Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Mag. Gerhard Pilz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Heiligenkreuzerhof, Grashofgasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Juni 2004, Zl. 242.388/0-XI/34/04, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, beantragte am 6. September 2003 Asyl und wurde dazu am 8. September 2003 vor dem Bundesasylamt vernommen.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 16. September 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Über die - mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2003 ergänzte - Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid verhandelte die belangte Behörde am 13. Mai 2004. Mit Bescheid vom 3. Juni 2004 wies sie die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien fest.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde legt ihrer Entscheidung in deren Begründung - nach einer Wiedergabe der Niederschriften über die erstinstanzliche Einvernahme des Beschwerdeführers und über die Berufungsverhandlung - als Sachverhalt zugrunde, der Beschwerdeführer stamme "aus dem Bundesstaat Punjab", sei Moslem und habe seine Heimat "auf Grund von Benachteiligungen durch die Hindu-Nationalisten verlassen". Seine "Schwierigkeiten mit der Polizei, bei der Befragung über seinen Bruder," beschränkten sich "jedoch nur auf sein Dorf und die nähere Umgebung". Im Anschluss an längere allgemein gehaltene Feststellungen insbesondere "Zur Lage im Punjab" wird zur Beweiswürdigung u.a. ausgeführt, die Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers ergäben sich "aus dem Vorbringen bei der Ersteinvernahme und in der mündlichen Berufungsverhandlung".
In der rechtlichen Würdigung wird dargelegt, es sei "nach Ansicht der Behörde allerdings kein ungewöhnliches Vorgehen der Polizei, den Berufungswerber nach dem Aufenthalt seines Bruders zu befragen, wenn dieser polizeilich gesucht wird". Dieser "Verfolgungshandlung" mangle es, "wenn sie stattgefunden hat, doch an der erforderlichen Intensität".
Dem festgestellten Sachverhalt sei "weiters nicht zu entnehmen, dass der Berufungswerber außerhalb seiner engeren Heimat (Punjab) irgendeine Verfolgung durch die Polizei zu befürchten hätte".
Diese Bescheidbegründung ist in mehrfacher Hinsicht aktenwidrig. Zunächst trifft es schon nicht zu, dass sich die "Schwierigkeiten" des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der behaupteten Suche der Polizei nach seinem Bruder seinen Behauptungen nach auf das "Vorgehen" beschränkt hätten, ihn "nach dem Aufenthalt seines Bruders zu befragen". Der Beschwerdeführer hat vor der belangten Behörde angegeben, die Polizei habe seinen Bruder nicht vorgefunden und den Beschwerdeführer "statt ihm mitgenommen". Er sei dabei "sehr geschlagen" worden und habe gedacht "sie wollten mich umbringen".
Der Beschwerdeführer stammt aber auch nicht aus dem (nordwestlich von Delhi an der Grenze zu Pakistan gelegenen) Bundesstaat Punjab. Er wurde östlich von Delhi im Bundesstaat Uttar Pradesh geboren und hat von seinem sechsten Lebensjahr an bis zur Ausreise in Delhi gelebt. Dort soll er - seinem Vorbringen nach - auch Opfer nicht nur der schon in erster Instanz beschriebenen Diskriminierungen als Moslem, sondern auch des in der Berufungsergänzung und in der Berufungsverhandlung beschriebenen "Vorgehens" der Polizei geworden sein, und dort soll die Polizei "immer noch" nach ihm fragen. Ein Begründungsduktus, der dem gegenüber auf lokal begrenzte "Schwierigkeiten" in einem "Dorf" im Punjab und in dessen "näherer Umgebung" bzw. in der "engeren Heimat (Punjab)" abstellt, entfernt sich so weit vom zu entscheidenden Fall und von den behauptetermaßen zugrunde gelegten Akteninhalten, dass dies gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen muss.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. November 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006190088.X00Im RIS seit
19.01.2007