Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Greinert als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Innsbruck zum AZ 25 Vr 986/99 anhängigen Strafsache gegen Wilfried H***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147, 148 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16. Februar 2000, AZ 6 Bs 53, 54/00 (= ON 45), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Wilfried H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Beim Landesgericht Innsbruck wird gegen Wilfried H***** Voruntersuchung geführt, weil er dringend verdächtig ist, die Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147, 148 erster Fall StGB und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB verübt zu haben. Mit Beschluss des Untersuchungsrichters vom 3. Oktober 1999 wurde über ihn gemäß § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit b und c StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 11 iVm ON 14) und deren Fortsetzung am 15. Oktober 1999 (ON 17) sowie am 15. November 1999 mit Wirksamkeit bis längstens (Samstag, den) 15. Jänner 2000 angeordnet (ON 23).Beim Landesgericht Innsbruck wird gegen Wilfried H***** Voruntersuchung geführt, weil er dringend verdächtig ist, die Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147, 148 erster Fall StGB und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB verübt zu haben. Mit Beschluss des Untersuchungsrichters vom 3. Oktober 1999 wurde über ihn gemäß § 180 Abs 2 Ziffer 2 und 3 lit b und c StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 11 in Verbindung mit ON 14) und deren Fortsetzung am 15. Oktober 1999 (ON 17) sowie am 15. November 1999 mit Wirksamkeit bis längstens (Samstag, den) 15. Jänner 2000 angeordnet (ON 23).
Da bereits zwei Haftverhandlungen stattgefunden hatten, verzichtete der Beschuldigte am 10. Jänner 2000 auf die Durchführung einer bevorstehenden weiteren Haftverhandlung (S 3 s/I). Daraufhin fasste der Untersuchungsrichter am Montag, dem 17. Jänner 2000, den schriftlichen Beschluss auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (mit Wirksamkeit bis längstens 15. März 2000) ohne vorangegangene mündliche Verhandlung (ON 35). Tags darauf stellte Wilfried H***** einen Enthaftungsantrag, der am 27. Jänner 2000 nach Durchführung einer Haftverhandlung abgewiesen wurde (ON 39).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck einer Beschwerde des Beschuldigten gegen die beiden zuletzt bezeichneten Beschlüsse des Untersuchungsrichters nicht Folge und ordnete die Fortsetzung einer Untersuchungshaft aus den genannten Haftgründen bis längstens Montag, den 17. April 2000, an (ON 45).
Mit der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit deshalb verletzt, "weil die Untersuchungshaft, deren Fortdauer bis zum 15. 1. 2000 beschlossen wurde, und nach diesem Zeitpunkt fortgesetzt wurde, obwohl ihm der schriftliche Beschluss auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vom 17. 1. 2000 erst nach Ablauf der Haftfrist zugestellt wurde" (ON 46). Die Annahme des dringenden Tatverdachts und der herangezogenen Haftgründe wird nicht bekämpft.
Die Beschwerde ist - im Sinne der im Ergebnis zutreffenden Begründung des Gerichtshofs zweiter Instanz - nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 181 Abs 5 StPO kann der Beschuldigte auf die Durchführung einer bevorstehenden weiteren Haftverhandlung verzichten, wenn - wie vorliegend - bereits zwei Haftverhandlungen stattgefunden haben. Entgegen dem Beschwerdestandpunkt ist weder dem Gesetz noch dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung zu entnehmen, dass eine solche Verzichtserklärung nur dann rechtswirksam sein soll, wenn sie entweder im Beisein des Verteidigers abgegeben oder diesem vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme geboten wurde (vgl AB 5 f, 1157 BlgNR XVIII GP, bei Pleischl/Soyer1, §§ 41 und 42). Dem Verteidiger wäre es vielmehr im Rahmen seiner Vertretungspflichten und fallbezogener Einschätzung oblägen, nach Durchführung der zweiten Haftverhandlung allenfalls den Beschuldigten darauf hinzuweisen, einen Verzicht auf die Durchführung einer weiteren Haftverhandlung erst nach Rücksprache mit ihm zu erklären. Wilfried H***** hat daher mit seiner Erklärung am 10. Jänner 2000 dem Untersuchungsrichter gegenüber auf Durchführung einer weiteren Haftverhandlung rechtswirksam verzichtet, zumal die Sonderbestimmungen über die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts (§§ 466 Abs 1, 489 Abs 1 StPO) im Haftrecht nicht gelten (13 Os 77/94).Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 181 Abs 5 StPO kann der Beschuldigte auf die Durchführung einer bevorstehenden weiteren Haftverhandlung verzichten, wenn - wie vorliegend - bereits zwei Haftverhandlungen stattgefunden haben. Entgegen dem Beschwerdestandpunkt ist weder dem Gesetz noch dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung zu entnehmen, dass eine solche Verzichtserklärung nur dann rechtswirksam sein soll, wenn sie entweder im Beisein des Verteidigers abgegeben oder diesem vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme geboten wurde vergleiche AB 5 f, 1157 BlgNR XVIII GP, bei Pleischl/Soyer1, §§ 41 und 42). Dem Verteidiger wäre es vielmehr im Rahmen seiner Vertretungspflichten und fallbezogener Einschätzung oblägen, nach Durchführung der zweiten Haftverhandlung allenfalls den Beschuldigten darauf hinzuweisen, einen Verzicht auf die Durchführung einer weiteren Haftverhandlung erst nach Rücksprache mit ihm zu erklären. Wilfried H***** hat daher mit seiner Erklärung am 10. Jänner 2000 dem Untersuchungsrichter gegenüber auf Durchführung einer weiteren Haftverhandlung rechtswirksam verzichtet, zumal die Sonderbestimmungen über die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts (§§ 466 Abs 1, 489 Abs 1 StPO) im Haftrecht nicht gelten (13 Os 77/94).
Obwohl die Beschlussfassung am 17. Jänner 2000 über die Fortsetzung der Untersuchungshaft an sich von der Grundrechtsbeschwerde nicht (mehr) ausdrücklich gerügt wird, scheint (neuerlich) eine Klarstellung zum Ende der Haftfristen des § 181 StPO iVm § 6 Abs 2 Satz zwei StPO geboten:Obwohl die Beschlussfassung am 17. Jänner 2000 über die Fortsetzung der Untersuchungshaft an sich von der Grundrechtsbeschwerde nicht (mehr) ausdrücklich gerügt wird, scheint (neuerlich) eine Klarstellung zum Ende der Haftfristen des § 181 StPO in Verbindung mit § 6 Abs 2 Satz zwei StPO geboten:
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den Entscheidungen vom 26. April 1994, AZ 14 Os 57/94 (= EvBl 1994/139 = JBl 1995, 260; aM Venier AnwBl 1995, 478) und vom 11. September 1997, AZ 15 Os 139/97 (= EvBl 1998/36 = JBl 1999, 63 = RZ 1998/24) unmissverständlich ausgesprochen, dass es sich bei den in § 181 Abs 1 und Abs 2 StPO normierten Haftfristen grundsätzlich um - von den gesetzlich determinierten Ausnahmen der §§ 6 Abs 2, 181 Abs 3 und Abs 4 StPO abgesehen - unerstreckbare prozessuale, (weil "in diesem Gesetz" bestimmt) den Regeln des § 6 StPO unterliegende Fristen handelt (vgl Mayerhofer StPO4 § 181 E 1 mwN). Im Anlassfall kommt die Ausnahme des § 6 Abs 2 Satz 2 zum Tragen. Dieser Bestimmung zufolge war der nächste Werktag (Montag, der 17. Jänner 2000) als letzter Tag der Frist anzusehen, weil das Ende der zweimonatigen Haftfrist auf einen (richtig) Sonntag (16. Jänner 2000) fiel (vgl § 6 Abs 1 Satz zwei StPO). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Beschluss vom 15. November 1999 (ON 23) der Ablauftag von vornherein irrig mit 15. Jänner 2000 angeführt wurde (Mayerhofer aaO E 2). Dadurch, dass der Untersuchungsrichter nach der - auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen - Aktenlage den Beschluss über die Fortsetzung der Untersuchungshaft noch am Montag, dem 17. Jänner 2000, vor 24.00 Uhr schriftlich abfasste und unterfertigte, erging dieser daher noch vor Ablauf der gemäß § 181 Abs 2 Z 3 StPO zunächst mit zwei Monaten limitiert gewesenen, jedoch durch § 6 Abs 2 Satz 2 StPO ausnahmsweise verlängerten Haftfrist.Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den Entscheidungen vom 26. April 1994, AZ 14 Os 57/94 (= EvBl 1994/139 = JBl 1995, 260; aM Venier AnwBl 1995, 478) und vom 11. September 1997, AZ 15 Os 139/97 (= EvBl 1998/36 = JBl 1999, 63 = RZ 1998/24) unmissverständlich ausgesprochen, dass es sich bei den in § 181 Abs 1 und Abs 2 StPO normierten Haftfristen grundsätzlich um - von den gesetzlich determinierten Ausnahmen der §§ 6 Abs 2, 181 Abs 3 und Abs 4 StPO abgesehen - unerstreckbare prozessuale, (weil "in diesem Gesetz" bestimmt) den Regeln des § 6 StPO unterliegende Fristen handelt vergleiche Mayerhofer StPO4 § 181 E 1 mwN). Im Anlassfall kommt die Ausnahme des § 6 Abs 2 Satz 2 zum Tragen. Dieser Bestimmung zufolge war der nächste Werktag (Montag, der 17. Jänner 2000) als letzter Tag der Frist anzusehen, weil das Ende der zweimonatigen Haftfrist auf einen (richtig) Sonntag (16. Jänner 2000) fiel (vgl § 6 Abs 1 Satz zwei StPO). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Beschluss vom 15. November 1999 (ON 23) der Ablauftag von vornherein irrig mit 15. Jänner 2000 angeführt wurde (Mayerhofer aaO E 2). Dadurch, dass der Untersuchungsrichter nach der - auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen - Aktenlage den Beschluss über die Fortsetzung der Untersuchungshaft noch am Montag, dem 17. Jänner 2000, vor 24.00 Uhr schriftlich abfasste und unterfertigte, erging dieser daher noch vor Ablauf der gemäß § 181 Abs 2 Z 3 StPO zunächst mit zwei Monaten limitiert gewesenen, jedoch durch § 6 Abs 2 Satz 2 StPO ausnahmsweise verlängerten Haftfrist.
Der Beschwerdeeinwand, die zulässige Haftdauer sei vorliegend deshalb überschritten worden, weil dem Beschuldigten der schriftliche Beschluss über die Fortsetzung einer Untersuchungshaft vom 17. Jänner 2000 erst nach Ablauf der Haftfrist am 21. Jänner 2000 zugestellt worden sei, findet im Gesetz keine Deckung (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 72a). § 181 Abs 1 StPO fordert nämlich, dass vor Ablauf der Haftfrist eine Haftverhandlung durchzuführen ist; Abs 5 leg cit hinwieder verlangt, dass der Beschluss über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft (vor Ablauf der Haftfrist) ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich ergehen muss.
Anders als in § 176 Abs 1 und § 179 Abs 3 StPO hat der Gesetzgeber bei der grundlegenden Reformierung des Haftrechts durch das Strafprozessänderungsgesetz 1993 (BGBl 1993/526) die Zustellung einer Beschlussausfertigung nicht normiert und insbesondere - der Beschwerde zuwider - auch nicht angeordnet, dass der schriftliche Fortsetzungsbeschluss noch vor Ablauf der aktuellen Haftfrist dem Beschuldigten zugestellt werden und er diesen "in Händen" haben muss.
Da sohin Wilfried H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
Textnummer
E57333European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0150OS00032..0314.000Im RIS seit
13.04.2000Zuletzt aktualisiert am
20.10.2010