TE OGH 2000/3/16 2Ob61/00k

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Veröffentlicht am 16.03.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Wallner, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei Helmut F*****, Geschäftsmann, ***** vertreten durch Dr. Erich Holzinger, Rechtsanwalt in Liezen, wegen (ausgedehnt) S 149.137,01 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 13. Dezember 1999, GZ 1 R 277/99y-54, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Liezen vom 29. September 1999, GZ 2 C 629/96f-46, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Mit gemäß § 545 Abs 3 Geo. mehrgliedrigem Urteil vom 29. September 1999 erkannte das Erstgericht (im zweiten Rechtsgang), dass die Klagsforderung (von ausgedehnt S 149.137,091 sA) mit S 14.868 zu Recht und die vom Beklagten (in Höhe von S 340.000) eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung ebenfalls zu Recht besteht (Punkte 1. und 2. des Spruches). Trotzdem sprach es im Punkt 3. seines Spruches aus, dass die beklagte Partei schuldig sei, der klagenden Partei S 14.868 samt Staffelzinsen zu bezahlen, hingegen das Mehrbegehren samt Zinsen abgewiesen wird. Letztlich wurde die klagende Partei auch zum Kostenersatz verpflichtet (Punkt 4.). Dieses Urteil wurde dem Vertreter der klagenden Partei am Montag, dem 4. Oktober 1999, zugestellt.Mit gemäß Paragraph 545, Absatz 3, Geo. mehrgliedrigem Urteil vom 29. September 1999 erkannte das Erstgericht (im zweiten Rechtsgang), dass die Klagsforderung (von ausgedehnt S 149.137,091 sA) mit S 14.868 zu Recht und die vom Beklagten (in Höhe von S 340.000) eingewendete Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung ebenfalls zu Recht besteht (Punkte 1. und 2. des Spruches). Trotzdem sprach es im Punkt 3. seines Spruches aus, dass die beklagte Partei schuldig sei, der klagenden Partei S 14.868 samt Staffelzinsen zu bezahlen, hingegen das Mehrbegehren samt Zinsen abgewiesen wird. Letztlich wurde die klagende Partei auch zum Kostenersatz verpflichtet (Punkt 4.). Dieses Urteil wurde dem Vertreter der klagenden Partei am Montag, dem 4. Oktober 1999, zugestellt.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 1999 berichtigte das Erstgericht dieses Urteil in seinem "Spruch Punkt 3 und 4" dahin, dass (3.) das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 149.137,01 samt Zinsen zu bezahlen, abgewiesen wird; der als ebenfalls von der Berichtigung erfasst bezeichnete Punkt 4. des Spruches (Kostenentscheidung) blieb hingegen sprachlich wie inhaltlich unverändert. Zur Begründung führte das Erstgericht aktenwidrig aus, dass der Urteilsspruch gemäß § 419 ZPO zu berichtigen gewesen sei, "weil die Ausfertigung von der Urschrift abwich". Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter am Mittwoch, dem 6. Oktober 1999, zugestellt.Mit Beschluss vom 5. Oktober 1999 berichtigte das Erstgericht dieses Urteil in seinem "Spruch Punkt 3 und 4" dahin, dass (3.) das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 149.137,01 samt Zinsen zu bezahlen, abgewiesen wird; der als ebenfalls von der Berichtigung erfasst bezeichnete Punkt 4. des Spruches (Kostenentscheidung) blieb hingegen sprachlich wie inhaltlich unverändert. Zur Begründung führte das Erstgericht aktenwidrig aus, dass der Urteilsspruch gemäß Paragraph 419, ZPO zu berichtigen gewesen sei, "weil die Ausfertigung von der Urschrift abwich". Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter am Mittwoch, dem 6. Oktober 1999, zugestellt.

Mit der am Mittwoch, dem 3. November 1999, zur Post gegebenen Berufung bekämpft die klagende Partei das Urteil - unter Geltendmachung der Berufungsgründe der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit, unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung - in seinen Punkten 2., 3. und 4. zur Gänze und stellte entsprechende Abänderungs- bzw Aufhebungsanträge. Die beklagte Partei erstattete eine Berufungsbeantwortung.

Das Berufungsgericht wies mit dem nunmehr bekämpften Beschluss die Berufung der klagenden Partei als verspätet zurück, weil - ausgehend vom Datum der Zustellung des unberichtigten Urteils am 4. Oktober 1999 - letzter Tag der vierwöchigen Notfrist des § 464 Abs 1 ZPO Dienstag, der 2. November 1999, gewesen sei. Durch den Berichtigungsbeschluss sei kein neuer Fristenlauf in Gang gesetzt worden, weil der Rechtsmittelwerber auch ohne diese Berichtigung über den Inhalt der Entscheidung nicht habe in Zweifel sein können; der Entscheidungswille des Erstgerichtes, nämlich Zurechtbestehen der Kompensandoforderung jedenfalls bis zur Höhe der als ebenfalls zu Recht bestehend anerkannten Klageforderung sei "nie zweifelhaft" gewesen; dass das Erstgericht dessen ungeachtet "irrtümlich" unter Punkt 3. des Spruches zu einer offenbar unrichtigen, "da denkunmöglichen" Zahlungsverpflichtung der beklagten Partei gelangt sei, sei eine "sofort ins Auge springende" Unrichtigkeit gewesen, ohne den "wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches" zu berühren.Das Berufungsgericht wies mit dem nunmehr bekämpften Beschluss die Berufung der klagenden Partei als verspätet zurück, weil - ausgehend vom Datum der Zustellung des unberichtigten Urteils am 4. Oktober 1999 - letzter Tag der vierwöchigen Notfrist des Paragraph 464, Absatz eins, ZPO Dienstag, der 2. November 1999, gewesen sei. Durch den Berichtigungsbeschluss sei kein neuer Fristenlauf in Gang gesetzt worden, weil der Rechtsmittelwerber auch ohne diese Berichtigung über den Inhalt der Entscheidung nicht habe in Zweifel sein können; der Entscheidungswille des Erstgerichtes, nämlich Zurechtbestehen der Kompensandoforderung jedenfalls bis zur Höhe der als ebenfalls zu Recht bestehend anerkannten Klageforderung sei "nie zweifelhaft" gewesen; dass das Erstgericht dessen ungeachtet "irrtümlich" unter Punkt 3. des Spruches zu einer offenbar unrichtigen, "da denkunmöglichen" Zahlungsverpflichtung der beklagten Partei gelangt sei, sei eine "sofort ins Auge springende" Unrichtigkeit gewesen, ohne den "wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches" zu berühren.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung erhobene Rekurs der klagenden Partei - dessen fehlende Kostenverzeichnung in einem weiteren Nachtragsschriftsatz nachgeholt wurde - ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne die Beschränkung des § 502 Abs 1 ZPO und ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig (RIS-Justiz RS0043893; zuletzt 1 Ob 332/99a; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 519; Rechberger/Simotta, Erkenntnisverfahren5, Rz 876; Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ-Sonderheft 1998/5A, 13) und auch berechtigt.Der gegen die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung erhobene Rekurs der klagenden Partei - dessen fehlende Kostenverzeichnung in einem weiteren Nachtragsschriftsatz nachgeholt wurde - ist gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO ohne die Beschränkung des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO und ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig (RIS-Justiz RS0043893; zuletzt 1 Ob 332/99a; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu Paragraph 519 ;, Rechberger/Simotta, Erkenntnisverfahren5, Rz 876; Danzl, Der Weg zum OGH nach der WGN 1997, ÖJZ-Sonderheft 1998/5A, 13) und auch berechtigt.

Im Gesetz (§ 419 ZPO) fehlt eine ausdrückliche Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteils auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Ungeachtet der ungeprüft gebliebenen Behauptung im Rekurs, dass Grundlage für den Berichtigungsbeschluss kein amtswegiges Tätigwerden des Gerichtes, sondern vielmehr eine Vorsprache des Beklagtenvertreters samt Hinweis auf den Fehler im Urteilsspruch gewesen sei, entspricht es der seit SZ 2/145 ständigen Rechtsprechung, dass sowohl im Falle einer beantragten als auch einer von Amts wegen verfügten Berichtigung eines Urteils die Rechtsmittelfristen hiegegen grundsätzlich erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung beginnen, es sei denn, dass der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluss keine Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte (RS0041797). Verneinendenfalls vermag daran eine vorherige Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nichts zu ändern (3 Ob 598/87; 5 Ob 560/93). Eine derartige Berichtigung auf den Urteilsausfertigungen der Parteien hat das Gericht gemäß § 419 Abs 2 letzter Satz ZPO nach Abforderung (von den Parteien) auf diesen demgemäß auch nur "nach Tunlichkeit" ersichtlich zu machen. Nur dann, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt erlangen, beginnt eine neue Rechtsmittelfrist. Diese volle Klarheit wurde beispielsweise für die Entscheidung in der Hauptsache bejaht, wenn die Berichtigung nur die gemäß Art 82 Abs 2 B-VG vorgeschriebene Solennitätsformel "Im Namen der Republik" (JBl 1978, 100) oder bloß die Kostenentscheidung betraf (2 Ob 2115/96k; 2 Ob 149/98w), oder im Spruch über strittige Dienstbarkeitsrechte die Grundstücke der Parteien ganz offenkundig ("ins Auge springend") verwechselt worden waren (6 Ob 20/99f), oder ebenfalls im Spruch zwar die Parteirollen vertauscht worden waren, jedoch aus den folgenden Absätzen des Spruches (iVm den Entscheidungsgründen) kein Zweifel darüber bestehen konnte, hinsichtlich welcher Partei das Gericht stattgeben und abweisen wollte (7 Ob 35/93). Nur solche "praktisch bedeutungslose Fälle" (SZ 54/103) ließ die Judikatur somit für den Fristenlauf als unmaßgeblich gelten.Im Gesetz (Paragraph 419, ZPO) fehlt eine ausdrückliche Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteils auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Ungeachtet der ungeprüft gebliebenen Behauptung im Rekurs, dass Grundlage für den Berichtigungsbeschluss kein amtswegiges Tätigwerden des Gerichtes, sondern vielmehr eine Vorsprache des Beklagtenvertreters samt Hinweis auf den Fehler im Urteilsspruch gewesen sei, entspricht es der seit SZ 2/145 ständigen Rechtsprechung, dass sowohl im Falle einer beantragten als auch einer von Amts wegen verfügten Berichtigung eines Urteils die Rechtsmittelfristen hiegegen grundsätzlich erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung beginnen, es sei denn, dass der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluss keine Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte (RS0041797). Verneinendenfalls vermag daran eine vorherige Zustellung des Berichtigungsbeschlusses nichts zu ändern (3 Ob 598/87; 5 Ob 560/93). Eine derartige Berichtigung auf den Urteilsausfertigungen der Parteien hat das Gericht gemäß Paragraph 419, Absatz 2, letzter Satz ZPO nach Abforderung (von den Parteien) auf diesen demgemäß auch nur "nach Tunlichkeit" ersichtlich zu machen. Nur dann, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt erlangen, beginnt eine neue Rechtsmittelfrist. Diese volle Klarheit wurde beispielsweise für die Entscheidung in der Hauptsache bejaht, wenn die Berichtigung nur die gemäß Artikel 82, Absatz 2, B-VG vorgeschriebene Solennitätsformel "Im Namen der Republik" (JBl 1978, 100) oder bloß die Kostenentscheidung betraf (2 Ob 2115/96k; 2 Ob 149/98w), oder im Spruch über strittige Dienstbarkeitsrechte die Grundstücke der Parteien ganz offenkundig ("ins Auge springend") verwechselt worden waren (6 Ob 20/99f), oder ebenfalls im Spruch zwar die Parteirollen vertauscht worden waren, jedoch aus den folgenden Absätzen des Spruches in Verbindung mit den Entscheidungsgründen) kein Zweifel darüber bestehen konnte, hinsichtlich welcher Partei das Gericht stattgeben und abweisen wollte (7 Ob 35/93). Nur solche "praktisch bedeutungslose Fälle" (SZ 54/103) ließ die Judikatur somit für den Fristenlauf als unmaßgeblich gelten.

Von einem solchen ganz offenkundigen Fehler oder einer Verwechslung kann hier indes nicht die Rede sein, hat doch das Erstgericht seinen Spruch in einem ganz wesentlichen Punkt abgeändert, indem es anstelle eines - zufolge des gleichzeitigen Ausspruches, dass sowohl die mit S 149.137,01 sA eingeklagte Forderung und die diese Summe übersteigenden Gegenforderung je mit S 14.868 zu Recht bestünden, unverständlichen - Zuspruches von S 14.868 sA samt Abweisung des ziffernmäßig nicht bestimmten Mehrbegehrens nunmehr das gesamte Klagebegehren von S 149.137,01 sA abgewiesen hat. Ein solches Verständnis des Entscheidungswillens lag zwar auf Grund der beiden vorangehenden Spruchteile über das Zurechtbestehen sowohl der Klage- als auch der eingewendeten Gegenforderung nahe; eine Berichtigung dieses - vormals insgesamt - unschlüssigen Spruches hätte aber genauso (logisch und rechnerisch möglich) dadurch erfolgen können, dass statt des letztendlich "berichtigten" Punktes 3. im Punkt 2. des Spruches das Wort "nicht" eingefügt worden wäre, wodurch die Saldierung zugunsten und nicht zu Lasten der klagenden Partei ausgefallen wäre, zumal sich aus den Entscheidungsgründen des Ersturteiles nicht ausdrücklich entnehmen lässt, welcher Teil der eingeklagten Forderung und welche Gegenforderung als zu Recht bestehend erkannt wurde. Jedenfalls kann nach Auffassung des Senates nicht gesagt werden, dass die durch das Urteil beschwerte klagende Partei keine Zweifel über den wirklichen Inhalt des Spruches haben konnte. Vielmehr betraf die Berichtigung einen auch für die Ausführung des Rechtsmittels erheblichen Teil der Entscheidung, wobei die Anforderungen an eine Partei zur Beurteilung und Bewertung derartiger Gerichtsfehler auch nicht überspannt werden dürfen (3 Ob 580/82). Es ist einer Partei auch nicht zuzumuten, bei einem fehlerhaften oder unvollständigen Urteil Vermutungen dahin anzustellen, was das Gericht allenfalls und richtigerweise gemeint haben könnte (1 Ob 392/97x). Eine solche zweifelhafte Lage lag auch hier für die klagende Partei vor.

Demnach erweist sich die Berufung der Klägerin jedoch als rechtzeitig. Das Berufungsgericht wird meritorisch über dieses Rechtsmittel zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt folgt aus § 52 Abs 1 ZPO (8 Ob 576/92; 1 Ob 392/97x).Der Kostenvorbehalt folgt aus Paragraph 52, Absatz eins, ZPO (8 Ob 576/92; 1 Ob 392/97x).

Textnummer

E57346

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0020OB00061.00K.0316.000

Im RIS seit

15.04.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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