TE OGH 2000/3/29 6Ob85/00v

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul L*****, vertreten durch Dr. Dieter Beimrohr, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei Anna L*****, vertreten durch Dr. Robert Mogy, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Abgabe einer Löschungserklärung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 22. Dezember 1999, GZ 3 R 214/99a-40, mit dem auf Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 18. Mai 1999, GZ 4 C 2433/98s-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer einer land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft mit einem Wohnhaus sowie einem Auszugshaus. Der Rechtsvorgänger des Klägers hatte die Liegenschaft 1922 gekauft und dabei der Beklagten (seiner Schwester) sowie einer weiteren Schwester auf die Dauer ihres Ledigenstandes die Dienstbarkeit des Wohnens im Auszugshaus eingeräumt. Außerdem wurde der Beklagten ein Holzbezugsrecht aus dem auf der Liegenschaft befindlichen Wald eingeräumt. Im Grundbuch wurden für die Beklagte die Dienstbarkeit des Wohnens und die Reallast des Holzbezuges einverleibt.

Der Kläger begehrt die Einwilligung zur Löschung der Dienstbarkeit und der Reallast im Grundbuch. Die Beklagte habe ihre Rechte seit mehr als 30 Jahren nicht ausgeübt. Es liege eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB vor, weil der Kläger der Beklagten die Ausübung ihrer Rechte unmöglich gemacht habe. Der Kläger habe die Wohnung verfallen lassen.Der Kläger begehrt die Einwilligung zur Löschung der Dienstbarkeit und der Reallast im Grundbuch. Die Beklagte habe ihre Rechte seit mehr als 30 Jahren nicht ausgeübt. Es liege eine Freiheitsersitzung nach Paragraph 1488, ABGB vor, weil der Kläger der Beklagten die Ausübung ihrer Rechte unmöglich gemacht habe. Der Kläger habe die Wohnung verfallen lassen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei seiner Instandhaltungspflicht nicht nachgekommen. Er habe den Brunnen abmontiert, den Balkon abgetragen und die Toilette entfernt. Deswegen habe die Beklagte woanders Wohnung nehmen müssen.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Sie gingen dabei von folgenden weiteren Feststellungen aus:

Die Beklagte habe bis 1968 ihre bücherlichen Rechte ausgeübt. In den letzten 20 Jahren habe sie sich nicht mehr auf der Liegenschaft des Klägers aufgehalten. Dieser habe keine Erhaltungsmaßnahmen gesetzt. Seit 10 bis 15 Jahren befinde sich das Auszugshaus in einem so desolaten Zustand, dass ein Wohnen darin nicht möglich sei. Die Wiederherstellung des Auszugshauses sei mit wirtschaftlichen Mitteln nicht möglich. 1994 habe der Kläger die Zustimmung der beklagten Servitutsberechtigten zu einer Grundstücksabschreibung verlangt. Die Beklagte habe dies abgelehnt und ihrerseits eine Instandsetzung der Dienstbarkeitsräumlichkeiten verlangt. Der Kläger habe dies schriftlich abgelehnt. Die Beklagte habe dagegen nichts weiter unternommen.

Das Berufungsgericht bejahte hinsichtlich der Dienstbarkeit des Wohnens eine Verjährung nach § 1488 ABGB, hinsichtlich der Reallast des Holzbezuges eine Verjährung wegen Nichtausübung über mehr als 30 Jahre. Es stehe unbekämpft fest, dass der Kläger 1994 von der Beklagten erfolglos zur Instandsetzung der Dienstbarkeitswohnung aufgefordert worden sei. Die Beklagte hätte innerhalb von drei Jahren ihren Anspruch gerichtlich geltend machen müssen (§ 1488 ABGB). Wegen Widersetzlichkeit des Klägers sei die Dienstbarkeit verjährt. Bei der Reallast des Holzbezuges komme zwar § 1488 ABGB nicht in Betracht, hier greife aber die 30-jährige Verjährung.Das Berufungsgericht bejahte hinsichtlich der Dienstbarkeit des Wohnens eine Verjährung nach Paragraph 1488, ABGB, hinsichtlich der Reallast des Holzbezuges eine Verjährung wegen Nichtausübung über mehr als 30 Jahre. Es stehe unbekämpft fest, dass der Kläger 1994 von der Beklagten erfolglos zur Instandsetzung der Dienstbarkeitswohnung aufgefordert worden sei. Die Beklagte hätte innerhalb von drei Jahren ihren Anspruch gerichtlich geltend machen müssen (Paragraph 1488, ABGB). Wegen Widersetzlichkeit des Klägers sei die Dienstbarkeit verjährt. Bei der Reallast des Holzbezuges komme zwar Paragraph 1488, ABGB nicht in Betracht, hier greife aber die 30-jährige Verjährung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Die Anwendbarkeit der Verjährungsbestimmung des § 1488 ABGB auf die Dienstbarkeit der Wohnung (§ 521 ABGB) ist schon nach dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung nicht zu bezweifeln. Die Revision führt zu diesem Thema nur die Begründung der Entscheidung GlU 3100 ins Treffen, wonach § 1488 ABGB auf ein in einem Ausgedingevertrag vereinbartes servitutsähnliches Wohnrecht nicht anwendbar sei. Die Revision vermag aber nicht ausreichend darzulegen, warum hier von einem Ausgedingevertrag anlässlich des Kaufs der Liegenschaft durch den Rechtsvorgänger des Klägers und bei der Einräumung des Wohnrechtes und des Holzbezugsrechtes an die Schwestern des Käufers ausgegangen werden könnte. Das Ausgedinge ist eine besondere, regelmäßig durch Rechtsgeschäft begründete, bäuerlichen Übergabsverträgen typische, der Versorgung (dem Unterhalt) des (Hof-)Übergebers und naher Angehöriger dienende und daher auf seine Lebenszeit beschränkte Zusammenfassung verschiedener Leistungspflichten zu einer Einheit, bei der das Element der Reallast überwiegt und die deshalb insgesamt nach deren Regeln behandelt wird. Es ist höchstpersönlich und daher regelmäßig auch nicht der Ausübung nach übertragbar (4 Ob 199/97m mwN). Selbst wenn man hier von mehreren (zwei) Leistungspflichten ausginge (Duldung des Wohnens und Bereitstellung von Heizmaterial) setzte ein Ausgedinge einen Versorgungscharakter voraus. Dass ein solcher für den Käufer der Liegenschaft bestanden hätte, wurde nicht ausreichend behauptet und nachgewiesen. Die Revision zeigt zu diesem Thema auch keinerlei Argumente auf. Der Umstand allein, dass zwei verschiedene dingliche Rechte begründet wurden, rechtfertigt noch nicht die Qualifikation als Ausgedinge.Die Anwendbarkeit der Verjährungsbestimmung des Paragraph 1488, ABGB auf die Dienstbarkeit der Wohnung (Paragraph 521, ABGB) ist schon nach dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung nicht zu bezweifeln. Die Revision führt zu diesem Thema nur die Begründung der Entscheidung GlU 3100 ins Treffen, wonach Paragraph 1488, ABGB auf ein in einem Ausgedingevertrag vereinbartes servitutsähnliches Wohnrecht nicht anwendbar sei. Die Revision vermag aber nicht ausreichend darzulegen, warum hier von einem Ausgedingevertrag anlässlich des Kaufs der Liegenschaft durch den Rechtsvorgänger des Klägers und bei der Einräumung des Wohnrechtes und des Holzbezugsrechtes an die Schwestern des Käufers ausgegangen werden könnte. Das Ausgedinge ist eine besondere, regelmäßig durch Rechtsgeschäft begründete, bäuerlichen Übergabsverträgen typische, der Versorgung (dem Unterhalt) des (Hof-)Übergebers und naher Angehöriger dienende und daher auf seine Lebenszeit beschränkte Zusammenfassung verschiedener Leistungspflichten zu einer Einheit, bei der das Element der Reallast überwiegt und die deshalb insgesamt nach deren Regeln behandelt wird. Es ist höchstpersönlich und daher regelmäßig auch nicht der Ausübung nach übertragbar (4 Ob 199/97m mwN). Selbst wenn man hier von mehreren (zwei) Leistungspflichten ausginge (Duldung des Wohnens und Bereitstellung von Heizmaterial) setzte ein Ausgedinge einen Versorgungscharakter voraus. Dass ein solcher für den Käufer der Liegenschaft bestanden hätte, wurde nicht ausreichend behauptet und nachgewiesen. Die Revision zeigt zu diesem Thema auch keinerlei Argumente auf. Der Umstand allein, dass zwei verschiedene dingliche Rechte begründet wurden, rechtfertigt noch nicht die Qualifikation als Ausgedinge.

Bei der zutreffend bejahten Anwendbarkeit des § 1488 ABGB auf die Servitut des Wohnens beruht die Annahme der Freiheitsersitzung infolge der Weigerung des Klägers, der Forderung nach Instandsetzung der Wohnräumlichkeiten nachzukommen, auf keiner rechtlichen Fehlbeurteilung. Für die Widersetzlichkeit genügt es, dass der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten unmöglich macht oder doch beeinträchtigt und der Berechtigte davon bei gewöhnlicher Sorgfalt zumindest Kenntnis erlangen konnte (SZ 58/98). Der Verlust des Rechts, das auf ein Dulden gerichtet ist, tritt durch die Widersetzlichkeit des zur Duldung Verpflichteten dann ein, wenn es der Besitzer bei der Widersetzlichkeit bewenden lässt und die Erhaltung des Besitzes nicht fristgerecht einklagt. Auch ein bloß verbales Verhalten, wie ein augesprochenes Verbot oder eine Drohung, wird als ausreichende Widersetzlichkeit anerkannt, wenn sich der Dienstbarkeitsberechtigte fügt (1 Ob 2188/96p mwN). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Wenn auch das bloße Leugnen des fremden Rechts noch nicht als Errichtung eines Hindernisses qualifiziert werden kann, so kann dies hier aber in der Unterlassung der für das Wohnen unbedingt erforderlichen Instandsetzung erblickt werden. Selbst wenn man aber auch diese Untätigkeit für noch nicht ausreichend erachtete und ein aktives Tun für erforderlich hielte, wäre damit für die Beklagte noch nichts gewonnen, weil der Kläger nach ihren eigenen Angaben selbst die Unbewohnbarkeit des Servitutsobjektes aktiv herbeigeführt hat (ua durch das Entfernen der Toilette).Bei der zutreffend bejahten Anwendbarkeit des Paragraph 1488, ABGB auf die Servitut des Wohnens beruht die Annahme der Freiheitsersitzung infolge der Weigerung des Klägers, der Forderung nach Instandsetzung der Wohnräumlichkeiten nachzukommen, auf keiner rechtlichen Fehlbeurteilung. Für die Widersetzlichkeit genügt es, dass der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten unmöglich macht oder doch beeinträchtigt und der Berechtigte davon bei gewöhnlicher Sorgfalt zumindest Kenntnis erlangen konnte (SZ 58/98). Der Verlust des Rechts, das auf ein Dulden gerichtet ist, tritt durch die Widersetzlichkeit des zur Duldung Verpflichteten dann ein, wenn es der Besitzer bei der Widersetzlichkeit bewenden lässt und die Erhaltung des Besitzes nicht fristgerecht einklagt. Auch ein bloß verbales Verhalten, wie ein augesprochenes Verbot oder eine Drohung, wird als ausreichende Widersetzlichkeit anerkannt, wenn sich der Dienstbarkeitsberechtigte fügt (1 Ob 2188/96p mwN). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Wenn auch das bloße Leugnen des fremden Rechts noch nicht als Errichtung eines Hindernisses qualifiziert werden kann, so kann dies hier aber in der Unterlassung der für das Wohnen unbedingt erforderlichen Instandsetzung erblickt werden. Selbst wenn man aber auch diese Untätigkeit für noch nicht ausreichend erachtete und ein aktives Tun für erforderlich hielte, wäre damit für die Beklagte noch nichts gewonnen, weil der Kläger nach ihren eigenen Angaben selbst die Unbewohnbarkeit des Servitutsobjektes aktiv herbeigeführt hat (ua durch das Entfernen der Toilette).

Mangels erheblicher Rechtsfragen ist die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat, sind ihm keine Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

Anmerkung

E57484 06A00850

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0060OB00085.00V.0329.000

Dokumentnummer

JJT_20000329_OGH0002_0060OB00085_00V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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