Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §293;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 57/1, als Masseverwalter im Konkurs der Verlassenschaft nach U sen. gegen den Bescheid der Landeshöfekommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 20. Oktober 2005, Zl. LHK-97/15- 01, betreffend Abtrennung von Bestandteilen eines geschlossenen Hofes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Hof S in EZ 90044 GB B ist ein geschlossener Hof im Sinne des § 1 des Tiroler Höfegesetzes, LGBl. Nr. 47/1900 (THG). Zu seinem Gutsbestand gehört das Miteigentumsrecht zu je 3/4 Anteilen an der Alpe G in EZ 28 und an der Alpe R in EZ 35, jeweils GB E. Diese beiden Almen liegen vom Hof S ca. 46 km entfernt und haben eine Fläche von 158,2 bzw. von 21,1 ha.
Eigentümer des geschlossenen Hofes S war U sen., über dessen Verlassenschaft im Jahr 1998 der Konkurs eröffnet wurde. Der Masseverwalter (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) stellte am 16. März 2001 den Antrag auf Abtrennung der mit dem Hof S verbundenen Anteile an den beiden Alpen gemäß § 5 THG.
Die mit Sitz bei der Bezirkshauptmannschaft K eingerichtete Höfekommission B versagte mit Bescheid vom 31. Juli 2001 der beantragten Abtrennung von Bestandteilen des geschlossenen Hofes die höferechtliche Genehmigung und begründete dies damit, dass bereits die Landesgrundverkehrskommission in einem Bescheid vom 21. Juni 2000 festgestellt habe, dass die gegenwärtig bestehenden Eigentumsverhältnisse am land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaftsbesitz S in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung verändert würden, wenn die Almen eigentumsmäßig vom Heimhof abgetrennt würden. Dies stelle eine ganz wesentliche Schwächung des Hofes dar; außerdem würden die Almen ihren Heimhof verlieren und als walzende Liegenschaften bestehen bleiben. Gerade durch die für einen Almbetrieb typische Nutzungsform erweise sich aber ein wirtschaftlicher und rechtlicher Zusammenhang der Alm zu einem Landwirtschaftsbetrieb (Heimhof) als unabdingbare Voraussetzung, weil nur in einem solchen Fall eine nachhaltige und wirtschaftliche Bewirtschaftung der Alm gewährleistet erscheine.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und machte geltend, der geschlossene Hof S mit landwirtschaftlichen Flächen von 40.280 m2 vermöge nach der "üblichen Formel" 8 Großvieheinheiten zu ernähren. Für den ehemaligen Besitzer, einen Baumeister, habe es sich offensichtlich betriebswirtschaftlich gesehen um einen Hobbybetrieb gehandelt. Am Hof S würden derzeit 53 Stück Rinder gehalten. Der Großteil des Futters für dieses Vieh stamme allerdings nicht vom Hof, sondern von Pachtgrundstücken bzw. werde Futter in erheblichem Ausmaß von der derzeitigen Bewirtschafterin zugekauft. Es liege auf der Hand, dass man für einen Hof mit 4 ha landwirtschaftlicher Fläche bzw. Ernährungsbasis für 8 Großvieheinheiten keine Almflächen benötige, die 102 Gräser ausmache. Die Almanteile seien daher für den Betrieb des Hofes wirtschaftlich nicht notwendig. Der Betrieb der Alpen in einer Entfernung von 46 km vom Hof sei betriebswirtschaftlich gesehen für den Hof auch nicht relevant, sondern bedeute ein Verlustgeschäft. Die Bezahlung des ganzjährig am Hof derzeit beschäftigten Fütterers im Sommer als Alminger koste wesentlich mehr als der Betrieb der Alm ergebe. Die Abtrennung der Almteile bedeute daher unter Berücksichtigung aller Umstände keine Schwächung oder finanzielle Schlechterstellung der Liegenschaft. Der Bescheid der Behörde erster Instanz sei auch deshalb rechtswidrig, weil er in seiner Begründung entscheidend auf Ausführungen der Landesgrundverkehrskommission verweise, die im Verfahren nach dem THG keine Rolle spiele.
Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens eines agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 22. Februar 2002. Diesem Gutachten ist nach der Feststellung der Größenverhältnisse der betroffenen Almen zu entnehmen, dass der S-Hof zur Zeit der Erhebung (20. Dezember 2001) von der Familie U. mit einer Fremdarbeitskraft bewirtschaftet werde und dass 47 Stück Rinder, davon 27 Kühe, gehalten würden. Mit dem 3/4 Anteil des S-Hofes an der G-Alm sei es möglich, das gesamte überwinterte Vieh im Sommer auf die Alm zu geben. Für die kleinstrukturierten Betriebe in Tirol mit der meist niedrigen Flächenausstattung am Heimbetrieb bedeute die Alpung eine wesentliche Vergrößerung der betriebseigenen Futterbasis. Der Viehbestand und damit das Produktionsvolumen könne mit Hilfe der Alpung um ein Viertel bis zu einem Drittel erhöht werden. Neben weiteren zusätzlichen Einnahmequellen, wie z.B. Jagdpacht oder Entschädigung aus Servituteneinräumungen etc., würden sich daraus auch bedeutende Verbesserungen der bäuerlichen Existenzgrundlagen ergeben. Die G-Alm präsentiere sich in einem gepflegten Zustand, die Almgebäude seien erst vor wenigen Jahren erneuert worden. Durch die gute Erreichbarkeit mit einer asphaltierten Straße stelle die Alm ein beliebtes Ausflugsziel von Erholung Suchenden dar. Aus der Lehnviehaufnahme, Jagdverpachtung, der ganzjährigen Gästebewirtung und eventuell durch den Verkauf von bäuerlichen oder veredelten Almprodukten ließen sich zusätzliche Einkommensquellen erschließen. Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass der geschlossene Hof S mit nur 4,18 ha eigener landwirtschaftlicher Nutzfläche auf die Mitbewirtschaftung der G-Alm angewiesen sei, um weiter als Vollerwerbsbetrieb für die Erhaltung einer Familie mit mindestens 5 Köpfen dienen zu können.
Zu diesem Gutachten erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme vom 7. März 2002, in der er neuerlich darauf verwies, dass auf der nur ca. 4 ha großen landwirtschaftlichen Nutzfläche des S-Gutes etwa 8 Großvieheinheiten gehalten werden könnten. Die weit davon abseits gelegene Alm in der G sei für die 4 ha große landwirtschaftliche Fläche des Hofes S viel zu groß und stehe in keinem Verhältnis zur Größe des Heimgutes und zu der am Heimgut überwinterten Viehmenge. Das Gutachten erkläre nicht, ob und in welchem Ausmaß hinsichtlich der vom Hof S abzutrennenden Almflächen die vom Gutachter genannten Einnahmen wie Jagdpacht, Servituteneinräumung etc. bestünden. Es wäre daher das Gutachten entsprechend zu ergänzen und festzustellen, welche Beträge im Zuge der Bewirtschaftung der G-Almanteile pro Jahr aufzuwenden seien, insbesondere für Almpersonal, Zaunmaterial, Wegbeiträge, Kosten für Hüttenerhaltung, Materialseilbahnbetrieb und Reparatur, und welche Einnahmen aus der Almbewirtschaftung erzielt werden könnten. Erst aus einer solchen Aufschlüsselung ergebe sich, ob aus der Bewirtschaftung der Alm ein betriebswirtschaftlicher Verlust oder Gewinn entstehe und in welcher Höhe.
Dazu erstattete der beigezogene Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme vom 19. Juli 2002, in der er feststellte, dass langfristig gesehen die Haltung von 47 Rindern auf dem S-Hof auf Basis von 8,29 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche sicher zu hoch sei. Die 3/4 Anteile auf der G-Alm könnten durch das auf dem S-Hof überwinterte Vieh sowie auch durch Lehnvieh bestoßen werden. Dies sei eine durchwegs gängige Praxis in Tirol und stelle für den Almbewirtschafter mit dem Zinsgeld und der Alpungsprämie und dem Behirtungszuschlag eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit dar. Es sei eine Tatsache, dass gerade die kleinflächigen landwirtschaftlichen Betriebe in Tirol auf die Almbewirtschaftung angewiesen seien. Es sei nicht Aufgabe einer landwirtschaftlichen Stellungnahme, bei der großen Variationsbreite von Bewirtschaftungsmöglichkeiten auf einer bestimmten Alm sehr arbeitsaufwändig mehrere exakte Bilanzen zu erstellen. Hingewiesen werde jedoch darauf, dass gerade die G-Alm im Landesdurchschnitt gesehen besonders durch die im Erstgutachten angesprochenen zusätzlichen Einnahmenmöglichkeiten eine der besten Almen in Tirol darstelle. Aus der Jagdverpachtung seien für den 3/4 Anteil derzeit jährlich ca. EUR 9.000,-- zu erzielen. Auf der relativ groß dimensionierten dreigeschoßigen Hochliegerhütte würden mit je ca. 40 Sitzplätzen im Innen- und Außenbereich sowie ca. 30 Schlafplätzen gute Umsätze aus der Gästebewirtung in der gesamten Sommersaison erzielt. Beim Bau des kombinierten Almgebäudes seien Räume für die Milchverarbeitung und Käselager vorgesehen, derzeit jedoch noch nicht umgesetzt. Durch die Verarbeitung der Almmilch zu hochwertigen Milchprodukten und den Verkauf vor Ort ließen sich gerade bei der von Gästen äußerst gut besuchten G-Alm höhere Wertschöpfungen aus der landwirtschaftlichen Produktion erzielen. Das Almmilchkontingent sei zwar durch den Verkauf der Referenzmenge 1 (durch den Masseverwalter) um ca. 43.000 kg auf derzeit 7.844 kg Referenzmenge 2 vermindert worden, das Kontingent lasse sich jedoch durch Quotenzukauf oder einfach durch kostenlose Erhöhung der Direktverkaufsquote jederzeit aufstocken. Zusammenfassend spreche sich der landwirtschaftliche Sachverständige gegen die Abtrennung der 3/4 Anteile an den Almen G und R vom geschlossenen Hof S aus.
Auch dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. In einer dazu erstatteten Stellungnahme vom 30. August 2002 ersuchte er den agrarwirtschaftlichen Sachverständigen zu näher ausformulierten Fragen um Stellungnahme.
Daraufhin erstattete der agrartechnische Amtssachverständige ein weiteres Gutachten vom 20. November 2002, dem er einen ausführlichen Befund hinsichtlich der Gegebenheiten des S-Hofes, der R-Alm und der G-Alm voranstellte, inklusive der Beschreibung der Eigenjagd und der Gemeinschaftsjagd sowie der entsprechenden Gebäude (Hütten und Gastgebäude) auf der G-Alm. In seinem Gutachtensteil befasste er sich mit der Anzahl der derzeit am Hof S durch die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zu haltenden Großvieheinheiten, der Anzahl der derzeit gehaltenen Tiere, der Milchquote am S-Hof und auf der G-Alm, dem erzielbaren Ertrag pro aufgenommenes Lehnvieh an Zinsgeld, Alpungsprämie und Behirtungszuschlag. Der Amtssachverständige beantwortete die Frage, wie viel Stück Kühe bzw. Lehnvieh zusätzlich zu dem am Eigengrund des Hofes ganzjährig gehaltenen Rinderbestand auf den Almen über den Sommer aufgenommen werden könnten, befasste sich mit der Frage des diesbezüglich notwendigen Personals und erstellte schließlich auf diesen Grundlagen eine Kalkulation einerseits des S-Hofes (allein), andererseits des S-Hofes mitsamt der G- und R-Alm.
Die Kalkulation S-Hof (ohne Almen) ergab als Summe der Positionen Milchverkauf, Viehzucht, Abhofverkauf und bäuerliche Zimmervermietung jährliche Einnahmen in der Höhe von EUR 58.070,00 und einen Reinertrag von EUR 20.324,50. Zu diesem Reinertrag wurden die Einnahmen aus Holzverkauf, ÖPUL-Förderung und Jagdpacht addiert, was einen kalkulierten Ertrag des S-Hofes (ohne Almen) in der Höhe von EUR 28.280,22 im Jahr ergab.
Die Kalkulation der Almen ergab (näher aufgeschlüsselt) Einnahmen in der Höhe von EUR 58.345,32, denen ein (ebenfalls näher aufgeschlüsselter) Aufwand in der Höhe von EUR 48.069,36 gegenüberstand, was einen Ertrag in der Höhe von EUR 10.248,96 ergab. Als Summe der Erträge des S-Hofes einerseits und der Almen andererseits errechnete der Gutachter den Betrag von EUR 38.573,18.
Laut den Ergebnissen der L-GesmbH, Abteilung Statistik, aus dem Jahr 2002 betrügen in Tirol die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in der Zone 0 durchschnittlich EUR 20.773,--. Der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage betrage laut Auskunft der Sozialversicherungsanstalt EUR 1.307,98 pro Monat, das seien EUR 15.695,76 pro Jahr. Aus der Höhe und Gegenüberstellung der Einkommen lasse sich schließen, dass die Bewirtschaftung des S-Hofes mit den angeschlossenen Almen ein ausreichendes Einkommen zur Ernährung einer fünfköpfigen Familie leiste.
Auch dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, der die Ansicht als völlig verfehlt beurteilte, dass bei der Beurteilung der Lebensfähigkeit eines geschlossenen Hofes Pachtgrundstücke mit berücksichtigt worden seien. Er habe als Masseverwalter auch bereits veranlasst, dass ein weiteres Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene erstattet werde.
Mit einem Schreiben vom 29. September 2004 legte der Beschwerdeführer schließlich ein Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dipl. Ing. O., eines hauptberuflich beim Amt der Vorarlberger Landesregierung tätigen Amtssachverständigen für Landwirtschaft, vor. Dieses Privatgutachten kommt abweichend vom Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse aus der Bewirtschaftung des Hofes S und den damit verbundenen Almen ein jährliches land- und forstwirtschaftliches Einkommen erzielbar sei, das annähernd Null betrage. Es setze sich aus einem Gewinn von ca. EUR 3.500,-- (S) und einem Verlust in ähnlicher Höhe (G und R) zusammen. Bei ausschließlicher Betrachtung der kurzfristigen Einnahmen-Ausgaben-Situation errechne sich in Summe ein (vorübergehender) jährlicher Einnahmenüberschuss von EUR 23.000,--, der im Wesentlichen aus der Ignorierung der Investitionsaufwendungen resultiere. Spätestens nach wenigen Jahren mit obigem Einnahmenüberschuss müsse dann eine Investitionsphase mit Ausgaben in Höhe mehrerer EUR 100.000,-- folgen. Die Ausgaben zur Erhaltung einer fünfköpfigen bäuerlichen Familie betrügen ca. EUR 30.600,-- pro Jahr. Der Wert entspreche dem Durchschnitt von im Berggebiet gelegenen Futterbaubetrieben der Berghöfe Katastergruppe 1 und 2.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Oktober 2005 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen der §§ 1, 2 und 5 THG begründete die belangte Behörde ihren Bescheid damit, dass ihr zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Abtrennung von Bestandteilen eines geschlossenen Hofes zwei unterschiedliche Gutachten vorgelegen seien. Sie hätte sodann im Zuge der Beweiswürdigung den verfahrensrelevanten Sachverhalt festzustellen. Hinsichtlich der Erhaltungsfähigkeit eines Hofes für eine mindestens fünfköpfige Familie gelte, dass die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Eigentümers nicht maßgebend seien; ebenso wenig sei ausschlaggebend, ob der Hof zum Zeitpunkt des Abtrennungsantrages tatsächlich den geforderten Durchschnittsertrag erbringe, in welchem Zustand sich die zum Hof gehörenden Baulichkeiten befänden, in welchem Umfang die Landwirtschaft betrieben werde und welche Absichten der Liegenschaftseigentümer für die künftige Nutzung verfolge, wenn nur die nach objektiven Kriterien zu ermittelnde Leistungskraft des Hofes auf Dauer gesehen auch ausreiche, den vom Gesetz verlangten Ertrag zu bringen.
Abzustellen sei dabei nach dem Sinn des Gesetzes auf einen Hofeigentümer mit durchschnittlichen landwirtschaftlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten, der fiktiv vor die Aufgabe gestellt sei, eine fünfköpfige Familie angemessen zu erhalten. Auf Nebenerwerbsmöglichkeiten dürfe dabei nicht Bedacht genommen werden. Entscheidend für den Fortbestand der Eigenschaft als geschlossener Hof sei die weitere Eignung des Hofes zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Familie. Ob diese Voraussetzungen noch erfüllt seien, sei an den gegebenen bäuerlichen Lebensverhältnissen zu messen. Für die "Angemessenheit" reiche ein nur knapp über dem unpfändbaren Existenzminimum bzw. nur knapp über den Einkommensmindestgrenzen liegender Ertrag eines Hofes für eine angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie nicht aus.
Auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der darauf aufbauenden Beweiswürdigung vertrete die belangte Behörde die Ansicht, dass den Ausführungen in den Gutachten und Stellungnahmen des Amtssachverständigen zu folgen sei, wonach der geschlossene Hof S mit nur 4,18 ha eigener landwirtschaftlicher Nutzfläche auf die Mitbewirtschaftung der Alpe G angewiesen sei, um weiter als Vollerwerbsbetrieb für die Erhaltung einer fünfköpfigen Familie dienen zu können. Darüber hinaus bestünden nach Ansicht der belangten Behörde die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmängel nicht, da diesem umfassend Gelegenheit gegeben worden sei, im Berufungsverfahren mitzuwirken und somit eine Sanierung der behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz eingetreten sei. Zusammenfassend vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 THG habe. Aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen ergebe sich nämlich, dass der geschlossene Hof S zur Erhaltung einer fünfköpfigen Familie auf Grund des daraus zu erzielenden Einkommens nach Abtrennung der 3/4 Anteile an der Alpe G und der Alpe R nicht mehr ausreiche, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die §§ 1, 2, und 5 THG haben folgenden Wortlaut:
"§ 1. Als geschlossener Hof gilt jede landwirtschaftliche, mit einem Wohnhaus versehene Besitzung, deren Grundbuchseinlage sich in der Höfeabteilung des Hauptbuches befindet (§ 3 Gesetz vom 17. März 1897, LGBl. Nr. 9).
§ 2. Alle Veränderungen an dem Bestand und Umfang der geschlossenen Höfe, die weder durch Enteignung noch durch eine im Sinne des Art. VI Abs. 1 des Gesetzes vom 17. März 1897, RGBl. Nr. 77, zulässige Zwangsversteigerung bewirkt werden, bedürfen der Bewilligung der Höfebehörde.
§ 5. (1) Die Bewilligung zur Abtrennung von Bestandteilen eines geschlossenen Hofes ist zu erteilen, wenn der Hof nach der Abtrennung zur Erhaltung einer Familie von mindestens 5 Köpfen noch hinreicht, und wenn der beantragten Abtrennung erhebliche wirtschaftliche oder landeskulturelle Bedenken nicht entgegenstehen.
(2) Desgleichen ist die Bewilligung zu erteilen, wenn für den abgetrennten Hofteil gleichzeitig ein anderes, für die Bewirtschaftung des Hofes gleichwertiges Grundstück damit vereinigt wird.
(3) Bei Erteilung der Bewilligung ist auch zu prüfen, ob sich für den Hof des Käufers in wirtschaftlicher oder landkultureller Hinsicht ein Vorteil oder Nachteil ergibt.
(4) Die Erteilung der Bewilligung kann an die Bedingung geknüpft werden, dass die abzutrennenden Bestandteile mit dem Gut des Käufers vereinigt werden. Ist das Gut des Käufers kein geschlossener Hof, würde es jedoch durch den Zukauf die Eigenschaft eines solchen erwerben, kann die Bedingung gestellt werden, dass das Anwesen im Sinne des § 3 des Gesetzes als geschlossener Hof erklärt wird."
In Hinblick darauf, dass beim Verwaltungsgerichtshof zu hg. Zl. 2005/07/0172 ein denselben geschlossenen Hof und denselben Beschwerdeführer betreffendes Verfahren anhängig ist, welches sich auf die Zulässigkeit einer Antragstellung nach § 7 THG bezieht, ist zu bemerken, dass die Zulässigkeit einer - dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegenden - Antragstellung nach § 5 THG nicht an die Eigentümerstellung des geschlossenen Hofes geknüpft ist (vgl. dazu auch Kathrein, Anerbenrecht, 1990, Rz 2 zu § 5 THG). Antragsbefugt nach § 5 THG ist jeder, der ein rechtliches Interesse nachzuweisen vermag, was beim Masseverwalter der konkursverfangenen Verlassenschaft der Fall ist.
Die vom Beschwerdeführer beantragte Bewilligung zur Abtrennung von Bestandteilen eines geschlossenen Hofes ist an das Vorliegen mehrerer kumulativer Voraussetzungen geknüpft. Eine dieser Voraussetzungen bezieht sich auf die Ertragsfähigkeit des Hofes und ist dann gegeben, wenn der Hof nach der Abtrennung zur Erhaltung einer Familie von mindestens 5 Köpfen noch hinreicht.
Die Frage, ob die Erträgnisse eines geschlossenen Hofes zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausreichen, kann nur auf Grundlage entsprechender agrarwirtschaftlicher Gutachten beantwortet werden. Dabei ist auf einen Hofeigentümer mit durchschnittlichen landwirtschaftlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten abzustellen, der fiktiv vor die Aufgabe gestellt ist, eine fünfköpfige Familie angemessen zu erhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1976, 289/70). Weiters kann diese Frage nur auf der Basis der nach objektiven Kriterien zu ermittelnden Höhe des finanziellen Aufwandes zur angemessenen Erhaltung einer Familie dieser Größe beantwortet werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. September 1996, 96/07/0064, und vom 26. April 1991, 90/18/0275); dabei muss aber feststehen, welcher finanzielle Aufwand erforderlich ist, um eine fünfköpfige Familie unter Bedachtnahme auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen zu erhalten.
Um diese Frage zu beantworten, holte die belangte Behörde mehrere Gutachten ihres Amtssachverständigen ein; der Beschwerdeführer legte ein Privatgutachten vor. Diese Gutachten gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Der Amtssachverständige fasste seine Gutachten dahingehend zusammen, dass die Bewirtschaftung des S mit den angeschlossenen Almen ein ausreichendes Einkommen zur Ernährung einer fünfköpfigen Familie gewährleiste, wobei er als Grundlage für ein "ausreichendes" Einkommen eine Statistik der L aus dem Jahr 2002 über die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in der Zone 0 einerseits und die Höhe der Ausgleichszulage andererseits heranzog. Auf dieses Gutachten stützte die belangte Behörde ihre rechtlichen und zur Abweisung des Antrages führenden Ausführungen.
Die Gutachten des Amtssachverständigen und dessen wesentliche Aussagen waren aber aus mehreren Gründen nicht geeignet, diese rechtlichen Schlussfolgerungen zu tragen.
Zum einen beantwortete der Amtssachverständige darin die nach § 5 THG allein wesentliche Frage, ob der Hof nach der Abtrennung zur Erhaltung einer Familie von mindestens 5 Köpfen noch hinreiche, nicht ausdrücklich. Sein abschließendes Gutachten beinhaltet als wesentliche Aussage, dass sich "aus der Höhe und Gegenüberstellung der Einkommen schließen lasse, dass die Bewirtschaftung des S-Hofes mit den angeschlossenen Almen ein ausreichendes Einkommen zur Ernährung einer fünfköpfigen Familie leiste."
Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen ergibt sich aber darüber hinaus, dass er sich auch mit der Kalkulation des S-Hofes (ohne Almen) befasst hat und zum Ergebnis gelangte, dass der S-Hof selbst einen Ertrag in der Höhe von insgesamt EUR 28.280,22 erwirtschafte. Eine Aussage dahin, dass dieser Ertrag zur Ernährung einer fünfköpfigen Familie nicht ausreiche, findet sich aber im Gutachten nicht. Dies vermutlich deshalb nicht, weil der vom Sachverständigen errechnete Ertrag des Hofes allein sowohl über dem - vom Sachverständigen als Vergleichsmaßstab herangezogenen - Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage, als auch über dem angegebenen statistischen Durchschnittswert liegt. Aus dem Gutachten des Agrartechnikers könnte sich daher im Gegenteil ergeben, dass der S-Hof auch ohne Almen, somit nach der Abtrennung, im Stande wäre, eine Familie von mindestens 5 Köpfen zu erhalten.
Die am Ende des angefochtenen Bescheides von der belangten Behörde gezogene und auf das Gutachten gestützte Schlussfolgerung, der Hof reiche nach Abtrennung der Almen zur Ernährung einer fünfköpfigen Familie nicht mehr aus, widerspricht dem Inhalt des Gutachtens.
Allerdings erweist sich dieses Gutachten aus folgenden Gründen als ergänzungsbedürftig:
Der Sachverständige hat die Frage der Höhe des Betrages, der zur "angemessenen Erhaltung" einer fünfköpfigen Familie notwendig ist, an statistischen Werten bzw. an der Ausgleichszulage gemessen. Zu einer ähnlichen Konstellation hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. April 1991, 90/18/0275, Stellung genommen und Folgendes ausgeführt:
"Wenn die belangte Behörde diese Annahme unter Hinweis auf einen Bericht über die Lage der Tiroler Land- und Forstwirtschaft 1988/89 darauf zu stützen versucht hat, 'dass das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen je Betrieb in der Zone III und IV inklusive den öffentlichen Zuschüssen im Jahre 1988 S 150.000,-- beträgt', so muss ihr entgegengehalten werden, dass ein durchschnittliches Jahreseinkommen nichts über den finanziellen Bedarf zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Familie aussagt, wozu noch kommt, dass damit nicht einmal geklärt ist, wie viele Personen von diesem Einkommen erhalten werden müssen. Auch der von der belangten Behörde gegebene Hinweis darauf, dass der erwähnte Ertrag des geschlossenen Hofes den von der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter bzw. für Bauern bekannt gegebenen Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage bei einer fünfköpfigen Familie in der Höhe von S 136.766,-- bei weitem übersteigt, vermag nicht zu überzeugen, weil dem Tiroler Höfegesetz nicht entnommen werden kann, dass bei der Beantwortung der Frage, ob der Ertrag eines geschlossenen Hofes für die angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausreicht, von diesem Richtsatz auszugehen ist. Auch der von der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, wonach der 'mittlere Verdienst der Arbeitnehmer in Tirol inklusive den Sonderzahlungen im Jahre 1988 monatlich S 16.159,-- brutto ... betragen hat', kann nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass der mit dem geschlossenen Hof des Beschwerdeführers erzielbare Ertrag genügt, um eine fünfköpfige Familie angemessen zu erhalten, weil auch mit diesem Durchschnittseinkommen des einzelnen Arbeitnehmers nichts über die Höhe des finanziellen Bedarfes für die angemessene Erhaltung einer fünfköpfigen Familie ausgesagt wird, und auch bei dieser bloßen Einkommensangabe völlig offen bleibt, wie viele Personen davon erhalten werden müssen."
Diese Aussagen gelten auch für die im vorliegenden Fall herangezogenen, ebenfalls aus der Statistik bzw. der Ausgleichszulage gewonnenen Betragsgrenzen. In dieser Richtung besteht eine Ergänzungsbedürftigkeit der Gutachten des Amtssachverständigen.
Weiters hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie angesichts der ihr vorliegenden, einander auf gleicher fachlicher Ebene widersprechenden Gutachten des Amtssachverständigen und des Privatsachverständigen die Notwendigkeit erkannte, daher in beweiswürdigende Überlegungen einsteigen zu müssen, solche im angefochtenen Bescheid dann aber gänzlich unterlassen hat. Die Behörde kann bei Vorliegen zweier einander widersprechender Gutachten auf Grund eigener Überlegungen mit entsprechender Begründung einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit den Vorzug geben. Sie hat dann aber im Rahmen der in der Bescheidbegründung näher auszuführenden Beweiswürdigung in nachvollziehbarer Weise die Gedankengänge darzulegen, die sie zu ihrem Vorgehen veranlasst haben (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, 2001/12/0179). Solche Überlegungen enthält der angefochtene Bescheid nicht; auch darin liegt ein Verfahrensmangel.
In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass die hinsichtlich des Gutachtens des Amtssachverständigen aufgezeigte Ergänzungsbedürftigkeit bei der Beurteilung der "angemessenen Erhaltung" einer fünfköpfigen Familie auch beim Gutachten des Privatsachverständigen vorliegt. Ergänzend wird zum Gutachten des Privatsachverständigen noch bemerkt, dass die ihm (allenfalls nach Ergänzung) entnehmbare Aussage, dass der Hof S auch gemeinsam mit den Almen nicht mehr in der Lage ist, eine fünfköpfige Familie angemessen zu ernähren, noch nicht für die Bewilligung des Antrages nach § 5 THG spräche. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu einer solchen Fallkonstellation nämlich ausgesprochen, dass auch dann, wenn ein Hof nicht mehr zur Erhaltung einer mindestens fünfköpfigen Familie hinreicht, die Genehmigung nach § 5 THG - von dem weiteren Tatbestandselement der erheblichen wirtschaftlichen oder landeskulturellen Bedenken abgesehen - nur dann erteilt werden darf, wenn mit der Abtrennung keine weitere Schwächung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Hofes verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, 89/18/0045).
Durch die aufgezeigten Begründungsmängel belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. Dezember 2006
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005070171.X00Im RIS seit
08.01.2007