TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/14 2006/01/0661

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2006
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/01/0662 2006/01/0663 2006/01/0664

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerden 1.) der B S, geboren 1957, 2.) des D S, geboren 1958, 3.) der R S, geboren 1992 und 4.) des N S, geboren 1990, alle in U und vertreten durch Mag. Arno Pajek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Rathausgasse 7, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. Juli 2006, Zlen. 301.971-C1/E2-V/15/06, 301.970-C1/E2-V/15/06, 301.972-C1/E2- V/15/06, 301.974-C1/E2-V/15/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat jeder der beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Mitglieder einer Familie (die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind Ehegatten, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer ihre minderjährigen Kinder), Staatsangehörige von Serbien, stammen aus Vrasac in der Vojvodina und gehören der Volksgruppe der Roma an. Mitte Oktober 2005 reisten sie (in Begleitung eines weiteren - bereits volljährigen - Kindes der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers namens Z S, dessen Asylverfahren noch anhängig ist) in das Bundesgebiet ein und beantragten Asyl. Ihre Flucht begründeten sie bei den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 24. Oktober 2005 und 20. April 2006 im Wesentlichen damit, wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit im Herkunftsstaat verfolgt zu werden. In der Zeit von 1997 bis Oktober 2004 hätte sie sich in Deutschland "geduldet" aufgehalten, seien dann aber freiwillig nach Serbien zurückgekehrt. Dort seien sie von den Serben auf der Straße angefeindet, misshandelt und beschimpft worden. Es sei ihnen gesagt worden, dass sie "keine Menschen" seien und verschwinden sollten. Konkret seien die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer im August 2005 bei einem Spaziergang mit ihrem Sohn Z von einigen Serben in der Weise attackiert worden, dass diese einen Hund auf den Sohn gehetzt hätten. Der Viertbeschwerdeführer sei im März oder April 2005 von einigen Serben überfallen, geschlagen und beraubt worden. Die Polizei bleibe bei Anzeigen durch Angehörige der Roma untätig, weshalb diese nichts genützt hätten. So habe der Viertbeschwerdeführer nach dem Überfall auf ihn die Polizei verständigt, diese sei aber nicht erschienen. Den Vorfall vom August 2005 hätten die Beschwerdeführer gar nicht angezeigt. Anfang des Jahres 2005 habe sich der Zweitbeschwerdeführer mit seinem Sohn Z, der an Epilepsie leide, zur Behandlung in das Krankenhaus in Vrasac begeben. Die Ärzte hätten medizinische Hilfe jedoch unter Hinweis auf die Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführer verweigert und auch erforderliche Medikamente nicht verschrieben. Der Zweitbeschwerdeführer sei dadurch gezwungen gewesen, Medikamente auf eigene Kosten zu besorgen, seine finanziellen Mittel hätten dazu aber nur eine Zeit lang ausgereicht und die Familie sei aus diesem Grund in eine Notlage geraten. Deshalb und wegen der gegen sie gerichteten Anfeindungen seien die Beschwerdeführer nach Österreich geflohen.

Mit Bescheiden jeweils vom 15. Mai 2006 wies das Bundesasylamt die Asylanträge der Beschwerdeführer gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies die Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien und Montenegro aus. Gegen die vorgebrachten Anfeindungen hätten die Beschwerdeführer - so die Begründung der Bescheide - "effektive Schutzmechanismen der Behörden" ihres Herkunftsstaates in Anspruch nehmen können. Im Übrigen könne aber dahingestellt bleiben, ob die den Beschwerdeführern drohende Verfolgung durch Dritte vom Staat geduldet würde, weil es - wie in den gegenständlichen Fällen - bei einer nicht auf den Gründen der Flüchtlingskonvention beruhenden Verfolgung nicht darauf ankomme. Den Angaben über eine Verweigerung der ärztlichen Behandlung des Z S wegen dessen Volksgruppenzugehörigkeit werde die Glaubwürdigkeit abgesprochen, weil diese Ausführungen mit der aktuellen Situation im Heimatland der Beschwerdeführer nicht vereinbar seien.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer jeweils Berufung, die von der belangten Behörde mit den angefochtenen Bescheiden ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG" abgewiesen und die Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Serbien - nicht aber Kosovo -" ausgewiesen wurden.

Diese Entscheidungen begründete sie im Wesentlichen damit, das Bundesasylamt sei "nach sehr umfangreichen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien sowie zur konkreten Situation der Roma im Speziellen" davon ausgegangen, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführer "in seiner Gesamtheit keinerlei Glaubwürdigkeit zuzubilligen" sei. Die Aussagen der Beschwerdeführer bezüglich der Verweigerung der ärztlichen Behandlung des Z S seien mit den aktuell vorliegenden "Minderheitenberichten" nicht zu vereinbaren, weshalb den diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit versagt werden müsse. In der Berufung finde keine konkrete Auseinandersetzung mit den "in sich stimmigen beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes" statt, weshalb die belangte Behörde die zutreffende erstinstanzliche Beweiswürdigung vollinhaltlich auch zum Inhalt der eigenen Beweiswürdigung erhebe, der zufolge das angeblich fluchtauslösende Ereignis - Verweigerung der ärztlichen Behandlung - nicht geglaubt werden könne. Ergänzend sei zu erwähnen, dass die erstinstanzlichen Länderunterlagen bezüglich der medizinischen Versorgung und der generellen Situation von Angehörigen der Volksgruppe der Roma in Serbien, wonach die Lage generell als stabil, sicher und aus menschenrechtlicher Sicht nicht einmal in Ansätzen als besorgniserregend zu qualifizieren sei, auch in dem der belangten Behörde vorliegenden aktuellen Bericht des Auswärtigen Amts Berlin vom 28. Februar 2006 Bestätigung fänden. Es vermöge auch nicht nachvollzogen zu werden, aus welchem Grund es den Beschwerdeführern prinzipiell nicht zumutbar gewesen sein solle, sich mit allenfalls strafrechtlich relevanten Problemen an die lokalen Sicherheitseinrichtungen zu wenden. Hinweise darauf, dass diese generell nicht willens oder faktisch nicht dazu in der Lage seien, Volksgruppenangehörigen der Roma in der Provinz Vojvodina wirksamen Schutz vor kriminellen Übergriffen durch Privatpersonen zu bieten oder derartige kriminelle Handlungen auch nur ansatzweise duldeten, lägen unter Heranziehung der Länderberichte nicht vor. Vielmehr führten "laut aktuellem Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin vom 23.09.2005 körperliche Angriffe auf Roma auch in der Praxis zu Gerichtsprozessen", weshalb keinesfalls eine landesweite Schutzunwilligkeit des Staates gegeben sei.

Dagegen wenden sich die vorliegenden, wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerden machen - zusammengefasst - geltend, die belangte Behörde sei den Ausführungen der Beschwerdeführer über ihre Schwierigkeiten im Herkunftsstaat nur deshalb nicht gefolgt, weil die aktuellen Länderberichte angeblich Gegenteiliges "widerspiegeln" würden. In diesen Berichten werde aber etwa auch ausgeführt, dass es Hinweise auf diskriminierendes Verhalten durch Angehörige medizinischer Einrichtungen gegenüber den Roma gebe. Nachgewiesene Fälle der Behandlungsverweigerung in öffentlichen Einrichtungen seien zwar bislang nicht bekannt geworden, solange die belangte Behörde aber nur den Länderberichten glaube, werde "es de facto auch nie konkrete Vorfälle geben."

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerden im Ergebnis eine relevante Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Begründung der angefochtenen Bescheide schon insoweit in sich widersprüchlich ist, als zunächst aktenwidrig festgehalten wurde, das Bundesasylamt habe dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen, während sich den erstinstanzlichen Bescheiden nur entnehmen lässt, dass die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Verweigerung der medizinischen Behandlung des Z S nicht geglaubt wurde, während die weiteren Angaben - betreffend Anfeindungen und Tätlichkeiten gegenüber Mitgliedern der Familie auf offener Straße - den Entscheidungen als wahr zugrundegelegt wurden. In ihren weiteren Erwägungen (zur Schutzfähigkeit der staatlichen Behörden) ging die belangte Behörde aber offenbar wiederum von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu den erlittenen Anfeindungen und Tätlichkeiten (ausgenommen die Behandlungsverweigerung) aus. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die belangte Behörde überdies ausführte, sie erhebe die erstinstanzliche Beweiswürdigung auch zum Inhalt ihrer Bescheide (und auch in diesem Zusammenhang nur die Unglaubwürdigkeit der vorgebrachten Behandlungsverweigerung ausdrücklich erwähnte), lassen sich die angefochtenen Bescheide insgesamt nur so verstehen, dass die belangte Behörde damit in sachverhaltsmäßiger Hinsicht den erstinstanzlichen Überlegungen zur Gänze folgen wollte.

Ausgehend davon ist zu prüfen, ob die Beweiswürdigung der Asylbehörden zur behaupteten, aber nicht geglaubten Verweigerung einer erforderlichen medizinischen Behandlung des Z S einerseits und zur staatlichen Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit betreffend die von den Beschwerdeführern bereits erlittenen Anfeindungen und Tätlichkeiten andererseits einer nachprüfenden Kontrolle nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes Stand hält.

Die belangte Behörde stützte ihre diesbezüglichen Erwägungen auf das verwertete Berichtsmaterial, insbesondere den ihr vorliegenden Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) des deutschen Auswärtigen Amtes vom 28. Februar 2006 und zitierte daraus u.a. folgende Passage zur Frage der medizinischen Versorgung:

"Angehörige der Volksgruppe der Roma genießen im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems die gleichen Rechte wie die serbische Mehrheitsbevölkerung. Gelegentlich gibt es Hinweise auf diskriminierendes Verhalten durch Angehörige medizinischer Einrichtungen gegenüber Roma. Dieses beschränkt sich in der Regel jedoch auf abweisendes oder unfreundliches Verhalten. Nachgewiesene Fälle der Behandlungsverweigerung in öffentlichen Einrichtungen sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt."

Zu Recht weisen die Beschwerden darauf hin, dass diese Berichtslage die beweiswürdigende Schlussfolgerung der Asylbehörden, die Angaben der Beschwerdeführer über die angeblich erfolgte Behandlungsverweigerung seien dadurch widerlegt, nicht deckt, sondern es weiterhin möglich bleibt, dass sich gerade im Falle der Beschwerdeführer jene Ausnahme von der Regel verwirklicht hat, für die dem Auswärtigen Amt - nach dem angeführten Bericht - offenbar noch keine nachgewiesenen Fälle bekannt geworden sind. Eine schlüssige Beweiswürdigung zu Lasten der Beschwerdeführer kann sich daher entgegen der Auffassung der Asylbehörden im vorliegenden Fall nicht damit begnügen, ausschließlich auf die - wie gezeigt - nur scheinbar im Widerspruch zum Vorbringen der Beschwerdeführer stehende Berichtslage zu verweisen.

Soweit die belangte Behörde im Übrigen vermeint, ihre lägen keine Hinweise dafür vor, dass die Sicherheitsbehörden den Beschwerdeführern staatlichen Schutz verweigert hätten oder verweigern hätten können, blendet sie ohne nähere Begründung jene Teile des von ihr herangezogenen (aber im Bescheid nur ausschnittsweise zitierten) Berichtsmaterials aus, die für den Standpunkt der Beschwerdeführer sprechen könnten. So heißt es in dem bereits erwähnten Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 28. Februar 2006 u.a. auch wörtlich:

"II. Asylrelevante Tatsachen

...

1.2.1. Roma

...

Roma leben in Serbien und Montenegro seit jeher am Rande der Gesellschaft. Sie stoßen in der Bevölkerung traditionell auf Ablehnung und werden häufig ökonomisch und sozial diskriminiert ... Sie sind wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit aber nicht systematischen staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Die Unionsregierung bemüht sich, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Allerdings mangelt es insbesondere im Hinblick auf diese Gruppe noch an der praktischen Implementierung der neuen Regelungen zum Minderheitenschutz. Lt. Berichten von NROen sollen Roma von den (generell nicht seltenen) Übergriffen auf Personen im Polizeigewahrsam überproportional betroffen sein.

...

Roma haben in Serbien und Montenegro, sofern sie mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Allerdings stellt die Registrierung in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis bei der Ausübung grundlegender Rechte wie des Zugangs zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum dar: Eine Registrierung setzt voraus, dass die Antragsteller eine Reihe von Identitätsunterlagen ... vorlegen können. Dies stellt im Falle der in (Inner-)Serbien geborenen und dort weiter ansässigen Roma üblicherweise kein Problem dar. Hingegen spricht der UNHCR in seinem Survey of the Issues Affecting Roma Documentation and a Call to Action vom Juli 2002 von 13 bis 16 verschiedenen Dokumenten, die von Roma aus anderen Regionen als Voraussetzung für eine Registrierung vorzulegen sind. Viele der aus anderen Republiken Ex-Jugoslawiens zugewanderten sowie der aus dem Kosovo geflüchteten Roma (Internally Displaced Persons, IDP) verfügen nicht über die notwendigen Dokumente und konnten deshalb bisher auch nicht registriert werden. Das Problem der Registrierung der IDP zeigt sich vor allem in Belgrad als wichtiger Anlaufstelle von binnenvertriebenen Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Der Zugang zu Wohnraum ist für Roma v.a. in den Städten

schwierig.

...

Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Roma grundsätzlich schwierig. Ursächlich hierfür sind nicht nur die weit verbreiteten gesellschaftlichen Vorurteile, sondern vor allem das durch traditionelle Verhaltensweisen bedingte niedrige Bildungs- und Qualifikationsniveau. Dieses gründet sowohl auf der Diskriminierung im Schul- und Bildungsbereich als auch auf der allgemeinen sozialen Ausgrenzung. ... Die hohe Arbeitslosigkeit in Serbien und Montenegro macht es den Roma zusätzlich schwer, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen.

...

2. Repressionen Dritter

Von Menschenrechtsorganisationen wird der Vorwurf erhoben, dass die Polizei noch immer nicht aktiv genug gegen Übergriffe auf Minderheiten, v.a. Roma, vorgehe. Einzelfälle werden immer wieder über die Medien bekannt. Verantwortlich für diese Haltung ist aber nicht eine Weisung von 'oben', sondern vielmehr die traditionellen Vorurteile, die den Roma (und anderen Minderheiten) entgegen gebracht werden. Seit dem 05.10.2000 führen Anzeigen von Roma wegen Körperverletzung auch in der Praxis zu Gerichtsprozessen."

Von diesen Darlegungen erwähnt die belangte Behörde gegen Ende ihrer Begründung (gestützt allerdings auf die zeitlich ältere Fassung des Berichtes des Auswärtigen Amtes vom 23. September 2005) nur den Umstand, dass Anzeigen von Roma "auch in der Praxis zu Gerichtsprozessen führen." Dieser aus dem Gesamtzusammenhang gerissene Teil des Berichtes lässt für sich betrachtet aber nicht erkennen, in welcher Häufigkeit Anzeigen von Roma tatsächlich einer gerichtlichen Erledigung zugeführt werden oder umgekehrt, ob es - wie von den Beschwerdeführern angegeben - noch immer dazu kommt, dass staatliche Behörden Angehörigen der Volksgruppe der Roma keinen wirksamen Schutz gegen Übergriffe auf ihre Person bieten. Punkt II.2. des zitierten Berichtes lässt es in seinem ersten Satz jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, dass den Beschwerdeführern - wie von ihnen auch angegeben - in ihrer Heimatregion kein Schutz zuteil geworden ist bzw. im Falle weiterer (von den Beschwerdeführern unterlassener) Anzeigen geworden wäre. Ob die belangte Behörde mit ihrem Hinweis, es sei somit keinesfalls eine landesweite Schutzunwilligkeit gegeben, auf die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative für die Beschwerdeführer Bezug nehmen wollte, lässt ihre Begründung nicht zweifelsfrei erkennen. Die Annahme einer solchen würde aber - v.a. unter dem Aspekt der Zumutbarkeit - eine eingehendere Auseinandersetzung mit der individuellen Situation der Beschwerdeführer einerseits und allfälligen mit einem Ortswechsel innerhalb Serbiens eventuell zu erwartenden Schwierigkeiten andererseits voraussetzen, die der angefochtene Bescheid nicht enthält.

Es lässt sich auch nicht ohne Weiteres ausschließen, dass unter Zugrundelegung des gesamten Vorbringens der Beschwerdeführer die aus Gründen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit erlittenen Anfeindungen, Diskriminierungen (einschließlich der Verweigerung medizinisch notwendiger Behandlungsmaßnahmen) und Misshandlungen bei einer Gesamtbetrachtung eine asylrelevante Verfolgung begründen und damit ein anderes Verfahrensergebnis herbeiführen können.

Die angefochtenen Bescheide waren deshalb wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der verzeichnete Zuspruch von Umsatzsteuer findet darin allerdings keine Deckung und es sind die Beschwerdeführer aufgrund der gewährten Verfahrenshilfe von der Entrichtung der angesprochenen Eingabegebühren befreit, weshalb das Kostenmehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am 14. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006010661.X00

Im RIS seit

02.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten