Kopf
Beschluss
Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Fußenegger als Vorsitzenden sowie Dr. Kempf und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei Abdullah ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Hirsch und Dr. Ursula Leissing, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagten Parteien 1. Florian T***** 2. A*****, beide vertreten durch Lenz & Luger Rechtsanwälte OEG in Dornbirn, wegen ATS 30.000,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei (Rekursinteresse ATS 18.447,18) gegen die im Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 21. Jänner 2000, 4 C 618/99 p - 20, enthaltene Kostenentscheidung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung (Punkt 2. des Spruches) dahin abgeändert, dass sie lautet:
" 2. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit ATS 10.742,35 (darin enthalten an USt ATS 1.068,89 und an Barauslagen ATS 4.329,--) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen."
Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit ATS 2.680,12 (darin enthalten an USt ATS 446,68) bestimmten Rekurskosten zu ersetzen. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit der beim Erstgericht am 15.4.1999 eingelangten Klage begehrt der Kläger Schmerzengeld in Höhe von ATS 30.000,-- mit der Behauptung, er habe bei einem vom Erstbeklagten am 7.6.1997 in Lochau allein verschuldeten Verkehrsunfall eine Halswirbelsäulenzerrung erlitten. Auf Grund eines bei Primarius Dr. ***** in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens vom 16.10.1997 habe die zweitbeklagte Partei eine Schmerzengeldzahlung von ATS 40.000,-- geleistet. Nachträglich habe sich herausgestellt, dass die Prognose des Sachverständigen Dr. ***** nicht richtig gewesen sei, wonach noch bestehende Beschwerden im Laufe von drei weiteren Monaten ab der Begutachtung abklingen würden. Tatsächlich seien noch drei weitere Wochen leichte Schmerzen im Sinne einer Kompression dazugekommen, sodass ein ergänzender Schmerzengeldanspruch von ATS 30.000,-- gerechtfertigt sei.
Die beklagten Parteien bestritten und wendeten ein, sämtliche unfallskausalen Ansprüche des Klägers seien mit der Überweisung eines Pauschalbetrages von ATS 40.000,-- abgegolten worden. Die vom Kläger nunmehr geschilderten Beschwerden seien nicht unfallskausal. Mit dem in der Hauptsache unangefochten gebliebenen Urteil vom 21.1.2000 verpflichtete das Erstgericht die beklagten Parteien zur Bezahlung von ATS 7.000,-- samt 4 % Zinsen seit 21.11.1998 an den Kläger. Der Kläger wurde schuldig erkannt, den beklagten Parteien die mit ATS 7.731,83 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Offensichtlich auf Grund eines Versehens unterblieb die Abweisung eines Mehrbegehrens von weiteren ATS 23.000,--sA.
Die Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf die Bestimmung des § 43 Abs 1 ZPO. Der Kläger sei nur mit ungefähr 1/4 seiner ursprünglichen Forderung durchgedrungen, mit etwa 3/4 jedoch unterlegen, sodass er verpflichtet sei, den beklagten Parteien die Hälfte ihrer Kosten zu ersetzen. § 43 Abs 2 ZPO sei nicht anzuwenden, weil eine "Überklagung" vorliege.Die Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf die Bestimmung des Paragraph 43, Absatz eins, ZPO. Der Kläger sei nur mit ungefähr 1/4 seiner ursprünglichen Forderung durchgedrungen, mit etwa 3/4 jedoch unterlegen, sodass er verpflichtet sei, den beklagten Parteien die Hälfte ihrer Kosten zu ersetzen. Paragraph 43, Absatz 2, ZPO sei nicht anzuwenden, weil eine "Überklagung" vorliege.
Allein gegen den Kostenspruch richtet sich der rechtzeitig erhobene Rekurs des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die beklagten Parteien verpflichtet werden, ihm an Prozesskosten ATS 10.742,35 zu bezahlen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist begründet.
Der Kläger verweist zutreffend auf die mittlerweile ständige Rechtsprechung (ZVR 1979/143; ZVR 1993/30; WR 643; WR 695; 1 R 72/95, 1 R 499/96 g, 1 R 107/99 m, 4 R 178/99 p, alle LG Feldkirch uva) und Lehre (Michael Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozess 260), dass der Regelungszweck des § 43 Abs 2 2. Fall ZPO den Kläger in jenen Fällen vor den Kostenfolgen eines Teilunterliegens schützen soll, in denen es von vornherein kaum möglich, jedenfalls aber unzumutbar ist, die Höhe der bestehenden Forderung einigermaßen exakt festzustellen. Schon die EB zum ZPO-Entwurf haben darauf hingewiesen, dass es in vielen Fällen gar nicht möglich sei, eine Mehrforderung zu vermeiden (vgl Bydlinski, aaO 248 mwN). Dieser Regelungszweck kann weder durch Teilanerkenntnisurteil noch durch Teilzahlung verändert werden. Aber nicht nur Teilzahlungen während des Verfahrens, sondern auch solche vor der Klagseinbringung müssen bei der Beurteilung der Überklagung unberücksichtigt bleiben. Denn die Schwierigkeit der Ermittlung der genauen Höhe und der damit untrennbar verbundenen Ausmittlung der Obergrenze des vernünftigerweise zu erwartenden Entscheidungsspielraumes des Gerichtes kann sinnvoller Weise nur durch die Gegenüberstellung des zustehenden Gesamtbetrages und des insgesamt begehrten Betrages unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Die vom Kläger "erhobene Forderung" im Sinne des § 43 Abs 2 2. Fall ZPO ist diesem Regelungszweck entsprechend nicht auf die (zuletzt) eingeklagte Forderung beschränkt, sondern umfasst die gesamte Forderung, die er ohne Rücksicht auf Zahlungen und Anerkenntnisse geltend macht. In den oben zitierten Entscheidungen ging es immer darum, dass Teilzahlungen oder Anerkenntnisse auf einen in einem bestimmten Rechtsstreit erstmals zur Entscheidung anstehenden Schmerzengeldgesamtanspruch geleistet bzw abgegeben wurden. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenen aber insoweit, als hier eine ergänzende Schmerzengeldbemessung begehrt und vorgenommen wurde.Der Kläger verweist zutreffend auf die mittlerweile ständige Rechtsprechung (ZVR 1979/143; ZVR 1993/30; WR 643; WR 695; 1 R 72/95, 1 R 499/96 g, 1 R 107/99 m, 4 R 178/99 p, alle LG Feldkirch uva) und Lehre (Michael Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozess 260), dass der Regelungszweck des Paragraph 43, Absatz 2, 2. Fall ZPO den Kläger in jenen Fällen vor den Kostenfolgen eines Teilunterliegens schützen soll, in denen es von vornherein kaum möglich, jedenfalls aber unzumutbar ist, die Höhe der bestehenden Forderung einigermaßen exakt festzustellen. Schon die EB zum ZPO-Entwurf haben darauf hingewiesen, dass es in vielen Fällen gar nicht möglich sei, eine Mehrforderung zu vermeiden vergleiche Bydlinski, aaO 248 mwN). Dieser Regelungszweck kann weder durch Teilanerkenntnisurteil noch durch Teilzahlung verändert werden. Aber nicht nur Teilzahlungen während des Verfahrens, sondern auch solche vor der Klagseinbringung müssen bei der Beurteilung der Überklagung unberücksichtigt bleiben. Denn die Schwierigkeit der Ermittlung der genauen Höhe und der damit untrennbar verbundenen Ausmittlung der Obergrenze des vernünftigerweise zu erwartenden Entscheidungsspielraumes des Gerichtes kann sinnvoller Weise nur durch die Gegenüberstellung des zustehenden Gesamtbetrages und des insgesamt begehrten Betrages unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Die vom Kläger "erhobene Forderung" im Sinne des Paragraph 43, Absatz 2, 2. Fall ZPO ist diesem Regelungszweck entsprechend nicht auf die (zuletzt) eingeklagte Forderung beschränkt, sondern umfasst die gesamte Forderung, die er ohne Rücksicht auf Zahlungen und Anerkenntnisse geltend macht. In den oben zitierten Entscheidungen ging es immer darum, dass Teilzahlungen oder Anerkenntnisse auf einen in einem bestimmten Rechtsstreit erstmals zur Entscheidung anstehenden Schmerzengeldgesamtanspruch geleistet bzw abgegeben wurden. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenen aber insoweit, als hier eine ergänzende Schmerzengeldbemessung begehrt und vorgenommen wurde.
Grundsätzlich ist das Schmerzengeld vom Richter nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat oder voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, global, dh als Gesamtentschädigung - also mit einem Kapitalbetrag - , festzusetzen. Eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes oder die Geltendmachung bloß eines Teilbetrages hievon ist nur aus besonderen, vom Kläger darzulegenden Gründen zulässig, weil jede andere Vorgangsweise dem bereits erwähnten Grundsatz der Globalbemessung zuwiderliefe (Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld7 166 mwN). Eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung wird demnach nur dann für zulässig erachtet, wenn eine Globalbemessung versagt, weil etwa einem Kläger gegenüber einem Vorprozess oder einer außergerichtlich erfolgten Einigung und der dort vorgenommenen Globalbemessung weitere, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vorerst nicht zu erwartende, aus der damaligen Sicht daher nicht abschätzbare, aber dennoch kausale Unfallsfolgen, verbunden mit weiteren Schmerzbeeinträchtigungen, mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war, entstanden sind. Allerdings darf der Zuspruch von Schmerzengeld im Rahmen von Teilbemessungen für verschiedene Zeiträume nicht dazu führen, dass ein Geschädigter unter Umständen ein höheres Schmerzengeld bekommt, als er bei einer einzigen Globalbemessung bekommen hätte (RIS-Justiz RS0031235, RS0031064, RS0031323; ZVR 1999/50 mwN). Frühere Teilzahlungen sind bei der endgültigen Bemessung des Schmerzengeldes entsprechend der inzwischen gesunkenen Kaufkraft des Geldes aufzuwerten (RIS-Justiz RS0031242; ZVR 1999/48; ZVR 1999/50).Grundsätzlich ist das Schmerzengeld vom Richter nach freier Überzeugung (Paragraph 273, ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat oder voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, global, dh als Gesamtentschädigung - also mit einem Kapitalbetrag - , festzusetzen. Eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes oder die Geltendmachung bloß eines Teilbetrages hievon ist nur aus besonderen, vom Kläger darzulegenden Gründen zulässig, weil jede andere Vorgangsweise dem bereits erwähnten Grundsatz der Globalbemessung zuwiderliefe (Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld7 166 mwN). Eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung wird demnach nur dann für zulässig erachtet, wenn eine Globalbemessung versagt, weil etwa einem Kläger gegenüber einem Vorprozess oder einer außergerichtlich erfolgten Einigung und der dort vorgenommenen Globalbemessung weitere, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vorerst nicht zu erwartende, aus der damaligen Sicht daher nicht abschätzbare, aber dennoch kausale Unfallsfolgen, verbunden mit weiteren Schmerzbeeinträchtigungen, mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war, entstanden sind. Allerdings darf der Zuspruch von Schmerzengeld im Rahmen von Teilbemessungen für verschiedene Zeiträume nicht dazu führen, dass ein Geschädigter unter Umständen ein höheres Schmerzengeld bekommt, als er bei einer einzigen Globalbemessung bekommen hätte (RIS-Justiz RS0031235, RS0031064, RS0031323; ZVR 1999/50 mwN). Frühere Teilzahlungen sind bei der endgültigen Bemessung des Schmerzengeldes entsprechend der inzwischen gesunkenen Kaufkraft des Geldes aufzuwerten (RIS-Justiz RS0031242; ZVR 1999/48; ZVR 1999/50).
Nach Ansicht des Rekursgerichtes macht es nun in kostenmäßiger Hinsicht keinen Unterschied, ob Teilzahlungen auf einen in einem bestimmten Rechtsstreit erstmals zur Entscheidung anstehenden Schmerzengeldgesamtanspruch geleistet worden sind oder ob außergerichtlich für vorhersehbare Beschwerden ein bestimmter Schmerzengeldbetrag bezahlt worden ist und sich nachträglich herausstellt, eine ergänzende Schmerzengeldbemessung sei notwendig und berechtigt. In beiden Fällen ist nämlich so vorzugehen, dass die gesamten bisher entstandenen und wiederum zukünftig abschätzbaren Schmerzen zu berücksichtigen (und zu bewerten) sind. Auch stellt sich in beiden Fällen für den Kläger dasselbe Problem, dass er nämlich die Gesamthöhe der Forderung nur einschätzen kann und diese Höhe letztlich von der Ausmittlung durch Sachverständige und vom richterlichen Ermessen abhängig ist.
So wurde auch hier der Sachverständige Dr. ***** beauftragt, ein Gutachten darüber zu erstatten, welche Schmerzen leichter, mittlerer und starker Art der Kläger als Folge des Unfallsereignisses vom 7.6.1997 in Lochau zu erleiden hatte (AS 31). Der Sachverständige Dr. ***** hat auch in diesem Sinn das Gutachten ON 14 verfasst und nicht nur die vom Privatgutachten Dr. Häfele nicht umfassten Schmerzperioden angegeben.
Obwohl sich weder das Erstgericht noch die Parteien in erster Instanz damit ausdrücklich auseinandersetzten, welcher Gesamtschmerzengeldbetrag gefordert wird bzw berechtigt wäre, ist doch im Sinne der oben dargelegten Rechtsausführungen davon auszugehen, dass auch in diesem Verfahren an sich eine Globalbemessung vorzunehmen war und die von der zweitbeklagten Partei geleisteten ATS 40.000,-- letztlich nur als "Teilzahlung" - zumindest in kostenmäßiger Hinsicht - zu werten sind.
Diese Überlegungen führen dazu, dass der Kläger insgesamt ATS 70.000,-- angesprochen hat und damit mit ATS 47.000,-- durchgedrungen ist. Da die ständige Rechtsprechung eine Überklagung etwa erst dann annimmt, wenn mehr als doppelt soviel eingeklagt als zugesprochen wird und dies hier nicht der Fall ist, bestehen gegen die Anwendung des § 43 Abs 2 2. Fall ZPO keine Bedenken. Davon ausgehend hat der Kläger in seinem Rekurs zutreffend die ihm entstandenen Kosten auf Basis des ersiegten Betrages von ATS 7.000,-- verzeichnet, was eine Gesamtsumme von ATS 10.742,35 ergibt. Somit ist dem Rekurs des Klägers Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung wie im Spruch abzuändern.Diese Überlegungen führen dazu, dass der Kläger insgesamt ATS 70.000,-- angesprochen hat und damit mit ATS 47.000,-- durchgedrungen ist. Da die ständige Rechtsprechung eine Überklagung etwa erst dann annimmt, wenn mehr als doppelt soviel eingeklagt als zugesprochen wird und dies hier nicht der Fall ist, bestehen gegen die Anwendung des Paragraph 43, Absatz 2, 2. Fall ZPO keine Bedenken. Davon ausgehend hat der Kläger in seinem Rekurs zutreffend die ihm entstandenen Kosten auf Basis des ersiegten Betrages von ATS 7.000,-- verzeichnet, was eine Gesamtsumme von ATS 10.742,35 ergibt. Somit ist dem Rekurs des Klägers Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung wie im Spruch abzuändern.
Gemäß §§ 50, 41 ZPO, § 11 RATG haben die beklagten Parteien dem Kläger die auf Basis des Rekurserfolges von ATS 18.447,18 nach TP 3 A RATG richtig verzeichneten Rekurskosten zu ersetzen.Gemäß Paragraphen 50,, 41 ZPO, Paragraph 11, RATG haben die beklagten Parteien dem Kläger die auf Basis des Rekurserfolges von ATS 18.447,18 nach TP 3 A RATG richtig verzeichneten Rekurskosten zu ersetzen.
Anmerkung
EFE0054 04r00570European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00929:2000:00400R00057.00P.0330.000Dokumentnummer
JJT_20000330_LG00929_00400R00057_00P0000_000