TE OGH 2000/4/7 7Ob65/00k

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Veröffentlicht am 07.04.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Siegfried M*****, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen (restlicher) Feststellung (Streitwert S 250.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 1999, GZ 12 R 120/99a-39, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. April 1999, GZ 20 Cg 11/96a-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist Eigentümerin eines Grundstücks in ***** W***** und will darauf eine Reihenhaussiedlung errichten. Unstrittig ist ferner, dass sie in diesem Zusammenhang den beklagten Architekten beauftragte, bereits vorhandene Planunterlagen zu überprüfen und neue Pläne im Maßstab 1 : 100 anzufertigen.

Mit der Klage begehrt die klagende Partei die Feststellung, dass der Beklagte für sämtliche Schäden, die sie in Hinkunft dadurch erleide, dass er "die Bauplan- und Einreichunterlagen betreffend das Objekt G***** W*****, mangelhaft überprüfte bzw fehlerhaft anfertigte, haftet". Während der Bauausführung habe sich herausgestellt, dass die Höhen größtenteils überschritten wurden (bis zu 0,42 m), weshalb es zu Baueinstellungen und Genehmigungsversagungen gekommen sei. Die Ursache des Mangels sei in der unrichtigen Planung des Beklagten gelegen. Ihr entstünden hiedurch umfangreiche Kosten, wobei aber die genaue Höhe des zu erwartenden Schadens noch nicht feststehe.

Der Beklagte begehrte die Klage abzuweisen. Er habe dem ihm erteilten Auftrag entsprochen; die Klägerin habe ihm auch das hiefür in Rechnung gestellte Honorar von S 132.000,-- anstandslos gezahlt.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in Ansehung der Ablehnung einer Haftung des Beklagten zufolge mangelhafter Überprüfung der Bauplan- und Einreichungsunterlagen. Insoweit ist die Abweisung des Klagebegehrens in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Es führte zum zweiten Teil des Klagebegehrens (betreffend eine fehlerhafte Anfertigung von Bauplan- und Einreichunterlagen) aus, dass es erforderlich gewesen wäre, die behaupteten Fehler des Beklagten zu präzisieren. Ohne eine solche Präzisierung müsste in einem späteren Leistungsprozess neu geprüft werden, welche Leistungen der Beklagte überhaupt erbringen sollte, inwieweit er diese nicht oder fehlerhaft erbrachte und welche Schäden daraus resultierten. Der Sinn eines nicht präzisierten Feststellungsbegehrens wäre äußerst fraglich. Mangels Erörterung in erster Instanz sei der klagenden Partei die Möglichkeit zu geben, ihr Vorbringen und ihr Begehren entsprechend zu präzisieren.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin vor, der Beklagte habe den Auftrag erhalten, Planunterlagen, (Bauplan, Einreich- und Vergabepläne) für das gegenständliche Objekt mit richtigen Maßen und Kotierungen zu erstellen und bei der Behörde zu prüfen, ob anhand der bestehenden Baugenehmigung das Bauwerk realisierbar sei. Dem Beklagten seien folgende Mängel anzulasten: Unrichtige Annahme bzw unrichtige Darstellung der Höhe der Kosten, falsche Einzeichnung und Projektierung eines Kanals, Planungsfehler in Bezug auf Bauwich, Stiegenläufe und Höhen des Bauwerks.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das restliche (von der Klägerin unverändert gelassene) Klagebegehren ab. Der Beklagte habe den Auftrag der Klägerin zur Gänze erfüllt; es seien ihm keine Planungs- bzw Übertragungsfehler unterlaufen.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen diese Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000,--, nicht jedoch S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Klägerin habe im zweiten Rechtsgang zwar ihr Vorbringen ergänzt, ihr (restliches) Begehren aber (wieder) nicht konkretisiert. Dies müsse zur Abweisung auch des (restlichen) Klagebegehrens führen. Dieses sei nämlich in Bezug auf das dem Beklagten bei Anfertigung der Bauplan- und Einreichunterlagen angeblich unterlaufene Fehlverhalten nicht konkretisiert, daher zu unbestimmt und damit nicht geeignet, künftige Unsicherheiten zu beseitigen. Ein rechtliches Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung sei daher zu verneinen. Das Gericht könne nur in der Stilisierung des Urteilsspruchs vom gestellten Begehren abweichen, dürfe diesem aber nicht eine abweichende, sachliche Fassung geben. Eine amtswegige Umformulierung des Klagebegehrens unter Einbeziehung des im zweiten Rechtsgang erstatteten Vorbringens der Klägerin komme daher nicht in Betracht. Schon deswegen habe das Erstgericht das noch offene Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen sei, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, auf die geltend gemachten Berufungsgründe einzugehen.

Zur Zulässigkeit der Revision führte das Erstgericht aus, der Frage der notwendigen Konkretisierung eines Feststellungsbegehrens für die Haftung aus angeblichen Fehlleistungen komme über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zu; zu diesem Thema fehle eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, die eine Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Stattgebung des noch streitumfangenen Klagebegehrens, in eventu die Aufhebung des Berufungsurteils und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht anstrebt, ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Gemäß § 226 Abs 1 ZPO hat die Klage ua insbesondere ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Nach stRsp dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagebegehrens allerdings nicht überspannt werden (4 Ob 551/95 = WoBl 1996, 73/19). Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließliche Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen. Bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des § 226 ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauches und Ortsgebrauches und nach den Regeln des Verkehres daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RIS-Justiz RS0037874 mit über 80 Entscheidungsnachweisen; zuletzt etwa 6 Ob 104/99h; 5 Ob 72/98t = MietSlg 49.111 = immolex 1997/137 = NZ 1998, 332). Nach stRsp muss auch in Feststellungsklagen das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis inhaltlich und umfänglich genau und zweifelsfrei bezeichnet werden. Der prozessökonomische Zweck einer Feststellungsklage liegt darin, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht. Ist ein Begehren unbestimmt, kann das erfließende Urteil die Aufgabe der Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nicht erfüllen. Es ist daher erforderlich, das Feststellungsbegehren ausreichend zu individualisieren (RIS-Justiz RS0037437; vgl etwa zuletzt 1 Ob 257/99x).Gemäß Paragraph 226, Absatz eins, ZPO hat die Klage ua insbesondere ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Nach stRsp dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagebegehrens allerdings nicht überspannt werden (4 Ob 551/95 = WoBl 1996, 73/19). Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließliche Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen. Bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des Paragraph 226, ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauches und Ortsgebrauches und nach den Regeln des Verkehres daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RIS-Justiz RS0037874 mit über 80 Entscheidungsnachweisen; zuletzt etwa 6 Ob 104/99h; 5 Ob 72/98t = MietSlg 49.111 = immolex 1997/137 = NZ 1998, 332). Nach stRsp muss auch in Feststellungsklagen das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis inhaltlich und umfänglich genau und zweifelsfrei bezeichnet werden. Der prozessökonomische Zweck einer Feststellungsklage liegt darin, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht. Ist ein Begehren unbestimmt, kann das erfließende Urteil die Aufgabe der Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nicht erfüllen. Es ist daher erforderlich, das Feststellungsbegehren ausreichend zu individualisieren (RIS-Justiz RS0037437; vergleiche etwa zuletzt 1 Ob 257/99x).

Ausgehend von diesen Grundsätzen erscheint das gegenständliche Feststellungsbegehren ausreichend bestimmt: Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes bedarf es keiner näheren Präzisierung, inwiefern die Pläne und Unterlagen des Beklagten "fehlerhaft angefertigt" worden seien. Dass unter fehlerhaft nur "nicht dem Auftrag der klagenden Partei entsprechend" verstanden werden kann, ist nach deren Vorbringen unzweifelhaft. Auch hat die Klägerin im zweiten Rechtsgang detailliert ausgeführt, welche Fehler und Mängel dem Beklagten vorgeworfen werden. Eine Aufzählung dieser Fehler und Mängel im Begehren könnte naturgemäß nicht alle Eventualitäten bedenken und müsste letzten Endes wiederum unvollständig bleiben. Will man die Anforderungen an die Bestimmtheit des Feststellungsbegehrens, mit dem die klagende Partei hier vorbeugenden Rechtsschutz anstrebt, nicht überspannen, so erscheint die gewählte Formulierung ausreichend, um das strittige Rechtsverhältnis klarzulegen: der Beklagten soll für alle - erst künftighin bezifferbaren oder erst in Zukunft entstehenden - Schäden haften, die dadurch entstanden sind oder entstehen werden, dass er dem Werkauftrag der Klägerin nicht oder nur mangelhaft entsprochen hat. Die Bedenken, dass durch die gewählte Formulierung im Hinblick auf eine künftige Leistungsklage die strittige Rechtslage nicht zweifelsfrei und genau geklärt würde, werden vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.

Streitentscheidend ist hier der genaue Inhalt des dem Beklagten von der Klägerin erteilten "Planungsauftrags" und ob der Beklagte diesem von ihm übernommenen Auftrag ordnungsgemäß und fehlerfrei erfüllt hat. Das Erstgericht hat Letzteres bejaht. Seine Entscheidung wurde von der Klägerin aber aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit Berufung bekämpft. Da das Berufungsgericht die Mängel-, Beweis- und Tatsachenrüge der klagenden Partei auf Grund seiner unrichtigen Rechtsansicht, dass das (restliche) Klagebegehren nicht ausreichend bestimmt und schon aus diesem Grund abzuweisen sei, unerledigt gelassen hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Textnummer

E57746

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0070OB00065.00K.0407.000

Im RIS seit

07.05.2000

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2015
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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