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E000 EU- Recht allgemein;Norm
ARB1/80 Art6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des M Y, geboren 1981, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. Mai 2006, Zl. 2/4033/52/02, betreffend Aufhebung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 12. Mai 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines türkischen Staatsangehörigen - vom 24. April 2003 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 2002 erlassenen Aufenthaltsverbots für die Dauer von zehn Jahren - das nunmehr gemäß § 125 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, als Rückkehrverbot gilt - gemäß § 65 Abs. 1 FPG abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe seinen Aufhebungsantrag im Wesentlichen damit begründet, am 27. März 2003 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet zu haben. Im Hinblick darauf könnte ein einmaliger "Vorfall" gegenüber einer außenstehenden Person und die Verletzung der Lebensgefährtin im Zug von Beziehungsproblemen die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nicht rechtfertigen. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass der gemeinsame Sohn am 12. November 2003 geboren worden wäre. Der Ehegattin wäre es nicht zumutbar, mit dem Beschwerdeführer in die Türkei zu ziehen. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots hätte zur Konsequenz, dass das Kind ohne Vater aufwachsen müsste.
Am 23. März 2006 sei die in der Justizanstalt Wien-Favoriten einsitzende Ehegattin des Beschwerdeführers niederschriftlich einvernommen worden. Diese habe angegeben, dass sie seit der Hochzeit mit dem Beschwerdeführer bei dessen Schwester in Innsbruck wohnen würde. Während der aufrechten Ehe wäre der Beschwerdeführer nur zeitweise einer Beschäftigung nachgegangen. Auf Grund der mittlerweile eingetretenen Zerrüttung der Ehe wollte sie nun die Scheidung einreichen.
Da die österreichische Gattin des Beschwerdeführers das europarechtliche Recht auf Freizügigkeit nie in Anspruch genommen habe, sei der Beschwerdeführer nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG sei daher die Sicherheitsdirektion sachlich zuständig.
Das Aufenthaltsverbot werde nicht aufgehoben, weil eine Gefährlichkeitsprognose im Grund der §§ 60 Abs. 1 und 86 Abs. 1 FPG dergestalt weiterhin zu treffen sei, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots erforderlich sei, um eine vom Beschwerdeführer ausgehende tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, abzuwenden. Diese Gefahr ergebe sich aus den schweren, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten vor Erlassung des Aufenthaltsverbots und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbots eine einschlägige Straftat begangen habe. Am 18. Dezember 1997 habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit sechs anderen Tätern drei Personen durch Versetzen von Schlägen mit einem Baseballschläger verletzt. Trotz rechtskräftiger Verurteilung am 9. Juli 1998 und Androhung fremdenrechtlicher Maßnahmen sei der Beschwerdeführer neuerlich einschlägig straffällig geworden. Am 21. November 2000 habe er eine andere Person durch Schläge in das Gesicht verletzt, weshalb er am 19. März 2001 rechtskräftig verurteilt worden sei. Weiters sei er am 27. März 2002 rechtskräftig verurteilt worden, weil er seine damalige Lebensgefährtin gefährlich bedroht und mehrmals vorsätzlich am Körper verletzt habe. Von Anfang März 2001 bis 23. Oktober 2001 habe er die Lebensgefährtin dreimal mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, was jeweils eine Schwellung zur Folge gehabt habe. In drei weiteren Angriffen habe er sie an den Haaren erfasst, zu Boden oder gegen die Wand gedrückt, ins Gesicht geschlagen (auch mit der Faust) und gewürgt. Dabei habe er ihr Würgemale, eine Schädelprellung, Schwellungen, ein Hämatom am Auge, blaue Flecken im Brustbereich und an den Oberarmen sowie einen Trommelfelleinriss zugefügt. Nach Verhängung des Aufenthaltsverbots sei der Beschwerdeführer am 14. April 2005 neuerlich wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden. Er habe in der Nacht zum 23. Dezember 2003 seine Gattin durch einen Schlag mit der Hand ins Gesicht am Körper verletzt, wobei die Tat einen verschobenen Nasenbeinbruch, sohin eine an sich schwere Verletzung, zur Folge gehabt habe.
Aus diesem gesamten Fehlverhalten sei ersichtlich, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen gewaltbereiten Menschen handle. Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt hätten, seien keineswegs weggefallen. Das Wohlverhalten seit der letzten Straftat vom 23. Dezember 2003 sei viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Bei der Interessenabwägung sei im Aufenthaltsverbotsverfahren der rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1991 mit einer einjährigen Unterbrechung von 1997 bis 1998 berücksichtigt worden; weiters die Umstände, dass der Beschwerdeführer in Österreich zwei Klassen Volksschule und zwei Klassen Hauptschule besucht habe und im Anschluss an den Schulbesuch zeitweise berufstätig gewesen sei. Weiters sei der inländische Aufenthalt des Vaters und eines Onkels, mit welchen Personen der Beschwerdeführer jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, berücksichtigt worden. Unstrittig lebten die Mutter, die Stiefmutter und die Geschwister in der Türkei. Überdies sei berücksichtigt worden, dass die aus der Aufenthaltsdauer abzuleitende Integration durch die Straftaten erheblich gemindert werde.
Im vorliegenden Verfahren habe der Beschwerdeführer darüber hinaus geltend gemacht, seit 27. März 2003 mit einer Österreicherin verheiratet und seit 12. November 2003 Vater eines Kindes zu sein.
Den auf Grund dieser Umstände sehr beachtlichen persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stehe die aus den Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer trotz einschlägiger Verurteilungen rückfällig geworden sei und mehrere gleichartige Straftaten begangen habe, sei die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG). Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbots (§ 66 Abs. 2 FPG).
Bei einem derart schweren, gegen die körperliche Integrität anderer gerichteten Gesamtfehlverhalten sei die durch das Aufenthaltsverbot bewirkte Beeinträchtigung der Lebensführung des Beschwerdeführers und seiner Familie in Kauf zu nehmen. Es falle auf, dass der Beschwerdeführer kurz nach Erlassung der für ihn negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2003 über die Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid geheiratet habe. Jedenfalls habe der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Hochzeit gewusst, dass er mit einem Aufenthaltsverbot belegt sei und daher das Bundesgebiet möglicherweise verlassen müsse.
§ 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu, weil er vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts seinen Hauptwohnsitz nicht ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt habe.
Mangels dies rechtfertigender Umstände könne von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessens abgesehen werden.
Ein Aufenthaltsverbot ordne nicht an, wohin der Fremde auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde. Für seine in Österreich lebende Familie könne der Beschwerdeführer - den Möglichkeiten nach - auch vom Ausland aus sorgen. Abgesehen davon sitze seine Ehegattin ohnehin in einer Justizanstalt ein und wolle sich vom Beschwerdeführer scheiden lassen. Dass der Beschwerdeführer das soziale Gefüge in der Türkei nicht kenne und ihm die türkische Sprache weniger geläufig sei als die deutsche, werde entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt. Der Beschwerdeführer sei zunächst zehn Jahre in der Türkei aufgewachsen, wobei er auch vier Klassen Volksschule besucht habe. Weiters habe er sich von 1997 bis 1998 in der Türkei aufgehalten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Ansicht der belangten Behörde, dass sie gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG als Berufungsbehörde zuständig sei, weil die österreichische Gattin des Beschwerdeführers ihr Recht auf gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe (was in der Beschwerde nicht bekämpft wird), entspricht der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0119).
Der Beschwerdeführer könnte allenfalls (wie in der Beschwerde behauptet) vor Erlassung des Aufenthaltsverbots eine Rechtsposition gemäß Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) erlangt haben. Eine derartige Position würde nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2006/18/0138) gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenats als Berufungsbehörde zur Folge haben. Der Beschwerdeführer hätte eine derartige Position aber jedenfalls durch die rechtskräftige Verhängung des Aufenthaltsverbots - das gemäß § 125 Abs. 3 FPG seit 1. Jänner 2006 als Rückkehrverbot gilt - verloren, handelt es sich hiebei doch um eine gemäß Art. 14 ARB zulässige Beschränkung der genannten Rechtsposition aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit.
Der Umstand, dass das Aufenthaltsverbot - mangels entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers - nicht auch auf Art. 14 ARB gestützt wurde, kann daran nichts ändern.
Die belangte Behörde hat daher ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde zu Recht in Anspruch genommen.
2. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist das Aufenthaltsverbot oder das Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Der Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbots kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174).
Bei einem Fremden, der seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die Stellung als begünstigter Angehöriger eines Österreichers erlangt hat, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nur im Grund des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist (vgl. dazu auch die ständige hg. Judikatur zu §§ 44 und 48 Fremdengesetz 1997, etwa das Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/18/0187).
3. Zu den Gründen, die zur Verhängung des Aufenthaltsverbots geführt haben, und zur Zulässigkeit dieser Maßnahme nach dem im Zeitpunkt ihrer Erlassung in Kraft gestandenen Fremdengesetz 1997 wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das die Beschwerde gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid abweisende hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2002/18/0179, verwiesen.
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei im Jahr 1991 zu seinem als Gastarbeiter in Österreich tätigen Vater gezogen, habe hier seine Schulausbildung beendet und "sein gesamtes berufliches Leben verbracht". Es stehe ihm daher ein Rechtsanspruch auf Aufenthalt in Österreich nach dem ARB zu, in den nur aus den - hier nicht gegebenen - Gründen des Art. 14 ARB eingegriffen werden dürfe.
Weiters führt er ins Treffen, dass ihm am 1. Februar 2002, somit nach Begehung der Straftaten zum Nachteil seiner damaligen Lebensgefährtin, aber noch vor Verhängung des Aufenthaltsverbots, eine auf fünf Jahre befristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei.
4.2. Diesem - der Sache nach gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbots gerichteten - Vorbringen ist zu entgegnen, dass bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbots die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0174).
5. Wie oben 2. dargestellt ist die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots auf Grund der zwischenzeitigen Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur im Grund des § 87 FPG iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. zulässig.
Der gemäß § 87 FPG auch für Familienangehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten Österreichern maßgebliche § 86 Abs. 1 FPG hat folgenden Wortlaut:
"§ 86. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die Wortfolge "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" im 5. Satz dieser Bestimmung ebenso zu verstehen wie die selbe Wortfolge in § 38 Abs. 1 Z. 3 Fremdengesetz 1997. Demnach ist darunter der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170).
Zur Begründung des Aufenthaltsverbots hat die belangte Behörde zulässigerweise die zu den oben I.1. genannten Verurteilungen führenden Straftaten des Beschwerdeführers herangezogen. Im Zeitpunkt der Begehung der ersten Straftat am 8. Dezember 1997 hatte der Beschwerdeführer unstrittig seinen Hauptwohnsitz nicht ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet. Da der Beschwerdeführer auch nicht minderjährig ist, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend nur die ersten vier Sätze des § 86 Abs. 1 FPG maßgeblich seien, keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer hat durch die Vielzahl der begangenen vorsätzlichen Körperverletzungen keinen Zweifel daran gelassen, dass es sich bei ihm um einen gewaltbereiten Menschen handelt. Hervorzuheben ist, dass er trotz des auf Grund mehrerer Gewaltdelikte verhängten Aufenthaltsverbots insofern in gravierender Weise rückfällig geworden ist, als er am 23. Dezember 2003 seiner Gattin durch einen Schlag in das Gesicht einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstücke, somit eine an sich schwere Verletzung, vorsätzlich zugefügt hat. Vom weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers geht daher eine sehr gewichtige Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewaltkriminalität aus. Da es sich hiebei um ein Grundinteresse der Gesellschaft handelt, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
6. Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer an Veränderungen von für die Interessenabwägung gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG maßgeblichen Umständen seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 27. März 2003 und die Geburt des gemeinsamen Kindes am 12. November 2003 geltend gemacht. In der Beschwerde verweist er darüber hinaus darauf, "seit Jahren" - somit auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbots - berufstätig zu sein.
Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, wird die Beziehung zur österreichischen Gattin - gegen die sich die letzte Straftat des Beschwerdeführers gerichtet hat - durch die von dieser unstrittig angestrebte Scheidung relativiert. Die Gattin befindet sich derzeit in Haft. Eine Haushaltsgemeinschaft des Beschwerdeführers mit dem - in der Beschwerde nicht einmal erwähnten - gemeinsamen Kind wird nicht behauptet.
Der durch die vorgebrachten Umstände dennoch bewirkten Verstärkung der privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers steht die gravierende Verstärkung der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots durch die weitere einschlägige Straftat des Beschwerdeführers gegenüber.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbots (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig angesehen werden.
7. Über die - in der Beschwerde in Zweifel gezogene - Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei wird im anhängigen Asylverfahren entschieden werden.
8. Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 29. November 2006
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180314.X00Im RIS seit
08.01.2007Zuletzt aktualisiert am
15.02.2013