TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/30 2006/19/0074

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Veröffentlicht am 30.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Markus Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den am 17. September 2003 verkündeten und am 11. November 2003 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 213.111/13-II/04/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles kann auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2003, Zl. 2000/20/0484, verwiesen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - nach Durchführung einer ergänzenden Berufungsverhandlung am 17. September 2003 - die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 23. September 1999, mit dem sein Asylantrag abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt worden war, erneut gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 in der hier maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003 (AsylG) ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Zur Mitteilung der belangten Behörde vom 7. Juni 2006, wonach der Beschwerdeführer ausgereist sei, hat der Beschwerdevertreter mit Schriftsatz vom 20. Juli 2006 vorgebracht, die Identität des Ausgereisten mit dem Beschwerdeführer stehe nicht fest und dessen Interesse an einer Erledigung der Beschwerde sei weiterhin aufrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat ihren Ersatzbescheid in dessen Ausfertigung mangels "weiter reichender Kapazitäten" im Wesentlichen nur auf die Wiederholung dessen gestützt, was bei der Verkündung des Bescheides im Verhandlungsprotokoll als Begründung festgehalten wurde. Danach habe die belangte Behörde schon im ersten Rechtsgang "daran gezweifelt", dass das Vorbringen des Beschwerdeführers den Tatsachen entsprochen habe. "Diese Zweifel" hätten "sich angesichts des in der neuerlichen Berufungsverhandlung (des zweiten Rechtsganges) erstatteten ergänzenden Vorbringens des Berufungswerbers, welches der Sachverständige unter Pkt. 1 seiner ersten gutächtlichen Ausführungen mit ausführlicher, schlüssiger Begründung 'überhaupt nicht nachzuvollziehen' vermochte, zu der Überzeugung des hier entscheidenden Mitgliedes, dass die gefährdungsbegründenden Behauptungen des Berufungswerbers insgesamt keine Glaubwürdigkeit verdienen, verdichtet".

Im Anschluss an einen Exkurs zu der Frage, ob das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf einem Fehlverständnis des im ersten Bescheid der belangten Behörde keiner Beweiswürdigung unterzogenen damaligen Vorbringens beruht habe, schließt die Bescheidbegründung mit folgender Erwägung:

"Es trifft nun zwar zu, dass der Berufungswerber in der neuerlichen Berufungsverhandlung schließlich (dh. in einem erst sehr späten Stadium erstmals) behauptet hat, er sei wegen dieses Tötungsdeliktes 'am Rande einer Mitbeteiligung verdächtigt worden'. Gerade aus den vom Sachverständigen jedoch bereits zuvor näher dargestellten Gründen (insbesondere, dass der Berufungswerber diesfalls nicht eineinhalb Jahre lang unbehelligt in seinem Heimatort hätte leben können) wäre jedoch das hier entscheidende Mitglied außerstande, dieser Behauptung im Kontext des sonstigen Vorbringens Glaubwürdigkeit beizumessen."

Der ausführlichen, mit konkreten Beispielen für dabei außer Acht gelassene Gesichtspunkte des Falles untermauerten Kritik der Beschwerde an der Beschränkung der Beweiswürdigung der belangten Behörde auf diese Bemerkungen hält die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht stand. Die kursorischen Hinweise auf Ausführungen des Sachverständigen und einzelne gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechende Aspekte - ohne Abwägung mit möglichen Gegenargumenten - bringen zwar das Ergebnis der Beweiswürdigung zum Ausdruck, entsprechen als deren Begründung aber nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Es fehlt, wie die Beschwerde mit Recht kritisiert, eine nachvollziehbare argumentative Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den konkreten Verfahrensergebnissen (vgl. zu den Anforderungen an eine dem Gesetz entsprechende Begründung etwa die Nachweise in dem hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596, insbesondere das Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2003/20/0349; zuletzt das Erkenntnis vom 23. November 2006, Zl. 2005/20/0620).

     Dies fällt hier umso schwerer ins Gewicht, als sich die

Äußerung des Sachverständigen über nicht nachvollziehbare Angaben

des Beschwerdeführers nur auf dessen Zukunftserwartung

hinsichtlich der Einstellung eines Gerichtsverfahrens bezog und

der Sachverständige in Bezug auf die ursprünglichen Fluchtgründe

vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausging, das die belangte

Behörde ja nicht mehr zugrunde legen will. Die Eventualüberlegung,

dieses Vorbringen könne "widerspruchsfrei" nur so verstanden

werden, dass der Beschwerdeführer "nicht ... wegen der Beteiligung

an einem Tötungsdelikt, sondern lediglich als Sympathisant der

Unabhängigkeit Khalistans, dessen Name in ausschließlich dieser

Eigenschaft ... gefallen sei, polizeilich gesucht worden sei",

setzt sich über sein Vorbringen in der Verhandlung vom 5. Oktober 2000, er sei 1998 "immer noch wegen des Vorfalls 1994" - nämlich der damaligen Tötung eines Hindu - gesucht worden, wortlos hinweg.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. November 2006

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung hinsichtlich einander widersprechender Beweisergebnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006190074.X00

Im RIS seit

02.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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