TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/29 2002/13/0153

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Veröffentlicht am 29.11.2006
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §293b;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2006/13/0192 2002/13/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M.,

Spruch

1) in der Beschwerdesache des Mag. G, Steuerberater in P, zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vertreten gewesen durch Köstenbauer Wirtschaftstreuhand KEG in 8230 Hartberg, Stefan Seedoch Allee 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997, und zwar

a)

noch unbekannten Datums (2002/13/0163) und

b)

vom 15. Juli 2002, Zl. RV/176-15/12/2002 (2006/13/0192), den Beschluss gefasst:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen;

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

und 2) über die Beschwerde des Genannten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom 28. Mai 2002, Zl. RV/38- 15/12/2000, betreffend gemäß § 293b BAO berichtigte Bescheide über Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996 (2002/13/0153), zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer deklarierte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 1997, in denen er seinen Wohnsitz mit einer Anschrift im 16. Wiener Gemeindebezirk bekannt gab, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter bei einer Wiener Wirtschaftstreuhänderkanzlei und Einkünfte aus selbständiger Arbeit durch eine Tätigkeit als "Konsulent". Als Werbungskosten seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit machte er jeweils näher aufgegliederte Aufwendungen für "doppelte Haushaltsführung" geltend, was er bei der diesbezüglichen Beilage zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 1995 damit begründete, dass seine Lebensgefährtin seit dem 1. September 1995 bei einer Bank in einem in der Steiermark gelegenen Ort angestellt sei und dabei Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit "von mehr als ÖS 20.000,-- jährlich" erziele.

Die erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 wurden mit Bescheiden vom 21. Juni 1999 unter Berufung auf § 293b BAO durch Eliminierung der geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung berichtigt, was das Finanzamt damit begründete, dass sich sowohl der "Betriebssitz" als auch der Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers an der angegebenen Anschrift im 16. Wiener Gemeindebezirk befinde, was einer Anerkennung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung entgegenstehe.

Mit der gleichen Begründung anerkannte das Finanzamt auch bei der Veranlagung des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer für das Jahr 1997 die geltend gemachten Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung nicht.

In seiner Berufung gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 machte der Beschwerdeführer geltend, dass das Finanzamt insoweit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, als der Wohnsitz seiner Lebensgefährtin nicht im 16. Wiener Gemeindebezirk, sondern in der Steiermark gelegen gewesen sei und die Lebensgefährtin auch nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe, sodass es verfehlt sei, ihr einen "Betriebssitz" zuzuweisen (der Beschwerdeführer hatte in Verkennung des Inhaltes der Begründung des Finanzamtes offensichtlich die auf ihn bezogenen Angaben als auf seine Lebensgefährtin gemünzt angesehen). Der Familienwohnsitz der Lebensgefährtin habe am Ort in der Steiermark bestanden, wo sich der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin auch in der Freizeit aufgehalten und ihre Pferde eingestellt hätten. Auch ein Großteil ihrer Bekannten lebe dort. Die Wohnung in Wien sei nur "als Zweitunterkunft am Beschäftigungsort" benützt worden. Eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung sei nicht privat veranlasst, wenn der Partner an einem anderen Ort eine Erwerbstätigkeit aufnehme, der Familienwohnsitz dahin verlegt werde, und der andere Partner den bisherigen Familienwohnsitz, an welchem er weiter erwerbstätig sei, nunmehr als weiteren Wohnsitz beibehalte. Die Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung der in den Einkommensteuererklärungen 1995 und 1996 geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung seien daher gegeben. Das Tatbestandsmerkmal einer offensichtlichen Unrichtigkeit im Sinne des § 293b BAO sei deshalb nicht vorgelegen.

Auch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 erhob der Beschwerdeführer Berufung und wandte sich (zunächst nur) gegen die Verweigerung des Abzuges der im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung geltend gemachten Werbungskosten.

Im Zuge der gemeinsamen Bearbeitung der Berufungen wurde von der Berichterstatterin des Berufungssenates mit dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 19. Februar 2002 eine Niederschrift aufgenommen, in welcher das Ergebnis der Erörterung verschiedener Themen der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 1997 zusammengefasst und festgehalten wurde, dass dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eine "Chronologie lt. Akt" ausgefolgt worden sei. Dieses Schriftstück enthält Ausführungen über die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Wohnsitz, beginnend vom 31. Jänner 1991 bis in die erste Hälfte des Jahres 2001; nach Ausweis dieser "Chronologie" hatte der Beschwerdeführer schon am 31. Jänner 1991 anlässlich der Eröffnung seines Betriebes seinen Wohnsitz mit der Anschrift im 16. Wiener Gemeindebezirk angegeben. Gleich lautende Angaben des Beschwerdeführers werden in dem Schriftstück auch für die Jahre 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1999 und 2001 genannt, wobei fallweise auch eine Anschrift im 17. Wiener Gemeindebezirk und für das Jahr 1996 eine Anschrift am Ort in der Steiermark angegeben wurde. Einer Bestätigung der steirischen Marktgemeinde könne entnommen werden, dass der Beschwerdeführer vom 18. Dezember 1995 bis zum 22. Mai 1997 an einer Anschrift in der steirischen Gemeinde "hauptgemeldet" gewesen sei, heißt es in diesem Schriftstück weiter. Ein gleiches Ergebnis habe auch eine Erhebung beim Vater der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers erbracht.

In einer Eingabe vom 18. März 2002 wurde für den Beschwerdeführer vorgebracht, dass dieser bis 2. Mai 1994 seinen Wohnsitz an der Anschrift im 16. Wiener Gemeindebezirk und sodann an der in der Chronologie auch genannten Anschrift im 17. Wiener Gemeindebezirk gehabt habe. Die Sanierung der Wohnung im steirischen Ort sei im August 1995 abgeschlossen gewesen, der Wohnsitz im 17. Wiener Gemeindebezirk habe auf Grund vertraglicher Mindestmietdauer erst mit Jahresende 1995 aufgegeben werden können und für berufliche Zwecke sei "als Zweitwohnsitz" die Wohnung im

16. Wiener Gemeindebezirk ausreichend gewesen.

In der am 28. Mai 2002 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde wurde nach Erörterung verschiedener Fragen des vom Beschwerdeführer erweiterten Streitgegenstandes der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 die Entscheidung über die Berufung gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 verkündet und die mündliche Berufungsverhandlung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 zum Zwecke weiterer Beweisaufnahmen vertagt.

Mit dem zu 2002/13/0153 angefochtenen, in der mündlichen Berufungsverhandlung der belangten Behörde vom 28. Mai 2002 verkündeten, mit diesem Tag auch datierten und dem Beschwerdeführer zu Handen seines steuerlichen Vertreters am 7. Juni 2002 zugestellten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der "Chronologie" bezüglich des Wohnsitzes des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde in der Begründung dieses angefochtenen Bescheides aus, es sei aus den Steuererklärungen ersichtlich, dass der Beschwerdeführer auch in den Jahren 1995 und 1996 seinen Wohnsitz im 16. Wiener Gemeindebezirk gehabt und Werbungskosten geltend gemacht habe, welche für eine doppelte Haushaltsführung angefallen seien, was mit der Anstellung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers bei der Bank im steirischen Ort begründet worden sei. Ausgaben für eine doppelte Haushaltsführung könnten nach herrschender Lehre und Rechtsprechung aber nicht anerkannt werden, wenn "(Haupt)Wohnsitz und Ort der nichtselbständigen Tätigkeit im selben Ortsgebiet" lägen. Nach der Aktenlage habe das Finanzamt davon ausgehen müssen, dass sowohl der Hauptwohnsitz als auch der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers in Wien gelegen seien, weshalb der Abzug der Ausgaben für einen Zweitwohnsitz als Übernahme einer offensichtlichen Unrichtigkeit aus den Abgabenerklärungen anzusehen gewesen sei.

Innerhalb der im § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG genannten Frist ab Zustellung dieses Bescheides am 7. Juni 2002, nämlich mit einem am 19. Juli 2002 zur Post gegebenen Schriftsatz, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 2002 betreffend die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 die zur Zahl 2002/13/0153 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher er jedoch gleichzeitig auch Beschwerde "gegen die noch nicht zugestellte Berufungsentscheidung" der belangten Behörde über seine Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 erhob und sich hiezu auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 VwGG und des § 28 Abs. 4 VwGG berief.

Eine mit Berichterverfügung vom 30. Juli 2002 an den Beschwerdeführer gerichtete Anfrage, ob der bekämpfte Berufungsbescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997 verkündet oder einer anderen Person zugestellt worden sei, oder woher sonst und mit welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer vom Inhalt dieses Bescheides Kenntnis erlangt habe, wurde vom Beschwerdeführer damit beantwortet, dass ihm die angesprochene Berufungsentscheidung der belangten Behörde betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997 am 9. August 2002 zugestellt worden sei. Mit Berichterverfügung vom 2. September 2002 wurde dem Beschwerdeführer daraufhin aufgetragen, den angefochtenen Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997 nach Datum und Geschäftszahl zu bezeichnen, das Recht, in dem er durch diesen Bescheid verletzt zu sein behaupte, bestimmt anzugeben, die Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit anzuführen und eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen.

Nachdem der Beschwerdeführer diesem ihm am 5. September 2002 zugestellten Auftrag binnen der mit drei Wochen gesetzten Frist durch einen am 25. September 2002 unter Anschluss der erforderlichen Beilagen zur Post gegebenen, als Beschwerdeschrift (§ 34 Abs. 2 letzter Satz VwGG) gestalteten Mängelbehebungsschriftsatz entsprochen hatte, wurde gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren eingeleitet.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997 kann entnommen werden, dass die belangte Behörde - nach Vorlage von Schriftstücken durch den Beschwerdeführer mit Anbringen vom 21. Juni 2002 und nach Durchführung der fortgesetzten mündlichen Berufungsverhandlung am 8. Juli 2002 - mit dem am 8. Juli 2002 verkündeten, mit dem 15. Juli 2002 datierten und dem Beschwerdeführer zu Handen seines steuerlichen Vertreters am 9. August 2002 zugestellten angefochtenen Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1997 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes teilweise durch Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides Folge gab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erledigung der Beschwerden wegen ihres persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und hiezu Folgendes erwogen:

Einkommensteuer 1995 und 1996:

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

Entscheidend hiefür ist, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt, was dann der Fall ist, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Eine solche Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung, was an Hand des Gesetzes und auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen ist, als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (siehe hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. September 2005, 2002/15/0198, vom 18. März 2004, 2003/15/0049, vom 16. Dezember 2003, 2003/15/0110, und vom 16. Mai 2002, 98/13/0180).

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften u.a. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie z. B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist. Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind die Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988. Die doppelte Haushaltsführung ist dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn die Gründung des zweiten Hausstandes einen objektiven Zusammenhang mit der Berufstätigkeit aufweist.

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt in seinem auf § 293b BAO gestützten Bescheid die zuvor berücksichtigten Ausgaben des Beschwerdeführers an Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung aus der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996 mit der Begründung wieder entfernt, die Berücksichtigung dieser Aufwendungen sei als Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus den diesbezüglichen Abgabenerklärungen der betroffenen Jahre anzusehen. Die belangte Behörde hat diese Auffassung des Finanzamtes gebilligt und dies damit begründet, dass nach der Aktenlage sowohl der Hauptwohnsitz als auch der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers in Wien gelegen seien, weshalb der Abzug der Ausgaben für einen Zweitwohnsitz nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht hätte anerkannt werden dürfen.

Dass die Aktenlage zum Zeitpunkt der erstmaligen Erlassung der sodann berichtigten Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 den "Hauptwohnsitz" des Beschwerdeführers als in Wien gelegen ausgewiesen habe, ist eine Beurteilung der belangten Behörde, der nicht beigepflichtet werden kann. Wenn der Beschwerdeführer in seinen Abgabenerklärungen für seine in Wien erzielten Einkünfte eine Wiener Anschrift angab, dann erlaubte dies den von den Abgabenbehörden gezogenen Schluss auf das Bestehen auch des "Haupt"- (oder "Familien"-)wohnsitzes an der angegebenen Wiener Anschrift keineswegs so zwingend, wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gemeint hat. An der Wiener Anschrift konnte der Beschwerdeführer ebenso gut auch nur seine Wohnung am Beschäftigungsort gehabt haben und die Möglichkeit der Existenz eines "Haupt"- (oder "Familien"-)wohnsitzes in einer anderen Ortsgemeinde war damit nicht ausgeschlossen. Der Hinweis des Beschwerdeführers in der Beilage zur Einkommensteuererklärung für das Jahr 1995, dass seine Lebensgefährtin seit dem 1. September 1995 bei einer Bank in dem in der Steiermark gelegenen Ort angestellt sei und dabei Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit "von mehr als ÖS 20.000,-- jährlich" erziele, ließ sich durchaus auch dahin verstehen, dass der Beschwerdeführer sich erst durch diesen Umstand als dazu berechtigt ansah, Mehraufwendungen für eine (auch schon zuvor vorgelegene) doppelte Haushaltsführung nunmehr auch steuerlich geltend zu machen.

Das Vorliegen eines Sachverhaltes der von der belangten Behörde unterstellten Beschaffenheit hingegen ließ sich den Abgabenerklärungen nicht mit jener für ein Vorgehen nach § 293b BAO unerlässlichen - ein Ermittlungsverfahren entbehrlich machenden - Eindeutigkeit entnehmen, deren es bedurft hätte, um eine Rechtswidrigkeit der erstmalig erlassenen Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 aus dem von den Abgabenbehörden gesehenen Grund auf die Übernahme "offensichtlicher" Unrichtigkeiten aus den Abgabenerklärungen des Beschwerdeführers zurückzuführen.

Der zu 2002/13/0153 angefochtene Bescheid betreffend die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 war, weil die belangte Behörde das Fehlen der Voraussetzungen für ein Vorgehen des Finanzamtes nach § 293b BAO nicht erkannt hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Einkommensteuer 1997:

Nach § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG oder gegen eine Weisung gemäß Art. 81a Abs. 4 B-VG sechs Wochen.

Diese Frist beginnt nach § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer bloß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Nach § 26 Abs. 2 VwGG kann die Beschwerde auch erhoben werden, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Falle der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat.

Die Vorschrift des § 28 Abs. 4 VwGG gestattet es dem Beschwerdeführer für diesen Fall, die Begründung der Rechtswidrigkeit im Vorverfahren nachzutragen.

Auf die Bestimmung des § 26 Abs. 2 VwGG (und auf jene des § 28 Abs. 4 leg. cit.) hatte der Beschwerdeführer seine im Schriftsatz vom 19. Juli 2002 auch unternommene Bekämpfung des ihm erst später, nämlich am 9. August 2002, zugestellten Bescheides betreffend Einkommensteuer 1997 gestützt.

Diese Bestimmung bot der vorzeitig unternommenen Beschwerdeführung allerdings keine Rechtfertigung, weil sie ihren Anwendungsbereich nur bei so genannten Mehrparteienverfahren hat. Auch für die Erhebung einer Beschwerde nach § 26 Abs. 2 VwGG ist es nämlich erforderlich, dass der angefochtene Bescheid überhaupt erlassen, also einer (anderen) Partei zugestellt oder verkündet worden ist, weil die Erhebung einer Bescheidbeschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur gegen einen Bescheid zulässig ist, der im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bereits existiert. Die Unzulässigkeit der Beschwerde infolge Fehlens des Anfechtungsgegenstandes im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dabei auch durch eine spätere Zustellung des als angefochten bezeichneten Bescheides nicht beseitigt, sodass eine Sanierung des Mangels der Prozessvoraussetzung eines im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung rechtlich existenten Anfechtungsobjektes durch nachträgliches Entstehen des Anfechtungsobjektes rechtlich nicht möglich ist (siehe hiezu die hg. Beschlüsse vom 20. Dezember 2005, 2005/04/0063, vom 9. November 2004, 2004/05/0223, vom 31. März 2004, 2004/18/0013, vom 12. September 2002, 2002/15/0090, und vom 25. März 1997, 96/05/0263).

War die mit der - gegen den Berufungsbescheid betreffend die berichtigten Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 wirksam erhobenen - am 19. Juli 2002 zur Post gegebenen Beschwerde unternommene Bekämpfung des zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassenen Berufungsbescheides betreffend Einkommensteuer 1997 somit unzulässig und konnte auch die - durch Zustellung des Bescheides am 9. August 2002 an den Beschwerdeführer bewirkte - Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der bereits unternommenen Bekämpfung diese nicht mehr zulässig machen, dann musste die zu 2002/13/0163 protokollierte Beschwerde gegen den (noch nicht erlassenen) Einkommensteuerbescheid 1997 wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückgewiesen werden, was der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Wohl war dem Beschwerdeführer zur Bekämpfung des Berufungsbescheides betreffend Einkommensteuer 1997 noch die Möglichkeit der Beschwerdeerhebung innerhalb der im § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG genannten Frist ab der mit dem 9. August 2002 erfolgten Bescheidzustellung verblieben.

Als eine solche Beschwerdeerhebung lässt sich der als "Beschwerde" in Entsprechung der Berichterverfügung vom 2. September 2002 erstattete Mängelbehebungsschriftsatz auch verstehen. Die im § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG statuierte Frist war mit dieser Beschwerdeerhebung allerdings nicht gewahrt worden, weil sie am 20. September 2002 abgelaufen war, während der als "Beschwerde" bezeichnete Mängelbehebungsschriftsatz erst am 25. September 2002 zur Post gegeben wurde. Die Rechtzeitigkeit der Mängelbehebung innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof in der Berichterverfügung gesetzten Frist konnte mangels Sanierbarkeit der Unzulässigkeit der vorangegangenen ersten Beschwerdeerhebung an der Verspätung der als solcher zu deutenden zweiten Beschwerdeerhebung nichts ändern.

Die zur Zahl 2006/13/0192 protokollierte Beschwerde gegen den am 9. August 2002 zugestellten Berufungsbescheid betreffend Einkommensteuer 1997 war somit wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof ebenso in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. November 2006

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2002130153.X00

Im RIS seit

16.01.2007

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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