TE OGH 2000/3/28 1Ob305/99f

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Veröffentlicht am 28.03.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ljilijana K*****, vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Ilse Heimerl-Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 16. August 1999, GZ 40 R 316/99p-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. April 1999, GZ 47 C 332/98t-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.181,12 S (darin 863,52 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.416,48 S (darin 406,08 S Umsatzsteuer und 1.980 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Hauptmieterin lebte seit ihrer Verehelichung am 26. September 1994 bis etwa Dezember 1996 in aufrechter Ehe mit ihrem Ehegatten in der nun von der klagenden Vermieterin aufgekündigten 40 m2 großen Wohnung in Wien-Margareten. Im Februar 1997 kehrte der Ehegatte der Beklagten nach seiner Entlassung aus einer zweimonatigen Strafhaft in die Wohnung zurück. Danach gab es kein "gemeinsames Leben" mehr zwischen ihm und der Beklagten; die Eheleute gingen sich aus dem Weg und hielten sich kaum noch gemeinsam zur gleichen Zeit in der Wohnung auf: "Wenn einer von beiden da war", war es das "Bestreben" des anderen, sich "woanders" aufzuhalten. Die Beklagte brachte im Frühjahr 1997 die Scheidungsklage ein und zog im August 1997 aus der Wohnung aus, nachdem sie der Vermieterin dies ebenso mitgeteilt hatte wie die Tatsache, dass ihr Mann, mit dem sie bereits in Scheidung lebe, weiter in der Wohnung bleiben werde. Im Mai 1998 erfolgte die Scheidung, die Kündigung datiert vom 19. Juni 1998.

Das Erstgericht bejahte den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG, weil die Beklagte und ihr (jetzt geschiedener) Ehegatte ab März 1997 nicht mehr gemeinsam in der Wohnung gelebt, sich insbesondere kaum noch zur gleichen Zeit in der Wohnung aufgehalten, sondern "jeder sein eigenes Leben geführt" habe. Im Zeitpunkt des Auszugs der Beklagten aus der Wohnung im August 1997 habe daher kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden, weswegen die Eintrittsberechtigung des (jetzt geschiedenen) Ehegatten der Beklagten zu verneinen sei.Das Erstgericht bejahte den Kündigungsgrund nach Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 4, erster Fall MRG, weil die Beklagte und ihr (jetzt geschiedener) Ehegatte ab März 1997 nicht mehr gemeinsam in der Wohnung gelebt, sich insbesondere kaum noch zur gleichen Zeit in der Wohnung aufgehalten, sondern "jeder sein eigenes Leben geführt" habe. Im Zeitpunkt des Auszugs der Beklagten aus der Wohnung im August 1997 habe daher kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden, weswegen die Eintrittsberechtigung des (jetzt geschiedenen) Ehegatten der Beklagten zu verneinen sei.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf. An das Erfordernis des "gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens zwischen in Scheidung lebenden Ehegatten" dürfe kein "allzu strenger Maßstab" angelegt werden, weil "naturgemäß in dieser Situation kaum mehr tatsächliche Gemeinsamkeiten" bestünden. "Ganz im Gegenteil" würden die Eheleute - wie auch hier - versuchen, die Berührungspunkte so gering wie möglich zu halten, den Kontakt zueinander einzustellen und sich aus dem Weg zu gehen. Im Allgemeinen sei zu erwarten, dass in Scheidung lebende Eheleute "weiterhin gemeinsam kochen, einkaufen gehen bzw ihre Freizeit miteinander verbringen". Daher werde "bei vorerst bestehendem gemeinsamen Haushalt der Ehegatten in der aufgekündigten Ehewohnung" dieser "nur durch die bloße Einschränkung der Gemeinsamkeiten während der, der tatsächlichen Trennung und dem Auszug eines der Ehegatten vorangehenden Phase, nicht aufgehoben, dies selbst dann nicht, wenn die Berührungspunkte" wie hier "so gut wie gar nicht mehr vorhanden" gewesen seien. "Jede andere Sicht dieser Konstellation" würde regelmäßig verhindern, dass Mietrechte in einem Scheidungsvergleich nach § 12 Abs 1 MRG übertragen werden.Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf. An das Erfordernis des "gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens zwischen in Scheidung lebenden Ehegatten" dürfe kein "allzu strenger Maßstab" angelegt werden, weil "naturgemäß in dieser Situation kaum mehr tatsächliche Gemeinsamkeiten" bestünden. "Ganz im Gegenteil" würden die Eheleute - wie auch hier - versuchen, die Berührungspunkte so gering wie möglich zu halten, den Kontakt zueinander einzustellen und sich aus dem Weg zu gehen. Im Allgemeinen sei zu erwarten, dass in Scheidung lebende Eheleute "weiterhin gemeinsam kochen, einkaufen gehen bzw ihre Freizeit miteinander verbringen". Daher werde "bei vorerst bestehendem gemeinsamen Haushalt der Ehegatten in der aufgekündigten Ehewohnung" dieser "nur durch die bloße Einschränkung der Gemeinsamkeiten während der, der tatsächlichen Trennung und dem Auszug eines der Ehegatten vorangehenden Phase, nicht aufgehoben, dies selbst dann nicht, wenn die Berührungspunkte" wie hier "so gut wie gar nicht mehr vorhanden" gewesen seien. "Jede andere Sicht dieser Konstellation" würde regelmäßig verhindern, dass Mietrechte in einem Scheidungsvergleich nach Paragraph 12, Absatz eins, MRG übertragen werden.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG wird im Fall einer Weitergabe des Bestandgegenstands dann nicht verwirklicht, wenn im Zeitpunkt der Weitergabe derjenigen, dem die Wohnung überlassen wurde, zum Eintritt in den Mietvertrag berechtigt war (immolex 1997/148 [Pfiel] = WoBl 1999, 18 = MietSlg 48.254, 48.347 mwN; immolex 1997/131 = MietSlg 49.356 uva). Entscheidend ist daher, ob der Übernehmer der Wohnung in dem für die Beurteilung des Kündigungsgrunds maßgeblichen Zeitpunkt - der tatsächlichen Weitergabe des Bestandobjekts (SZ 62/200; MietSlg 49.356 uva; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 30 MRG Rz 35 mwN), worunter jede entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung zum regelmäßigen Gebrauch (immolex 1997/123 = MietSlg 49.357; Würth/Zingher aaO § 30 MRG Rz 32 mwN) zu verstehen ist - mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und dessen dringendes Wohnbedürfnis iSd § 14 Abs 3 MRG vorlag (immolex 1997/148). Ein gemeinsamer Haushalt besteht in einem auf Dauer berechneten gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften (stRspr, zB SZ 64/93 uva). Gemeinsames Wirtschaften setzt voraus, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden (Würth/Zingher aaO § 14 MRG Rz 15 mwN), wobei Art und Intensität jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängen (1 Ob 333/97w uva; RIS-Justiz RS0069534). Im maßgeblichen Zeitpunkt August 1997 lebten die Beklagte und ihr Gatte in diesem Sinn nicht im gemeinsamen Haushalt: Es gab kein gemeinsames Wirtschaften, also keine Befriedigung der Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung mehr. Wenngleich die Beurteilung des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts wegen der möglichen Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Mietlg 48.661mwN), was in der Regel eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ausschließt, muss im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage dennoch bejaht werden, liegt es doch im allgemeinen Interesse, Fehlentscheidungen zu verhindern:Der Kündigungsgrund des Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 4, erster Fall MRG wird im Fall einer Weitergabe des Bestandgegenstands dann nicht verwirklicht, wenn im Zeitpunkt der Weitergabe derjenigen, dem die Wohnung überlassen wurde, zum Eintritt in den Mietvertrag berechtigt war (immolex 1997/148 [Pfiel] = WoBl 1999, 18 = MietSlg 48.254, 48.347 mwN; immolex 1997/131 = MietSlg 49.356 uva). Entscheidend ist daher, ob der Übernehmer der Wohnung in dem für die Beurteilung des Kündigungsgrunds maßgeblichen Zeitpunkt - der tatsächlichen Weitergabe des Bestandobjekts (SZ 62/200; MietSlg 49.356 uva; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Paragraph 30, MRG Rz 35 mwN), worunter jede entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung zum regelmäßigen Gebrauch (immolex 1997/123 = MietSlg 49.357; Würth/Zingher aaO Paragraph 30, MRG Rz 32 mwN) zu verstehen ist - mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und dessen dringendes Wohnbedürfnis iSd Paragraph 14, Absatz 3, MRG vorlag (immolex 1997/148). Ein gemeinsamer Haushalt besteht in einem auf Dauer berechneten gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften (stRspr, zB SZ 64/93 uva). Gemeinsames Wirtschaften setzt voraus, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden (Würth/Zingher aaO Paragraph 14, MRG Rz 15 mwN), wobei Art und Intensität jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängen (1 Ob 333/97w uva; RIS-Justiz RS0069534). Im maßgeblichen Zeitpunkt August 1997 lebten die Beklagte und ihr Gatte in diesem Sinn nicht im gemeinsamen Haushalt: Es gab kein gemeinsames Wirtschaften, also keine Befriedigung der Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung mehr. Wenngleich die Beurteilung des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts wegen der möglichen Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Mietlg 48.661mwN), was in der Regel eine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ausschließt, muss im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage dennoch bejaht werden, liegt es doch im allgemeinen Interesse, Fehlentscheidungen zu verhindern:

Der Hinweis der zweiten Instanz auf die besonderen Umstände bei den in Scheidung lebenden Ehegatten geht fehl: Bereits zur früheren gleichen Rechtslage des § 19 Abs 2 Z 10 MG wurde ausgesprochen, die Bestimmung finde auch für den Fall der Ehescheidung auf den in der Wohnung zurückbleibenden Ehegatten Anwendung, jedoch mit der Einschränkung, dass bis zum Zeitpunkt der Überlassung ein gemeinsamer Haushalt iSd Gesetzes bestanden haben müsse. Diese Voraussetzung wäre dann gegeben, wenn sich die Ehegatten schon anläßlich der Scheidung in der Weise einig werden, dass ein Eheteil die Wohnung verlässt und sie dem anderen Teil überlässt oder die Überlassung erst nach der Scheidung erfolgt, die geschiedenen Gatten aber bis dahin noch im gemeinsamen Haushalt wohnen (MietSlg 4.665, 5.198; SZ 43/99 = MietSlg 22.432; RIS-Justiz RS0057856). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Von solchen Umständen kann indes hier - bei richtiger Beurteilung des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts - keine Rede sein.Der Hinweis der zweiten Instanz auf die besonderen Umstände bei den in Scheidung lebenden Ehegatten geht fehl: Bereits zur früheren gleichen Rechtslage des Paragraph 19, Absatz 2, Ziffer 10, MG wurde ausgesprochen, die Bestimmung finde auch für den Fall der Ehescheidung auf den in der Wohnung zurückbleibenden Ehegatten Anwendung, jedoch mit der Einschränkung, dass bis zum Zeitpunkt der Überlassung ein gemeinsamer Haushalt iSd Gesetzes bestanden haben müsse. Diese Voraussetzung wäre dann gegeben, wenn sich die Ehegatten schon anläßlich der Scheidung in der Weise einig werden, dass ein Eheteil die Wohnung verlässt und sie dem anderen Teil überlässt oder die Überlassung erst nach der Scheidung erfolgt, die geschiedenen Gatten aber bis dahin noch im gemeinsamen Haushalt wohnen (MietSlg 4.665, 5.198; SZ 43/99 = MietSlg 22.432; RIS-Justiz RS0057856). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Von solchen Umständen kann indes hier - bei richtiger Beurteilung des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts - keine Rede sein.

Auf die Frage des dringenden Wohnbedarfs des vormaligen Ehegatten der Beklagten kommt es nicht mehr an.

Dem Rechtsmittel ist Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.Die Kostenentscheidung fußt auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E57566

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00305.99F.0328.000

Im RIS seit

27.04.2000

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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