TE OGH 2000/1/27 8Ob320/99p

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Veröffentlicht am 27.01.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****AG, ***** vertreten durch Dr. Ewald Jenewein und Dr. Gerhard Zimmermann, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) Mag. Hans Peter T*****, Steuerberater, ***** 2) Margit B*****, Hausfrau, ***** 3) Irmgard R*****, Selbständige, ***** vertreten durch Univ. Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 124.972,43 sA (erstbeklagte Partei) bzw S 187.458,65 sA (zweit- und drittbeklagte Partei), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. August 1999, GZ 2 R 105/99d-24, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Februar 1999, GZ 5 Cg 132/98k-18, hinsichtlich der zweit- und der drittbeklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweit- und der drittbeklagten Partei die mit S 10.890,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.815,- Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Zweitbeklagte ist die Lebensgefährtin, die Drittbeklagte die Mutter des Gerd V*****, der ab 1992/93 eine Handelsvertretung betrieb. Im Sommer/Herbst 1996 war seine finanzielle Situation sehr schlecht; seine Verbindlichkeiten bei der Klägerin - seiner Hausbank - waren auf mehr als S 2,000.000,- angewachsen. Das bei der Klägerin gehaltene Kontokorrentkreditkonto befand sich per 11. 9. 1996 mit S 169.176,96 im Soll, das Privatkonto V*****s mit ca S 30.000,-. Die Klägerin wusste über seine sehr schlechte finanzielle Situation genau Bescheid. Sie konnte sich aber aufgrund eines von ihm gemeinsam mit seinem Steuerberater - dem Erstbeklagten - vorgelegten Konzeptes eine Fortführung des Unternehmens vorstellen und räumte ihm eine weitere Erhöhung des (insgesamt drei mal erhöhten) Kontokorrentkredites um S 150.000,- ein. Sie verlangte aber weitere Sicherheiten, weshalb es dazu kam, dass V*****, der keine Sicherheiten in Form von Liegenschaften oder Barvermögen bieten konnte, seine Lebensversicherung verpfändete und die drei Beklagten (der Erstbeklagte aber nur in begrenztem Umfang) Bürgschaften für den in Höhe von S 150.000,- gewährten weiteren Kontokorrentkredit übernahmen. Der Sachbearbeiter der Klägerin sah keinerlei Veranlassung, mit der Zweit- und der Drittbeklagten Kontakt aufzunehmen. Eine Aufklärung - sei es über die Bürgschaft an sich, sei es über die finanzielle Situation V***** - fand nicht statt. V***** wurden die von der Klägerin ausgefüllten Bürgschaftsverträge mit dem Auftrag mitgegeben, die Unterschriften der beiden Bürginnen einzuholen. Der Sachbearbeiter der Klägerin erklärte, dass die Bürgschaften der Zweit- und der Drittklägerin ohnehin nur eine Formsache seien. Die Vorlage von Gehaltsunterlagen wurde zwar verlangt - V***** ließ der Klägerin eine Gehaltsbestätigung der Zweitbeklagten und eine monatliche Einnahmen- und Ausgabenaufstellung der Drittbeklagten zukommen - eine eigentliche Bonitätsprüfung wurde aber nicht durchgeführt. Anlässlich eines Besuchs der Zweitbeklagten und V*****s in der Schweiz legte dieser die mitgebrachten Bürgschaftsverträge vor und sagte, die Bank würde die Unterfertigung durch sie beide verlangen. Er wies auch darauf hin, dass nach Aussage der Bank die Unterfertigung dieser Bürgschaftsverträge nur eine Formsache sei.

Die Zweitbeklagte verdiente damals als Verkäuferin im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung monatlich S 7.500,- netto. Weiteres Vermögen besaß sie nicht. Sie war für ein Kind sorgepflichtig. Über die finanzielle Situation des Unternehmens ihres Lebensgefährten wusste sie nicht Bescheid. Die in der Schweiz lebende Drittbeklagte war damals arbeitslos. Vom Arbeitslosengeld von ca sfr. 3.600,- musste sie Steuern und Krankenversicherung sowie die Miete für ihre Wohnung (mehr als sfr. 2.000,- monatlich) zahlen. Später erhielt sie eine Anstellung bei der Krankenkasse, seit Jänner 1998 ist wieder arbeitslos. Inwieweit sie über die finanzielle Situation ihres Sohnes Bescheid wusste, ist nicht feststellbar.

Die Klägerin begehrte im vorliegenden Verfahren vom Erstbeklagten zuletzt S 124.972,43 sA, von der Zweit- und der Drittbeklagten zur ungeteilten Hand S 187.458,65 sA. Das Verfahren gegen den Erstbeklagten ist mittlerweile rechtskräftig erledigt (Teilanerkenntnisurteil; Vergleich).

Die Zweit- und die Drittbeklagte wendeten ua ein, dass die Klägerin ihre geschäftliche Unerfahrenheit und ihren Leichtsinn ausgenützt habe, um Bürgschaftsverpflichtungen zu erlangen. Ihr sei immer bekannt gewesen, dass beide nicht in der Lage seien, Beträge zur Abdeckung der Bürgschaftsschuld, an der sie keinerlei Eigeninteresse hätten, aufzubringen. Die Bürgschaftsverpflichtungen seien daher sittenwidrig und rechtsunwirksam.

Das Erstgericht wies das gegen die Zweit- und die Drittbeklagte gerichtete Klagebegehren ab, weil die mit ihnen abgeschlossenen Bürgschaftsverträge sittenwidrig und damit nichtig seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Unter eingehender Wiedergabe der mit der Entscheidung SZ 68/64 begründeten höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Haftungserklärungen volljähriger Familienangehöriger ohne jedes oder jedenfalls ohne zulängliches Einkommen und Vermögen billigte es die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Die nach dieser Rechtsprechung gebotene Gesamtwürdigung aller Umstände führe hier zur Annahme der Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverträge. Es bestehe ein Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und den Vermögensverhältnissen der Bürginnen, das der Klägerin auch bekannt gewesen sei. Dazu komme eine gefühlsmäßige Bindung der beiden Bürginnen zum Hauptschuldner, die sich bereits daraus ergebe, dass die Zweitbeklagte seine Lebensgefährtin, die Erstbeklagte seine Mutter sei. Dennoch habe die Klägerin jede Kontaktaufnahme mit den Bürginnen unterlassen und deren Verpflichtung noch zusätzlich verharmlost. Das Klagebegehren sei daher wegen Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverpflichtung zu Recht abgewiesen worden.

Nachdem das Berufungsgericht zunächst die ordentliche Revision unter Hinweis auf die einheitliche oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht zugelassen hatte, änderte es über Antrag der Klägerin (§ 508 Abs 1 ZPO) seinen Zulassungsausspruch iS der Zulassung der ordentlichen Revision ab. Es fehle an Rechtsprechung, ob die in der Entscheidung SZ 71/117 genannten Voraussetzungen (inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrages, Missbilligung der Umstände des Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit sowie Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber) kumulativ gegeben sein müssten. Auch sei die Zulassung der Herausbildung weiterer Fallgruppen zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftserklärungen förderlich.Nachdem das Berufungsgericht zunächst die ordentliche Revision unter Hinweis auf die einheitliche oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht zugelassen hatte, änderte es über Antrag der Klägerin (Paragraph 508, Absatz eins, ZPO) seinen Zulassungsausspruch iS der Zulassung der ordentlichen Revision ab. Es fehle an Rechtsprechung, ob die in der Entscheidung SZ 71/117 genannten Voraussetzungen (inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrages, Missbilligung der Umstände des Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit sowie Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber) kumulativ gegeben sein müssten. Auch sei die Zulassung der Herausbildung weiterer Fallgruppen zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftserklärungen förderlich.

Gegen das die Zweit- und die Drittbeklagte betreffende Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Zweit- und die Drittbeklagten beantragten, die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.Die Zweit- und die Drittbeklagten beantragten, die Revision mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden.Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO nicht gebunden.

Der Oberste Gerichtshof befasste sich mit der Frage der Sittenwidrigkeit riskanter Bürgschaften erstmals in der Entscheidung SZ 68/64. Danach sind die Wertungen der deutschen Rechtsprechung bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Haftungserklärungen volljähriger Familienangehöriger - wie hier der Klägerin - "ohne jedes oder jedenfalls ohne zulängliches Einkommen und Vermögen" auch für den österreichischen Rechtsbereich von Bedeutung, weil das Prinzip der Privatautonomie, das jedermann auch risikoreiche, nur unter besonders günstigen Bedingungen erfüllbare Geschäfte erlaubt, durch die Bestimmung des § 879 ABGB begrenzt wird. Erst die Verbindung der strukturell ungleich größeren Verhandlungsstärke der Gläubigerbank gegenüber einem dem Hauptschuldner gutstehenden Angehörigen, dessen Verpflichtung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigt, mit weiteren, in der Person des gutstehenden Angehörigen liegenden, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigenden und der Gläubigerbank zurechenbaren Umständen kann in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbots - in bloßen Ausnahmefällen - die Sittenwidrigkeit und damit die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestands begründen. Dabei seien elf im einzelnen genannte, demonstrativ aufgezählte, für die Sittenwidrigkeitsfrage beachtliche Gesichtspunkte, deren Gesamtwürdigung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen sei, maßgeblich. Der Rechtsprechung diente diese Leitentscheidung seither als Richtschnur zur Beurteilung der jeweiligen Einzelfälle (ÖBA 1997, 1027; JBl 1998, 36; ecolex 1998, 761; ecolex 1998, 471; ÖBA 1998, 723; RIS-Justiz RS0048300, RS0048309, RS0048312; zuletzt ÖBA 1999,647; 10 Ob 98/99f). Die Lehre stimmte dieser Leitentscheidung im wesentlichen zu (siehe die umfangreiche Aufzählung in ÖBA 1999, 647 und in 10 Ob 98/99f); zu einzelnen Kritikpunkten der Lehre hat der Oberste Gerichtshof jüngst in SZ 71/117 im einzelnen eingehend Stellung genommen.Der Oberste Gerichtshof befasste sich mit der Frage der Sittenwidrigkeit riskanter Bürgschaften erstmals in der Entscheidung SZ 68/64. Danach sind die Wertungen der deutschen Rechtsprechung bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Haftungserklärungen volljähriger Familienangehöriger - wie hier der Klägerin - "ohne jedes oder jedenfalls ohne zulängliches Einkommen und Vermögen" auch für den österreichischen Rechtsbereich von Bedeutung, weil das Prinzip der Privatautonomie, das jedermann auch risikoreiche, nur unter besonders günstigen Bedingungen erfüllbare Geschäfte erlaubt, durch die Bestimmung des Paragraph 879, ABGB begrenzt wird. Erst die Verbindung der strukturell ungleich größeren Verhandlungsstärke der Gläubigerbank gegenüber einem dem Hauptschuldner gutstehenden Angehörigen, dessen Verpflichtung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigt, mit weiteren, in der Person des gutstehenden Angehörigen liegenden, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigenden und der Gläubigerbank zurechenbaren Umständen kann in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbots - in bloßen Ausnahmefällen - die Sittenwidrigkeit und damit die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestands begründen. Dabei seien elf im einzelnen genannte, demonstrativ aufgezählte, für die Sittenwidrigkeitsfrage beachtliche Gesichtspunkte, deren Gesamtwürdigung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen sei, maßgeblich. Der Rechtsprechung diente diese Leitentscheidung seither als Richtschnur zur Beurteilung der jeweiligen Einzelfälle (ÖBA 1997, 1027; JBl 1998, 36; ecolex 1998, 761; ecolex 1998, 471; ÖBA 1998, 723; RIS-Justiz RS0048300, RS0048309, RS0048312; zuletzt ÖBA 1999,647; 10 Ob 98/99f). Die Lehre stimmte dieser Leitentscheidung im wesentlichen zu (siehe die umfangreiche Aufzählung in ÖBA 1999, 647 und in 10 Ob 98/99f); zu einzelnen Kritikpunkten der Lehre hat der Oberste Gerichtshof jüngst in SZ 71/117 im einzelnen eingehend Stellung genommen.

Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung genannte Voraussetzungen für ein Sittenwidrigkeitsurteil (inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrags, Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten und Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber) sind das Ergebnis einer systematischen Zusammenfassung der in SZ 68/64 aufgezählten Kriterien (JBl 1998,36 unter Hinweis auf Graf, Verbesserter Schutz vor riskanten Bürgschaften, ÖBA 1995, 776 [778]). Im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichtes hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass die Erfüllung aller drei dieser Voraussetzungen - im Zeitpunkt der Haftungsübernahme - erforderlich ist, um eine in manchen Grundsätzen dem Wucherverbot nachgebildete Sittenwidrigkeit bejahen zu können (SZ 71/117; ÖBA 1999, 647). Die von der zweiten Instanz als erheblich angesehene Frage, ob alle oder ob bloß einzelne und bejahendenfalls, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ist daher ohnedies bereits geklärt worden.

Das eine weitere Inhaltskontrolle auslösende krasse Mißverhältnis des Haftungsumfangs und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der klagenden Interzedentin im Zeitpunkt der Haftungsübernahme war im vorliegenden Fall unzweifelhaft gegeben und der Klägerin auch bekannt. Der dagegen erhobene Einwand der Revisionswerberin, die Vermögensverhältnisse der Zweit- und der Drittbeklagten seien ungeklärt, übersieht, dass die Vermögenslosigkeit der Zweitbeklagten ausdrücklich festgestellt wurde und dass die Vermögenslosigkeit der Zweitbeklagten, die Verfahrenshilfe genießt und in ihrem Vermögensbekenntnis das Fehlen jeglichen Vermögens offenlegte, zwischen den Parteien gar nicht strittig war. Steht ein solches krasses Missverhältnis als objektives Element fest, so bilden dann die für die Inhaltskontrolle sonst rechtserheblichen, in der Leitentscheidung demonstrativ aufgezählten und von Graf (ÖBA 1995, 776) abstrahierend gruppierten Gesichtspunkte ein bewegliches Beurteilungssystem, dessen Anwendung ein Sittenwidrigkeitsurteil dann erlaubt, wenn entsprechende Indikatoren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in allen drei Systemelementen verwirklicht waren und diesen in der Gesamtschau - je nach den Umständen des Einzelfalls - erhebliches Gewicht beizumessen ist (SZ 71/117; ÖBA 1999, 647).

Im hier zu beurteilenden Fall waren Indikatoren in allen drei der vom Berufungsgericht genannten Systemelementen verwirklicht. Die inhaltliche Missbilligung der Bürgschaftsverträge resultiert aus dem schon oben erörterten groben Missverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit der beiden Bürginnen und dem Verpflichtungsumfang, zum dem noch das Fehlen eines relevanten Eigeninteresses der Bürginnen an der zu sichernden Kreditgewährung tritt (allein aus der Stellung der Zweitbeklagten als Lebensgefährtin kann ein solches relevantes Eigeninteresse gerade im vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden, in dem die Verbindung zum in der Krise befindlichen Unternehmen des Hauptschuldners derart lose war, dass die Zweitbeklagte nicht einmal über dessen finanzielle Situation Bescheid wusste). Anhaltspunkte für ein zu missbilligendes Zustandekommen der Verträge wegen verdünnter Willensfreiheit der Bürgen haben die Vorinstanzen zu Recht in der (für sich allein nicht ausreichenden) gefühlsmäßigen Bindung zum Hauptschuldner erblickt, zu der hier die angesichts seiner überaus kritischen finanziellen Situation unerklärliche Verharmlosung des mit der Haftungsübernahme verbundenen Risikos durch die Bank tritt. Dass der Sachbearbeiter der Klägerin seine verharmlosenden Hinweise nicht unmittelbar gegenüber den Bürginnen erklärte, ändert daran nichts, weil sich die Klägerin - wie schon das Erstgericht richtig hervorhob - des Hauptschuldners als Boten zur Einholung der ihm abverlangten Bürgschaften bediente und demgemäß damit rechnen musste, dass der Hauptschuldner die ihm gegenüber zum Ausdruck gebrachte Bagatellisierung des Risikos den Bürginnen als Haltung der Bank vermitteln werde. Dass die Klägerin von den hier dargestellten Umständen wusste bzw. wissen musste, ergibt sich schon aus den obigen Ausführungen.

Die umfangreichen Ausführungen der Revisionswerberin zur Widerlegung der Annahme der Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverpflichtungen, die die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den hier aufgeworfenen Problemkreisen nicht in Frage stellen, bekämpfen inhaltlich - soweit sie nicht bereits mit den eben angestellten Überlegungen widerlegt wurden - die nach dem Umständen des konkreten Einzelfalles von der zweiten Instanz vorgenommene Gesamtwürdigung der für und gegen die Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverträge sprechenden Argumente. Damit zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO auf. Eine dessenungeachtet die Zulässigkeit der Revision begründende unvertretbare Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.Die umfangreichen Ausführungen der Revisionswerberin zur Widerlegung der Annahme der Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverpflichtungen, die die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den hier aufgeworfenen Problemkreisen nicht in Frage stellen, bekämpfen inhaltlich - soweit sie nicht bereits mit den eben angestellten Überlegungen widerlegt wurden - die nach dem Umständen des konkreten Einzelfalles von der zweiten Instanz vorgenommene Gesamtwürdigung der für und gegen die Sittenwidrigkeit der Bürgschaftsverträge sprechenden Argumente. Damit zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iS des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO auf. Eine dessenungeachtet die Zulässigkeit der Revision begründende unvertretbare Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.

Ihren Einwand, selbst bei Bejahung einer allfälligen Sittenwidrigkeit sei lediglich von einer Teilnichtigkeit auszugehen, die zu einer Vertragsanpassung durch Herabsetzung der Verpflichtungen der Bürginnen zu führen habe, hat die Revisionswerberin in zweiter Instanz nicht vorgebracht.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Zweit- und die Drittbeklagte haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO. Die Zweit- und die Drittbeklagte haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

Anmerkung

E56868 08AA3209

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0080OB00320.99P.0127.000

Dokumentnummer

JJT_20000127_OGH0002_0080OB00320_99P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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