Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr. Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Maria Anna H*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen S 150.000 sA, über den Ablehnungsantrag der beklagten Partei vom 26. August 1999 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Ablehnung wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Zur Vorgeschichte wird auf den Beschluss des erkennenden Senates vom 27. 5. 1999, 2 Ob 149/99x verwiesen. Nach der zufolge dieser Entscheidung erfolglosen Ablehnung der drei Richter eines Berufungssenates des Oberlandesgerichtes Innsbruck fand am 26. 8. 1999 eine Berufungsverhandlung statt (ON 84). In dieser lehnte die Beklagte sämtliche Richter und Richterinnen sowie Senatspräsidenten und Senatspräsidentinnen des Oberlandesgerichtes Innsbruck einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten aus folgenden Gründen als befangen ab:
Vor dem Prozessgericht sei auch Dr. L*****, der Lebensgefährte der Beklagten, bei dem es sich um einen im Sprengel des Oberlandesgerichtes Innsbruck ernannten Richter handle, als Zeuge vernommen worden. Seine Aussage sei auch vom Berufungsgericht als Tatsacheninstanz zu würdigen, nachdem die Beklagte in der Berufung auch eine Beweisrüge erhoben habe. Er gelte daher auch in dieses Verfahren als "involviert". Allein schon aus diesem Grund bestehe zumindest der Anschein der Befangenheit, was auch dadurch untermauert werde, dass der Gesetzgeber im Richterdienstgesetz für Disziplinarsachen selbst die Notwendigkeit einer ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Oberlandesgerichts erblickt habe. Auf Grund eines Analogieschlusses sei bei der konkreten Fallgestaltung zumindest von einer Befangenheit aller Entscheidungsträger des Oberlandesgerichts Innsbruck auszugehen.
Darüber hinaus bestehe aber auch seit Jahren ein Streit zwischen dem Präsidium des Oberlandesgerichts Innsbruck und verschiedenen Senatspräsidenten und Senatspräsidentinnen und Richtern und Richterinnen des Oberlandesgerichts Innsbruck, der auch schon zu Anzeigen geführt habe, einerseits und Dr. L***** andererseits. Insgesamt bestünden beim Oberlandesgericht Innsbruck eine sehr vergiftete Stimmung und konkrete Anhaltspunkte einer unsachlichen Argumentationslinie gegenüber Dr. L***** und der Beklagten. Diese Stimmung habe auf alle Richter und Richterinnen einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten "übergeschlagen". Sie schlössen sich bei diesem Streit jeweils kritiklos ihren beim selben Gericht tätigen Kollegen an. Sie wären daher verpflichtet gewesen, in dieser Rechtssache die Selbstablehnung zu erklären. Es bestünden auch Bedenken, dass dieser Streit auf dem Rücken der Beklagten ausgetragen werde. Diese Gründe seien ihr erst seit wenigen Tagen bekannt.
Konflikte, Nahebeziehungen und sonstige Verbindungen zwischen einer Verfahrenspartei und einem Mitglied eines Tribunals könnten Anlass zu Zweifeln über die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Mitglieder des Tribunals geben. Eine solche Konfliktsituation liege zwischen sämtlichen Mitgliedern des Oberlandesgerichts Innsbruck einerseits sowie Dr. L***** und der Beklagten andererseits vor. Das Misstrauen gegenüber den erwähnten Entscheidungsträgern sei objektiv begründet. Die Beklagte beantrage daher, das zuständige Gericht möge in Stattgebung des Ablehnungsantrages gemäß § 30 JN ein anderes Oberlandesgericht als Berufungsgericht bestimmen.Konflikte, Nahebeziehungen und sonstige Verbindungen zwischen einer Verfahrenspartei und einem Mitglied eines Tribunals könnten Anlass zu Zweifeln über die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Mitglieder des Tribunals geben. Eine solche Konfliktsituation liege zwischen sämtlichen Mitgliedern des Oberlandesgerichts Innsbruck einerseits sowie Dr. L***** und der Beklagten andererseits vor. Das Misstrauen gegenüber den erwähnten Entscheidungsträgern sei objektiv begründet. Die Beklagte beantrage daher, das zuständige Gericht möge in Stattgebung des Ablehnungsantrages gemäß Paragraph 30, JN ein anderes Oberlandesgericht als Berufungsgericht bestimmen.
Sämtliche Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck äußerten sich zum Ablehnungsantrag dahin, dass sie nicht befangen seien.
Das Oberlandesgericht Innsbruck zeigte dem Obersten Gerichtshof gemäß § 30 JN seine Behinderung an, weil es in Hinblick auf den Ablehnungsantrag der Beklagten aus einem der in § 19 JN vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert sei.Das Oberlandesgericht Innsbruck zeigte dem Obersten Gerichtshof gemäß Paragraph 30, JN seine Behinderung an, weil es in Hinblick auf den Ablehnungsantrag der Beklagten aus einem der in Paragraph 19, JN vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert sei.
Es trifft zu, dass das Oberlandesgericht Innsbruck durch die Ablehnung seiner sämtlichen Richter beschlussunfähig wurde. Zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag ist daher gemäß § 23 JN der Oberste Gerichtshof berufen (5 N 504/99 mwN).Es trifft zu, dass das Oberlandesgericht Innsbruck durch die Ablehnung seiner sämtlichen Richter beschlussunfähig wurde. Zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag ist daher gemäß Paragraph 23, JN der Oberste Gerichtshof berufen (5 N 504/99 mwN).
Rechtliche Beurteilung
Die Ablehnung ist nicht berechtigt.
Dass im vorliegenden Fall ein Analogieschluss aus den disziplinarrechtlichen Bestimmungen des Richterdienstgesetzes zu erfolgen hätte, ist für den erkennenden Senat mangels näherer Erläuterung durch die Beklagte nicht nachvollziehbar.
Grundsätzlich kann die Ablehnung eines ganzen Gerichts nur durch die Ablehnung jedes einzelnen seiner Richter unter Angabe detaillierter, konkreter Ablehnungsgründe gegen diese Richter erfolgen. Eine unzulässige, undifferenzierte Pauschalablehnung eines Gerichtshofes liegt nur dann nicht vor, wenn dem Antrag zu entnehmen ist, dass bei jedem einzelnen Richter im Wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen (5 N 504/99 mwN; RIS-Justiz RS0045983, RS0046005).
Im vorliegenden Fall sieht die Beklagte im Wesentlichen deshalb alle Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck als befangen an, weil wegen eines Streites zwischen einigen Mitgliedern dieses Gerichtshofes und ihrem Lebensgefährten, der Richter im Sprengel des Gerichtshofes sei, beim Oberlandesgericht eine für sie und ihren Lebensgefährten ungünstige Stimmung bestehe, die auf alle Richter "übergeschlagen" habe.
Damit werden nach Auffassung des erkennenden Senates keine Umstände dargelegt, die die behauptete Befangenheit sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts erkennen lassen. Auch wenn zwischen der Justizverwaltung und dem Lebensgefährten der Beklagten Konflikte bestehen sollten, ist insbesonders von den Mitgliedern des Berufungssenates zu erwarten, dass sie sich bei ihrer Entscheidung nur von sachlichen Motiven leiten lassen. Konkrete dagegen sprechende Umstände hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Ihre Befürchtung einer für sie ungünstigen allgemeinen Stimmung reicht nicht aus, um eine Befangenheit aller Richter des Oberlandesgerichts zu begründen.
Die Ablehnung war daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E56815 02I05239European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:00200N00523.99.0203.000Dokumentnummer
JJT_20000203_OGH0002_00200N00523_9900000_000