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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des NK in G, geboren 1967, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Tirol vom 28. Juli 2006, Zl. 2/4033/37/06, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Tirol (der belangten Behörde) vom 28. Juli 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21. März 2006 auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 24. Februar 1993 gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.
Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers habe sich bis 1990 im ehemaligen Jugoslawien befunden. Der Beschwerdeführer sei nach einem Aufenthalt in Deutschland nach Tirol gekommen, wo er im Gastgewerbe gearbeitet habe.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. September 1991 sei er wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128, 129, 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. Aus dieser Freiheitsstrafe sei er am 12. September 1992 bedingt für eine Probezeit von drei Jahren entlassen worden.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. November 1992 sei er wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 StGB und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs nach § 136 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt worden.
Daraufhin habe die Bundespolizeidirektion Innsbruck den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 24. Februar 1993 mit einem unbefristeten Aufenthaltverbot belegt.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26. April 1994 sei er wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128, 129, 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Aus dieser Freiheitsstrafe sei er am 5. Februar 1996 auf eine Probezeit von einem Jahr bedingt entlassen worden.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Dezember 1996 sei er wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch sowie der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 StGB und der schweren Körperverletzung nach den §§ 83, 84 StGB und der Urkundenfälschung nach den §§ 223 Abs. 1, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt worden.
Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. April 2002 sei er wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128, 129, 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren verurteilt worden.
Seit dem 29. Juni 2005 sei er mit der Österreicherin Mag. Ingrid G. verheiratet. Diese sei beim Landesschulrat für Oberösterreich in Linz (als Professorin) beschäftigt.
Der Beschwerdeführer sei Fremder im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG, weil er die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze. Er sei kein begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, weil seine (österreichische) Ehegattin das europäische Freizügigkeitsrecht nie in Anspruch genommen habe. Daher sei die Sicherheitsdirektion zur Entscheidung über die Berufung gegen den die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ablehnenden erstinstanzlichen Bescheid zuständig (§ 9 Abs. 1 Z. 2 FPG). Das Aufenthaltsverbot werde nicht aufgehoben, weil es im Grund der §§ 60 Abs. 1, 86 Abs. 1 erster Satz FPG erforderlich sei, um eine vom Beschwerdeführer ausgehende, tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, abzuwenden. Diese Gefahr ergebe sich aus dem schweren, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Gesamtfehlverhalten vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes und aus dem zum Großteil einschlägigen (gegen fremdes Vermögen gerichteten) strafbaren Verhalten, das den Verurteilungen nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu Grunde liege. Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien nicht weggefallen. Die Umstände hätten sich nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert. Auf Grund seines (weiterhin) schweren strafbaren Verhaltens im Bundesgebiet sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit gefährde. Die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG falle zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Die Heirat mit der Österreicherin Mag. Ingrid G. könne angesichts seines kriminellen, unverbesserlichen Vorlebens und der daraus hervorleuchtenden großen Gefährlichkeit seiner Person für die öffentliche Sicherheit kein anderes, für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis herbeiführen. Er und seine Gattin hätten wissen müssen, dass er mit einem Aufenthaltsverbot belegt sei und Österreich werde verlassen müssen. Von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes könne auch nicht im Rahmen des von der Behörde zu übenden Ermessens abgesehen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der auch hier maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44 Fremdengesetz 1997 kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174), ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind.
2.1. Als Änderung der Umstände zu seinen Gunsten macht der Beschwerdeführer geltend, dass er seit dem 29. Juni 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei.
2.2. Der Beschwerdeführer ist dadurch nicht zum begünstigten Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG geworden, weil seine österreichische Ehefrau unstrittig ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat. Die belangte Behörde war daher gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG für die Erlassung des Bescheides zuständig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0111).
2.3. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG kommt es nach dem Gesagten darauf an, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des - wegen der Heirat des Beschwerdeführers mit einer Österreicherin maßgebenden - § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0138). Ferner ist für die Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG maßgeblich, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund der §§ 60 Abs. 6 iVm § 66 sowie § 61 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei einer Entscheidung über einen Aufhebungsantrag das ihr im § 60 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. das zu § 44 Fremdengesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0168).
3.1. Die Beschwerde führt aus, dass die belangte Behörde im Wesentlichen nur auf die gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteile Bezug genommen habe. Diese Vorgangsweise sei vom Gesetzgeber nicht erwünscht. § 86 FPG sehe vor, dass strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes begründen könnten.
3.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass - obgleich keine näheren Feststellungen zu den den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten getroffen wurden - das tatbestandsmäßige Verhalten des Beschwerdeführers im Sinn der genannten strafgesetzlichen Bestimmungen auf Grund der rechtskräftigen Verurteilungen in bindender Weise feststeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 99/18/0051). Der Beschwerdeführer ist - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - in den 16 Jahren, in denen er sich im Bundesgebiet befindet, zu insgesamt 15 Jahren und zwei Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei der Großteil der strafbaren Handlungen in einen Zeitraum fällt, in dem der Beschwerdeführer bereits mit dem verfahrensgegenständlichen unbefristeten Aufenthaltsverbot belegt war. Im vorliegenden Fall steht daher bereits auf Grund der Art der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten und der Häufigkeit der Delikte im Zusammenhang mit den dafür verhängten Strafen fest, dass auf Grund des persönlichen Verhaltens des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit von ihm ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. zu einer möglichen Aussagekraft der Häufigkeit von Delikten das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/18/0162). Daran kann auch das Vorbringen der Beschwerde nichts ändern, dass der Beschwerdeführer einen Gesinnungswandel durchgemacht hätte, der sich "eindeutig durch die Verehelichung mit einer österreichischen Staatsbürgerin" zeige. Dieser Umstand bietet keine Gewähr dafür, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Einbruchsdelikte als weggefallen oder auch als nur entscheidend gemindert angesehen werden könnte. Die vom Beschwerdeführer nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes verübten Straftaten, die auch noch nicht sehr lange zurückliegen, zeigen im Gegenteil, dass sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährlichkeit noch massiv gesteigert hat. Daran kann das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer seine bisherigen Straftaten sehr bereue, nichts zu ändern. Von daher geht auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte zum Nachweis dafür, dass für den Beschwerdeführer eine günstige Zukunftsprognose vorliege, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen und die Ehegattin des Beschwerdeführers einvernehmen müssen, fehl (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0119).
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1990 und die Verbindung zu seiner Ehefrau zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Wenn sie dennoch angesichts des vor allem nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes gesetzten schweren Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Beibehaltung dieser Maßnahme im Licht dieser Gesetzesbestimmung für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer nicht als rechtswidrig zu erkennen. Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Maßnahme erweist sich auch das Ergebnis der von der belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Dabei konnte auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer (nunmehr) in Österreich eine familiäre Bindung aufweist, nicht wesentlich zu seinem Gunsten ausschlagen, denn die Eheschließung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer wusste, dass er nicht mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1996, Zl. 95/18/1021, und vom 27. Februar 2003, Zl. 2002/18/0207).
5. Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinn des § 55 Abs. 3 FPG wäre - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht iSd Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066).
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 29. November 2006
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180327.X00Im RIS seit
05.01.2007Zuletzt aktualisiert am
14.02.2010