Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des B Q in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Günther Neuhuber und Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Mai 2006, Zl. 265.026/0-V/13/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er reiste am 29. April 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, seine Mutter gehöre der Minderheit der Ashkali an und seine Eltern hätten vor und während des Krieges in einem Krankenhaus in Prizren unter serbischer Verwaltung gearbeitet. Nach dem Krieg wären sie von der albanischen Verwaltung des Krankenhauses entlassen worden und es hätten Drohungen von Angehörigen der albanischen Volksgruppe gegen die Familie des Beschwerdeführers begonnen. Auch der Beschwerdeführer sei "als Sohn eines angeblichen Spions" bedroht und "als Verräter bezeichnet" worden. Überall wo der Beschwerdeführer "hingegangen" sei, sei er "als Spion beschimpft" worden. Der Beschwerdeführer sei "gezwungen" worden, "umsonst zu arbeiten" und "fast täglich geschlagen" worden, "weil sie gesagt haben, ich würde meine Arbeit nicht richtig machen". Im September 2004 sei der Beschwerdeführer "mit einem Stock geschlagen" worden und habe Verletzungen davongetragen. Als Beleg hiefür zeigte der Beschwerdeführer bei seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt (vgl. Seite 35 des BAA-Aktes) "kleine Narben am linken Fuß und linke Schulter". Unter Hinweis auf seinen Vater sei der Beschwerdeführer als "Sohn des Spions" und "Zigeuner" beschuldigt worden und im Laufe der Jahre hätten diese Anfeindungen immer öfter stattgefunden. Diese "Beschuldigungen, Aufforderungen und Angriffe" seien intensiver geworden. Der Beschwerdeführer befürchte, verletzt oder umgebracht zu werden. Auch sei der Beschwerdeführer von Angehörigen der albanischen Volksgruppe bedroht worden, falls er Anzeige erstatten würde, werde er umgebracht. Aus diesem Grund habe er nicht gewagt, über die erwähnten Gegebenheiten Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. September 2005 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und es wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Mit dem angefochtenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Mai 2006 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß den §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG abgewiesen.
Begründend stellte die belangte Behörde fest, "ausschlaggebend für dessen Flucht nach Österreich" seien "letztlich wirtschaftliche Überlegungen sowie seine subjektive, nicht näher substantiierte, Angst vor albanischstämmigen Dorfbewohnern" gewesen. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe führte die belangte Behörde aus, es könne "dahingestellt bleiben, ob selbige der Wahrheit entsprechen, da es de facto unmöglich ist, ein derartiges Vorbringen (...) auch nur ansatzweise einer Verifizierung zuzuführen". Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers seien sämtliche ins Treffen geführten Fluchtgründe keine hinreichende Basis für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv). Es erscheine nicht nachvollziehbar, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar gewesen sein sollte, sich mit "seinem strafrechtlich relevanten Problem" an die lokalen nationalen sowie internationalen Sicherheitseinrichtungen zu wenden. Hinweise darauf, dass diese generell nicht willens oder faktisch nicht dazu in der Lage wären, ethnischen Albanern in der Provinz Kosovo wirksamen "Schutz vorkriminellen Übergriffen durch Privatpersonen" zu bieten oder derartige kriminelle Handlungen auch nur ansatzweise zu dulden, lägen unter Heranziehung der aktuellen Länderberichte keine vor. Auch die vom Beschwerdeführer ebenfalls ins Treffen geführten persönlichen wirtschaftlichen Probleme auf Grund schlechter Bezahlung und Arbeitslosigkeit seien objektiv nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der FlKonv zu begründen.
Im Hinblick auf § 8 Abs. 1 AsylG führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, "seitens des Beschwerdeführers sei im Verfahren kein relevantes bezughabendes Risiko" aufgezeigt worden und bestehe in "Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo" keine "dergestalt exzeptionelle Situation (Bürgerkrieg, Seuchenkatastrophe bzw. Hungersnot)", wodurch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK indiziert wäre. Auch könne als notorisch vorausgesetzt werden, dass "in Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo" keine Situation bestehe, dass jede zurückzuführende Person mangels Deckung existenzieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt wäre. Zur Ausweisung nach § 8 Abs. 2 AsylG enthält der angefochtene Bescheid keine Begründung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit ihren textbausteinartigen Ausführungen, es könne hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe "dahingestellt bleiben, ob selbige der Wahrheit entsprechen, da es de facto unmöglich ist, ein derartiges Vorbringen (...) auch nur ansatzweise einer Verifizierung zuzuführen", hat sich die belangte Behörde einer Beweiswürdigung im gegenständlichen Fall entledigt (vgl. zur mangelnden Nachvollziehbarkeit dieser Argumentation im Allgemeinen bereits das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2006, Zl. 2006/01/0383). Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die Behörde ihrer Entscheidung das als wahr unterstellte Vorbringen des Asylwerbers zugrundegelegt hat.
Soweit die belangte Behörde davon ausgehend meint, die vom Beschwerdeführer geschilderten Fluchtgründe beträfen alleine "kriminelle Übergriffe durch Privatpersonen" und böten keine hinreichende Basis für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der FlKonv, hat sie verkannt, dass der Beschwerdeführer vorgebracht hat, einerseits auf Grund der Tätigkeit seiner Eltern in einem Spital unter serbischer Verwaltung als "Spion" und "Verräter" von Angehörigen der albanischen Volksgruppe bedroht und andererseits auf Grund der Zugehörigkeit seiner Mutter zur Volksgruppe der Ashkali als "Zigeuner" angefeindet worden zu sein, und beide Bedrohungen eine Verfolgung aus einem der Konventionsgründe begründen können. Davon ausgehend hat die belangte Behörde auch die Frage der Schutzfähigkeit der internationalen und nationalen Sicherheitskräfte im Kosovo zu Unrecht nur im Hinblick auf "kriminelle Übergriffe durch Privatpersonen" und nicht unter Zugrundelegung des - von ihr als wahr unterstellten - Vorbringens des Beschwerdeführers geprüft.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Dezember 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006010271.X00Im RIS seit
31.01.2007