Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Darinka P*****, vertreten durch Dr. Anton Mikosch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Petar S*****, und 2. Lida S*****, beide vertreten durch Dr. Janko Tischler jun. und Mag. Kurt Oberleitner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 100.731,76 S sA infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgerichts vom 4. Dezember 1998, GZ 3 R 201/98y-50, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Mai 1999, GZ 3 R 201/98y-60, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 21. Juli 1998, GZ 22 Cg 13/97x-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision der Beklagten, die sich durch den Zuspruch eines Zinsenbetrags von 100.731,76 S samt 10 % Zinsen hievon seit 18. Dezember 1996 beschwert erachten, im Verfahren nach § 508 ZPO nachträglich zu, weil es im Hinblick darauf, dass der Klägerin seit der Klagezustellung Zinseszinsen in gesetzlicher Höhe gebührten, "in der Bezugnahme auf die Tilgungsregel des § 1416 ABGB eine gesetzmäßige Ausführung einer auch auf die Zinseszinsen reflektierenden Rechtsfrage" von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickte. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt dann vor, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Die angeschnittene Rechtsfrage muss also präjudiziell sein (Kodek in Rechberger2, § 508a ZPO Rz 1). Zu klären ist demnach, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Als Beurteilungsgrundlage dient folgender, hier zusammengefaßter Sachverhalt:Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision der Beklagten, die sich durch den Zuspruch eines Zinsenbetrags von 100.731,76 S samt 10 % Zinsen hievon seit 18. Dezember 1996 beschwert erachten, im Verfahren nach § 508 ZPO nachträglich zu, weil es im Hinblick darauf, dass der Klägerin seit der Klagezustellung Zinseszinsen in gesetzlicher Höhe gebührten, "in der Bezugnahme auf die Tilgungsregel des § 1416 ABGB eine gesetzmäßige Ausführung einer auch auf die Zinseszinsen reflektierenden Rechtsfrage" von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickte. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO nicht gebunden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt dann vor, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Die angeschnittene Rechtsfrage muss also präjudiziell sein (Kodek in Rechberger2, § 508a ZPO Rz 1). Zu klären ist demnach, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Als Beurteilungsgrundlage dient folgender, hier zusammengefaßter Sachverhalt:
Rechtliche Beurteilung
Am 9. Jänner 1991 verkaufte der geschiedene Ehegatte der Klägerin den Beklagten seine Eigentumswohnung in Pörtschach um 450.000 S (die hier und im folgenden vorgenommenen Umrechungen von Dinar in DM und öS [ATS] sind unbestritten), wovon - aus steuerlichen Gründen "offiziell" - auf die Wohnung 300.000 S (davon waren 225.000 S bis 10. Februar 1991 und 75.000 S bis 31. Dezember 1991 zur Zahlung fällig) und 150.000 S auf das Inventar entfielen. Der Verkäufer trat die Kaufpreis-Forderung von 300.000 S unter Verständigung der Beklagten an die Klägerin ab. Die Streitteile vereinbarten in Ansehung aller Beträge 10 % Verzugszinsen p.a. Die Beklagten leisteten an die Klägerin in Raten unterschiedlicher Höhe im Zeitraum vom 16. Februar 1991 bis 28. Dezember 1993 insgesamt 339.546 S; davon war nur die Zahlung von 155.000 S am 22. April 1992 für die Schuld von 150.000 S samt Zinsen gewidmet; die Klägerin widersprach dieser Widmung nicht.
Die Klägerin begehrte zuletzt 267.397,01 S samt 10 % Zinsen aus 119.500 S seit 18. Dezember 1996 und brachte hiezu im Wesentlichen vor, auf die Restschuld von 300.000 S seien 180.500 S bezahlt worden, sodass noch 119.500 S unbeglichen aushafteten. Die im einzelnen dargestellten, staffelmäßig berechneten Zinsen betrügen 110.301,48 S; die Gesamtschuld der Beklagten betrage daher 229.801,48 S zuzüglich eines weiteren, hier nicht relevanten Betrags von 37.595,53 S.
Das Erstgericht verhielt die Beklagten zur Zahlung von 216.185,76 S (restliches Kapital von 115.454 S [Teilzahlungen von 184.546 S auf die Kaufpreisschuld von 300.000 S] zuzüglich kapitalisierter Zinsen [unter Berücksichtigung des Kapitalbetrags von 300.000 S, der vereinbarten Verzugszinsen, der Fälligkeitstermine und der von den Beklagten geleisteten Teilzahlungen nach der Aufstellung im Ersturteil ON 41 AS 271] von 100.731,76 S) samt 10 % Zinsen seit 18. Dezember 1996 und wies das Mehrbegehren von 51.211,75 S sA ab; das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Ersturteil.
a) Unbestritten ist, dass die Parteien die Anwendung österr. Sachrechts vereinbarten.
b) Gegenstand des Rechtsmittels ist nur mehr die Frage des Zuspruchs von Zinsenzinsen. Gemäß § 3 des Gesetzes vom 14. Juni 1868, RGBl 62 (ZinsenG) idFd Art 14 EVHGB vom 24. Dezember 1938, DRGBl I 1999, dürfen Zinsen von Zinsen gefordert werden, wenn solche - auch Verzugszinsen (HS 4.236; Schubert in Rummel2, § 999 ABGB Rz 6) - ausdrücklich bedungen wurden (lit a) oder vom Tag der Klagsbehändigung an, wenn fällige Zinsen eingeklagt werden (lit b). Über die Höhe der Zinseszinsen entscheidet zunächst die Verabredung; wurde - wie hier - darüber nichts bedungen, so gelten die gesetzlichen Zinsen (§ 3 letzter Satz ZinsenG; SZ 27/141 ua), somit vier vom Hundert auf ein Jahr (§ 2 ZinsenG). Nach der gesetzlichen Tilgungsregel des § 1416 ABGB sind, wenn den Widmungserklärungen des Schuldners vom Gläubiger widersprochen wurde oder wenn, wie hier, solche fehlen, zuerst die Zinsen, dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber dasjenige, das schon eingefordert oder wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, das schuldig zu bleiben, dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abzurechnen. Bei mehreren verzinslichen Kapitalien - hier 225.000 S und 75.000 S - ist die Zahlung zunächst auf die dem zuerst fällig gewordenen Kapital zuzuordnenden Zinsen, sodann auf dieses Kapital, danach auf die Zinsen des nächsten fällig gewordenen Kapitals, sodann auf dieses Kapital usw anzurechnen (3 Ob 2004/96v = SZ 69/127 mwN).b) Gegenstand des Rechtsmittels ist nur mehr die Frage des Zuspruchs von Zinsenzinsen. Gemäß Paragraph 3, des Gesetzes vom 14. Juni 1868, RGBl 62 (ZinsenG) idFd Art 14 EVHGB vom 24. Dezember 1938, DRGBl I 1999, dürfen Zinsen von Zinsen gefordert werden, wenn solche - auch Verzugszinsen (HS 4.236; Schubert in Rummel2, § 999 ABGB Rz 6) - ausdrücklich bedungen wurden (lit a) oder vom Tag der Klagsbehändigung an, wenn fällige Zinsen eingeklagt werden (lit b). Über die Höhe der Zinseszinsen entscheidet zunächst die Verabredung; wurde - wie hier - darüber nichts bedungen, so gelten die gesetzlichen Zinsen (§ 3 letzter Satz ZinsenG; SZ 27/141 ua), somit vier vom Hundert auf ein Jahr (§ 2 ZinsenG). Nach der gesetzlichen Tilgungsregel des § 1416 ABGB sind, wenn den Widmungserklärungen des Schuldners vom Gläubiger widersprochen wurde oder wenn, wie hier, solche fehlen, zuerst die Zinsen, dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber dasjenige, das schon eingefordert oder wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, das schuldig zu bleiben, dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abzurechnen. Bei mehreren verzinslichen Kapitalien - hier 225.000 S und 75.000 S - ist die Zahlung zunächst auf die dem zuerst fällig gewordenen Kapital zuzuordnenden Zinsen, sodann auf dieses Kapital, danach auf die Zinsen des nächsten fällig gewordenen Kapitals, sodann auf dieses Kapital usw anzurechnen (3 Ob 2004/96v = SZ 69/127 mwN).
Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren Zinseszinsen nicht ausdrücklich, sondern de facto durch die dort angestellte Berechnung der Zinsen ihrer Klageforderung begehrt, hat sie doch in ihrer zwar schlüssigen, aber der Tilgungsregel des § 1416 ABGB widersprechenden Zinsenberechnung einerseits Zinsen aus 300.000 S ab 1. Februar 1991 gefordert, obwohl ein Teilbetrag von 75.000 S erst am 31. Dezember 1991 fällig wurde, und andererseits aus dem dort errechneten Zinsenbetrag von 110.301,48 S Zinsen (somit Zinseszinsen) ab 18. Dezember 1996 statt richtig ab 5. Februar 1997 als dem Tag der Klagebehändigung und dies auch noch im Ausmaß von 10 % statt richtig bloß 4 % p.a begehrt. Das Erstgericht hat die geforderten Zinsen (ausgehend von 365 Tagen im Jahr und unter Berücksichtigung der vollen Zahlung der Beklagten vom 28. Dezember 1993 [11.046 S statt 7.000 S] und der beiden Fälligkeitstermine) neu berechnet, gelangte so zu einer "Zinsensumme" von 100.731,76 S und sprach der Klägerin davon 10 % statt richtig bloß 4 % p.a. Zinsen (in Wahrheit Zinseszinsen) ab 18. Dezember 1996 statt richtig erst ab 5. Februar 1997 zu.
Die Beklagten sind aber durch die das Ersturteil bestätigende Entscheidung der Berufungsgerichts deshalb nicht beschwert, weil sie bei einer der Tilgungsregel des § 1416 ABGB entsprechenden Zinsenberechnung einen höheren Betrag an die Klägerin hätten zahlen müssen. Der Erstrichter hat nämlich - was bei der gebotenen allseitigen rechtlichen Beurteilung aufzugreifen ist - bei seiner, insoweit erkennbar den Ausführungen der Klägerin folgenden Berechnung übersehen, dass die Teilzahlungen der Beklagten zuerst die bereits verfallenen Zinsen und dann erst die beiden, zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig gewordenden Kapitalbeträge tilgten. Dass bei richtiger Berechnung der von den Beklagten zu zahlende Betrag höher gewesen wäre, wird im Rechtsmittel gar nicht in Zweifel gezogen, sodass sich hier eine rechnerische Darstellung der richtigen Zinsenberechnung erübrigt.
Die Beklagten führen gegen das Berufungsurteil nur ins Treffen, bei Vornahme der richtigen Berechnung im Rahmen allseitiger rechtlicher Beurteilung verstieße das Rechtsmittelgericht gegen die Bestimmung des § 405 ZPO. Dem kann nicht beigetreten werden:
Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das gilt insbesondere auch von Zinsen (§ 405 zweiter Satz ZPO). In der Rspr wurde aber bereits klargestellt, dass das Gericht das Klagebegehren nicht überschreitet, wenn es die in der Klageschrift nach Zeiträumen und Zinssätzen bestimmt begehrten Zinsen bis zum Schluss der Verhandlung kapitalisiert zuspricht (2 Ob 554/85; RIS-Justiz RS0032047). Dem Begriff "Antrag" in § 405 ZPO (Rechberger in Rechberger2, § 405 ZPO Rz 2) ist nicht nur das Klagebegehren allein zu unterstellen; es ist vielmehr auch der Inhalt der Klage zu beachten. Der Streitgegenstand wird eben nicht bloß durch das, "was beantragt wurde", abgegrenzt, sondern auch durch das tatsächliche Vorbringen, aus dem die Partei den Sachantrag ableitet (RIS-Justiz RS0025188). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ON 16 ausdrücklich die offenen Kapitalbeträge mit ihren Fälligkeitsdaten, die Teilzahlungen der Beklagten, die Zinsen (10 % p.a.) usw zum Inhalt ihres Vorbringens gemacht. Die daraus abgeleiteten Zinsenansprüche sind somit ausreichend deutlich individualisiert, ist doch dem Gericht danach eine eindeutige ziffernmäßige Berechnung unschwer möglich. Die unrichtige Berechnung ist aber iS einer allseitigen rechtlichen Beurteilung zu korrigieren. Mit der Offenlegung einer Rechenoperation (Berechnung des behauptetermaßen geschuldeten Zinsenbetrags) bringt die Prozesspartei noch keineswegs zum Ausdruck, sie wolle das Begehren ausschließlich auf diese - hier einer gesetzlichen Bestimmung (§ 1416 ABGB) widersprechende - Berechnungsweise geprüft wissen, sodass sich die Kognition der Gerichte darauf zu beschränken habe. Daher wurde im vorliegenden Fall der Klägerin nichts etwas zugesprochen, was sie nicht begehrte, weshalb von einer quantitativen Überschreitung der im Sachantrag verlangten Rechtsfolgen (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1449) und damit von einem Verstoß gegen § 405 ZPO nicht gesprochen werden kann.
Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Textnummer
E57252European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00239.99Z.0222.000Im RIS seit
23.04.2000Zuletzt aktualisiert am
15.04.2011