betrag gezahlt hätte, wäre hierüber eine abgesonderte Entscheidung nach § 24 Abs 4 WEG ergangen, doch ändert dies nichts an der prinzipiellen Entschuldbarkeit des Versäumnisses des Beklagten bzw seines Substituten, auf den erkennbaren Willen des Erstgerichtes, eine Endentscheidung zu fällen, nicht sofort mit einer Anregung iSd § 24 Abs 4 WEG reagiert zu haben. Die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichtes, angesichts der konkreten Umstände würde ein diesbezüglicher Verschuldensvorwurf auf eine Überspannung der anwaltlichen Diligenzpflicht hinauslaufen, zumal auch beide Vorinstanzen des Vorprozesses keinen Anlass sahen, eine abgesonderte Entscheidung über den Zahlungsrückstand zu fällen, ist jedenfalls vertretbar, sodass die Zulässigkeit der vorliegenden Revision, die wegen des einmaligen Sachverhalts nichts zur Rechtsfortbildung beitragen kann, auch nicht mit dem Gebot Rechtssicherheit begründbar ist.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E56838European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0050OB00001.00H.0125.000Im RIS seit
24.02.2000Zuletzt aktualisiert am
17.12.2010